Wann wird es endlich eine spürbare personelle Entlastung an den Schulen geben und die Praxis der "Abordnungen" aufgegeben?

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Julia Willie Hamburg
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Frage von Benjamin K. •

Wann wird es endlich eine spürbare personelle Entlastung an den Schulen geben und die Praxis der "Abordnungen" aufgegeben?

Herr Weil wird zitiert, dass die Probleme aus dem sozialen Umfeld, dem Elternhaus, sowie durch die Folgen der Pandemie entstanden sind. [Die Zeit]

Grundsätzlich sehe ich das größere Problem in der Organisation der Schulen.

Es gibt zu wenig Lehrer, das ist fakt. Aber warum werden dann ...

- ... Informatiklehrer eingesetzt um die gesamte IT-Infrastruktur zu managen. Aus meiner Sicht gehört dies ALLES von der Benutzerverwaltung bis zum Netzwerkkabel in die Hände von Dienstleistern. Informatiklehrer könnten mehr unterrichten.

- ... ukrainische Lehrkräfte nicht eingesetzt sondern im besten Fall als Pausfüller 5-6 Stunden die Woche.

- ... nicht mehr Sozialarbeiter eingesetzt um die multiplen sozialen Probleme (Cybermobbing, Probleme in der Familie, Psychische Störungen) von kompetenten Teams aufzuarbeiten. Alle Lehrer könnten mehr unterrichten.

- ... nicht mehr Verwaltungspersonal um Konferenzen, Stundenpläne, Exkursionen zu organisieren. Alle Lehrer könnten mehr unterrichten.

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Bündnis 90/Die Grünen

Hallo,

wir danken Ihnen für Ihre Nachricht. Sie sprechen Herausforderungen an, die auch wir ganz klar erkennen und wo wir intensiv an Lösungen arbeiten.

Wie Sie sicherlich aus den Nachrichten entnehmen können, ist die Haushaltssituation in der ganzen Bundesrepublik angespannt und dementsprechend sind auch auf Landesebene nicht alle Ziele zeitgleich zu lösen. Auch der Lehrkräftemangel ist nicht durch eine einzige Handlung zu lösen, sondern durch einen Plan der 1000 Schritte. Wir können in Niedersachsen auf den größten Kultusetat aller Zeiten blicken und dass es sich um den größten Haushaltsplan Niedersachsens handelt, zeigt eine eindeutige Priorisierung der Bildung von Kindern und Jugendlichen. 

An dieser Stelle möchten wir Sie auf Maßnahmen hinweisen, die bereits unternommen wurden:

Schulsozialarbeit und Multiprofessionelle Teams:

  • Die Stärkung der Schulsozialarbeit ist erklärtes Ziel der Landesregierung und in der Koalitionsvereinbarung der Regierungsfraktionen verankert. Ziel ist es, perspektivisch jede Schule multiprofessionell mit Fachkräften und Schulsozialarbeit auszustatten. Aktuell beschäftigt das Land rund 1 400 sozialpädagogische Fachkräfte mit einem Beschäftigungsvolumen von rund 1 200 Vollzeiteinheiten (abS und BBS). Im Sekundarbereich I verfügt nahezu jede Schule über mindestens eine sozialpädagogische Fachkraft, mit Ausnahme der Förderschulen und Gymnasien. Ein weiterer Ausbau der Schulsozialarbeit vonseiten des Landes ist grundsätzlich vorgesehen. Im Haushaltsjahr 2023 stehen über den Ansatz der Vorjahre hinaus dafür jedoch keine zusätzlichen Mittel zur Verfügung. Für das Haushaltsjahr 2024 konnten die im Rahmen des “Startklar in die Zukunft”-Programms geschaffenen Stellen für Schulsozialarbeit und Schulpsychologie erfolgreich verstetigt werden: Das sind 60 Vollzeitstellen (120 Teilzeitstellen) für Schulsozialarbeit und 36 Vollzeitstellen für Schulpsychologie.  Derzeit verhandeln Bund und Länder zudem über das sogenannte Startchancenprogramm, das einen Ausbau der Schulsozialarbeit beinhalten soll. Die Mittel des Startchancenprogramms sollen sozialdatenbasiert verteilt werden. Somit können insbesondere Schulen mit erhöhtem Bedarf von zusätzlichen Ressourcen profitieren. Der entsprechende Entschließungsantrag zur Erstellung eines Niedersächsischen Sozialindex befindet sich aktuell im Kultusausschuss in der Beratung. Ansonsten möchte ich noch folgenden Hinweis geben: Alle Schulen haben die Möglichkeit, bis zu 2% ihrer Stellen zu kapitalisieren und daraus eine sozialpädagogische Fachkraft zu finanzieren. Für die Beratung der Schulen gibt es eigene Dezernenten für Schulsozialarbeit, in jedem RLSB einen - die Schulen können sich dort beraten lassen, um Möglichkeiten auszuloten.
  • Im Bereich der Berufsbildenden Schulen wurden 100 Vollzeiteinheiten für pädagogische Mitarbeitende im Haushaltsentwurf hinterlegt. Die Einrichtung dieser Stellen ist ein erster Schritt zur Umsetzung des Konzeptes „BBS permanent“ und zugleich wichtig, um weiteres nichtlehrendes Personal zu ermöglichen sowie auf neue Herausforderungen und den Fachkräftemangel zu reagieren.
  • Für pädagogische und therapeutische Fachkräfte an Förderschulen und inklusiven Schulen wurden zusätzliche 100 Stellen bereitgestellt.
  • Multiprofessionelle Teams sind hier ein wichtiges Stichwort: um auf die heterogenen Bedarfe aber auch Verwaltungsaufgaben und IT-Notwendigkeiten reagieren zu können, müssen vielseitige Berufsbilder und Mitarbeitende in Schulen vertreten sein. Aktuell arbeiten wir hier an konkreten Möglichkeiten der Entlastung.

Quereinstieg

Grundsätzlich ist zunächst zu sagen, dass das Ziel der Landesregierung nach wie vor die Anstellung von grundständig ausgebildeten Lehrkräften ist. Falls keine geeigneten Lehramtsbewerber verfügbar sind, können auch qualifizierte Personen mit anderen universitären Masterabschlüssen eingestellt werden. Die Voraussetzungen dafür sind im RdErl. vom 23.6.2020 festgelegt. Der Quereinstieg ist hauptsächlich für Personen mit einem universitären Master außerhalb des Lehramtsstudiums möglich, vorausgesetzt, die Studienleistungen entsprechen den Anforderungen der Niedersächsischen MasterVO-Lehr. Eine Anstellung für Personen mit Lehramtsstudium (Bachelor oder Master) ist nur befristet vorgesehen, um ihnen praktische Erfahrungen vor dem Vorbereitungsdienst zu ermöglichen. Dauerhafte Anstellungen für Personen mit einem Master sind nur in Ausnahmefällen möglich, wenn die Möglichkeit besteht, den Vorbereitungsdienst zu absolvieren, jedoch aus persönlichen Gründen (meist altersbedingt) keine Verbeamtung mehr erfolgen kann. Diese Regelung soll nicht dazu dienen, den Vorbereitungsdienst zu umgehen. Zudem wurden folgende Maßnahmen ergriffen:

  • Mit dem Lehrkräftegewinnungspaket wurden durch Kultusminister Tonne bereits Maßnahmen in die Wege geleitet, den sogenannten Quereinstieg in das Lehramt zu beschleunigen und zu erleichtern. Unter anderem erhalten Bewerber*innen, die zunächst nicht genügend Leistungspunkte für eine Stelle mitbringen, 20 Leistungspunkte gutgeschrieben, wenn sie aus pädagogischen Tätigkeiten kommen und bereits Berufserfahrungen haben. Auch durch eine persönliche Beurteilung einer Schulleitung können zusätzliche 5 Leistungspunkte angerechnet werden.
  • Mit dem Schuljahr 2022/2023 wurde die Fächerzuordnung deutlich erleichtert und Möglichkeiten geschaffen, durch einschlägige berufliche Tätigkeiten und die Einbeziehung Leistungspunkten fehlende Voraussetzungen auszugleichen und damit einen Einstieg zu erleichtern.
  • Der Zugang von Praxislehrkräften ohne Master-Abschluss für die Unterrichtsfächer Hauswirtschaft, Technik, Informatik, Gestaltendes Werken und Textiles Gestalten sowie für Unterricht in den Profilen Gesundheit und Soziales sowie Technik für Stellen des Lehramtes an Haupt- und Realschulen und in dem Fachbereich Arbeit-Wirtschaft-Technik an Gesamtschulen wurde ermöglicht.
  • Seit dem Sommersemester 2023 können sogenannte „Ein-Fach-Lehrkräfte“ eine Weiterbildungsmaßnahme für eine Zweitfachqualifizierung durchlaufen.
  • Darüber hinaus planen wir: Für Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger mit Bachelorabschluss, die bisher nur befristet eingestellt werden können, soll die Möglichkeit zum Masterabschlusserwerb im berufsbegleitenden Studium eröffnet werden.
  • Für Bewerber*innen für den Quereinstieg mit einem ausländischen Hochschulabschluss gelten künftig die gleichen Erleichterungen wie für Bewerber*innen mit einem in Deutschland erworbenen Hochschulabschluss. Alleine über diese Änderung konnten 23 weitere QE zum Verfahren zugelassen und schließlich 6 eingestellt werden. Außerdem wurden die RLSBs mit zusätzlichen Mitarbeitenden für eine schnellere Zulassungsprüfung ausgestattet.
  • Alle Bewerber*innen für einen Quereinstieg, die die Vorgaben erfüllen, erhalten ein Einstellungsangebot – wir lassen also keine Chance verfallen. Uns ist klar, dass der Querstieg alleine den Lehrkräftemange nicht lösen kann und soll, aber es ist ein Baustein, den wir nicht ungenutzt lassen dürfen.

Weitere Maßnahmen sowie die Überlegungen zum Haushaltsjahres 2025 sind bereits in Arbeit und werden sowohl parlamentarisch als auch auf Ebene der Landesregierung unter Hochdruck beraten und geplant.

Mit freundlichen Grüßen

Team Hamburg

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