Frage an Josef Göppel bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

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Josef Göppel
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Frage von Harald K. •

Frage an Josef Göppel von Harald K. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrter Herr Göppel,

Prof. Hans-Werner Sinn schreibt in einer Kolumne am 6.2.2016 in der F.A.Z. wie sich die Nullzinspolitik der EZB auf die Reichtumsverteilung in Europa auswirkt. So rechnet er vor, daß den Deutschen Kapitalertragsverluste in der Größenordnung von 68 Milliarden Euro pro Jahr entstehen, während den südeuropäischen Ländern 85 Milliarden Euro an Gewinnen zufließen. Halten Sie diese massive Vermögensumverteilung für gerechtfertigt, und falls ja, weshalb? Profitiert Deutschland tatsächlich „am meisten“ (Ihre
Antwort auf diesem Portal vom 28.4.15) von den Errungenschaften der EU, oder gibt es nicht vielleicht eher einen starke nationalistische Komponente in der Person des italienischen, ehemaligen Goldman Sachs Managers und heutigen EZB-Zinsjongleurs Dragi begründet?

Mit freundlichen Grüßen
Harald Kroemer

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Sehr geehrter Herr Kroemer,

vielen Dank für Ihre Frage und den Hinweis auf den interessanten Artikel von Hans-Werner Sinn. Ich vermute, wir sind uns alle einig, dass es als Folge der Finanzkrise wirtschaftliche Ungleichgewichte in Europa gibt, von denen Gefahren für die wirtschaftliche Stabilität ausgehen. Die Bundesregierung und insbesondere Bundesfinanzminister Schäuble haben es aber dennoch seit 2008 geschafft, in Deutschland eine stabile wirtschaftliche Entwicklung bei hoher Beschäftigungsquote zu sichern.

Hans-Werner Sinn ist bekannt für seine zugespitzte Kritik an der Europäischen Zentralbank. Die von Ihnen zitierten Kapitalertragsverluste von 68 Milliarden Euro beziehen sich auf das deutsche Nettoauslandsvermögen. Professor Sinn erwähnt in seinem Artikel auch die Quelle des deutschen Nettoauslandsvermögens: Es sind die traditionell hohen Leistungsbilanzüberschüsse. In vielen Jahren hat Deutschland mehr Güter und Dienstleistungen exportiert als importiert. Der Saldo sind Forderungen gegenüber dem Ausland, die unter anderem Wertpapiere sein können und auch verzinst werden. Prof. Sinn vergleicht nun den EZB-Zins von 2007 mit dem derzeitigen EZB-Zinsniveau. Deutschlands "Auslandsersparnisse" hätten dann 68 Milliarden Euro jährlich mehr gebracht.

Die EZB ist seit mehreren Jahren in der ungemütlichen Situation einen zinspolitischen Spagat vollführen zu müssen: Während die konjunkturell starken Staaten wie Deutschland, Österreich oder die Niederlande eigentlich einen etwas höheren Zins gut vertragen könnten, bräuchten die südeuropäischen Staaten zur Ankurbelung der Wirtschaft einen etwas niedrigeren Zins. Der derzeitige Negativzins ist also ein Kompromiss. Nehmen wir einfach an, es gäbe die D-Mark noch. Die Deutsche Bundesbank würde wegen der unterschiedlichen konjunkturellen Entwicklung derzeit höhere Zinsen vorgeben als die italienische Notenbank. Die D-Mark würde gegenüber der Lira aufwerten. Für die deutschen Auslandsforderungen gegenüber Italien würde das folgendes bedeuten: Italienische Wertpapiere würden wahrscheinlich noch niedrigere Zinsen abwerfen als die EZB derzeit vorgibt und gleichzeitig würden die Wertpapiere wegen der Abwertung der Lira in D-Mark auch noch weniger wert sein! Die "Vermögensumverteilung" wäre ohne Euro also noch weit höher.

Prof. Sinns Rechnung legt also keine Folgekosten des Euros, sondern der Finanzkrise offen! Von den extrem niedrigen Zinsen profitiert übrigens auch der deutsche Staat. Das Wirtschaftsforschungsinstitut in Halle geht davon aus, dass die Zinsen für deutsche Staatsanleihen bei einer nationalen Geldpolitik zwischen 2010 und 2015 um durchschnittlich 3% höher gelegen hätte. Bund, Länder und Gemeinden haben mindestens 100 Milliarden Euro gespart!

Nochmal zurück zu den Leistungsbilanzüberschüssen: Leider ist es so, dass die europäischen Errungenschaften als selbstverständlich vorausgesetzt werden. Es ist schlicht gar nicht mehr vorstellbar, dass ein anderer europäischer Staat mit einer kreativen Abwertungspolitik oder einer willkürlichen Standardsetzung den Absatz deutscher Produkte erschwert. Der Europäischen Binnenmarkt bietet einen verlässlichen Rahmen für den deutschen Export. Güter und Dienstleistungen, die einmal die Zulassung haben, können in einem vielfach größeren Markt als Deutschland ohne weitere Hindernisse angeboten werden. Ich weiß nicht, ob und in welchem Unternehmen Sie arbeiten. Sollte es aber ein mittelfränkischer Mittelständler sein, ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass Ihr Arbeitsplatz ganz wesentlich vom Export innerhalb der EU gesichert wird.

Leistungsbilanzüberschüsse sind außerdem keineswegs ein dauerhaft erstrebenswerter Zustand. Am positivsten sind die "Auslandsersparnisse" noch, wenn sie von deutschen Unternehmen in gut wirtschaftende Auslandstochterunternehmen investiert wurden. Aus der Sicht eines deutschen Arbeitnehmers wäre es aber besser, wenn er stattdessen im Gegenzug für den Export attraktive Güter und Dienstleistungen aus dem Ausland im gleichen Gegenwert erhalten würde. Deshalb befürworte ich eine deutsche Wirtschaftspolitik, die gezielt die deutsche Binnennachfrage stärkt. Die deutlichen Lohnzuwächse der vergangenen Jahre sind der richtige Weg!

Mit freundlichen Grüßen
Ihr Josef Göppel