Wie realistisch ist es, dass DoktorandInnen-Stellen in der Wissenschaft in absehbarer Zeit auf finanziell stabilere Beine gestellt werden?

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Kai Gehring
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Frage von Oliver D. •

Wie realistisch ist es, dass DoktorandInnen-Stellen in der Wissenschaft in absehbarer Zeit auf finanziell stabilere Beine gestellt werden?

Lieber Herr G.,
es dürfte gemeinhin bekannt sein, dass ein nicht unerheblicher Anteil der DoktorandInnen an den deutschen Universitäten nur Teilzeitverträge (mit z.T. unrealistisch kurzen Laufzeiten) hat, obwohl wir 100% (oder mehr) arbeiten. Sprich: Wir promovieren in unserer Freizeit und generieren einen wissenschaftlichen Mehrwert ohne Bezahlung. Dass Sie als Teil der Grünen das ändern wollen, ist bekannt und auch, dass der Koalitionsvertrag Verbesserungen (was auch immer das heißt) vorsieht. Jetzt konkret die Frage: Können wir DoktorandInnen damit rechnen, dass sich an diesen Arbeitsbedingungen in dieser Legislaturperiode etwas ändert? Die Frage bezieht sich dabei ausdrücklich NICHT auf die Vertragslaufzeiten, sondern die Praxis der Vergabe von Teilzeitverträgen für Vollzeitarbeit.
Für eine aussagekräftige Antwort, die Einblicke gibt, wie der Stand der politischen Prozesse ist und gleichzeitig auf Modalverben verzichtet, wäre sehr (!) hilfreich.
Beste Grüße

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Lieber Herr D.,

wie Sie richtig feststellen, ist die Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Wissenschaft für uns Bündnisgrüne wie auch die Koalition insgesamt ein wichtiges Anliegen. Die aktuelle Evaluation des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes hat hier noch einmal verdeutlicht, wie groß der Handlungsbedarf für gute Arbeitsbedingungen insgesamt ist. Grundsätzlich und dauerhaft mehr Arbeit von Promovierenden – aber auch anderen wissenschaftlichen Mitarbeiter*Innen – zu erwarten als vertraglich vereinbart, halte auch ich für sehr problematisch. Nicht alles liegt hier im Gestaltungsspielraum des Bundes. Aber um Abhilfe zu schaffen, arbeiten wir eng mit den Ländern zusammen, um die Finanzierung der Hochschulen und Forschungseinrichtungen insgesamt zu verbessern und den Ausbau von Vollzeitstellen zu fördern und drittmittelfinanzierte Stellen besser auszustatten. Im Koalitionsvertrag haben wir darüber hinaus ein Best-Practice-Programm für Hochschulen verankert, mit dem neue Modelle der Personal- und Organisationsformen – beispielsweise in Form von Department-Strukturen – erprobt werden können.

Zu Ihrer Information füge ich noch die Passage zu  "Arbeitsbedingungen in der Wissenschaft" aus dem Koalitionsvertrag bei: 

"Gute Wissenschaft braucht verlässliche Arbeitsbedingungen. Deswegen wollen wir das Wissenschaftszeitvertragsgesetz auf Basis der Evaluation reformieren. Dabei wollen wir die Planbarkeit und Verbindlichkeit in der Post-Doc-Phase deutlich erhöhen und frühzeitiger Perspektiven für alternative Karrieren schaffen. Wir wollen die Vertragslaufzeiten von Promotionsstellen an die gesamte erwartbare Projektlaufzeit knüpfen und darauf hinwirken, dass in der Wissenschaft Dauerstellen für Daueraufgaben geschaffen werden. Wir tragen für eine verbesserte Qualitätssicherung der Promotion Sorge.

Wir wollen die familien- und behindertenpolitische Komponente für alle verbindlich machen. Das Tenure-Track-Programm werden wir verstetigen, ausbauen und attraktiver machen. Wir wollen das Professorinnenprogramm stärken. Wir wollen Geschlechtergerechtigkeit und Vielfalt künftig in allen Förderprogrammen und Institutionen verankern und durchsetzen. Mit einem Bund-Länder-Programm wollen wir Best-Practice-Projekte für 1) alternative Karrieren außerhalb der Professur, 2) Diversity-Management, 3) moderne Governance-, Personal- und Organisationsstrukturen fördern. Standards für Führung und Compliance-Prozesse sind im Wissenschaftssystem noch stärker zu berücksichtigen."

Mit freundlichen Grüßen

Kai Gehring

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