Frage an Karl Ulrich Voss bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

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Karl Ulrich Voss
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Frage von Benjamin B. •

Frage an Karl Ulrich Voss von Benjamin B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Kann man als Einzelbewerber denn überhaupt auf Augenhöhe mit den Kandidaten der Parteien werben?

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Sehr geehrter Herr Brück,

"gute Frage", möchte man sagen und dann "nächste Frage!". Aber ganz im Ernst: gleiche Augenhöhe ist die Herausforderung. Und das Wahlrecht, das den parteifreien Kandidaten in § 20 Abs. 3 Bundeswahlgesetz ja hoffentlich nicht nur als Feigenblatt normiert hat, unterstützt die gleiche Augenhöhe nicht sehr effizient. Gehen wir mal die verschiedenen Werbe-Medien durch:

(1) Wahlwerbeschlacht mit Plakaten, Flyern etc.:
Da hat ein freier Kandidat sehr wenig entgegen zu setzen. Ein Beispiel: Die gleiche Stimmenzahl wie bei der 2009er Wahl unterstellt, kann die CDU 2013 mit einer Wahlkampfkostenerstattung i.H.v. über 200.000€ kalkulieren. Ich hatte mir 2.000€ = sehr genau 1% davon als Grenze gesetzt, um nicht noch meine Erben an den Kosten zu beteiligen. Ist im Wesentlichen für Druck und Verteilung meines kleinen Wahlprogramms nur in meiner Heimatstadt (= ca. 6% der Wahlberechtigten) drauf gegangen. Bei einigen Parteien wird die Kriegskasse zudem durch private Zuwendungen aufgebessert, siehe den schönen Stern-Artikel „Helium fürs Volk“ in der Ausgabe v. 28.8.2013.

(2) Printmedien:
Viel Licht und viel Dunkel. Bei den lokalen Zeitungen sind die hergebrachten Tageszeitungen eher schwer zu begeistern und auch fast kritisch gegenüber freien Bewerbungen, das mag ein wenig an den gut eingewöhnten politischen Kontakten liegen. Ich wurde bei der Wahlberichterstattung hier und da völlig ausgeblendet, bekam aber auch Extra-Interviews. Überörtliche Tageszeitungen und Magazine: Auf meine Anfragen null Reaktion, nicht mal Absagen. Aber auch ein absolutes Glanzlicht: Die Berliner taz ist zwei Tage angereist und hat darüber am 11.9. sehr ausführlich und einfühlsam berichtet
http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=hi&dig=2013%2F09%2F11%2Fa0068&cHash=0d4718b34e29fa3a6bd76e524ff3eb30 .

Eine unerwartet gute Schnittstelle sind auch die Anzeigen-Zeitungen, die ganz überraschende Formate wie z.B.
Video-Interviews http://www.youtube.com/watch?v=MIw7HjDmkcs ersonnen
haben.

(3) Funk und Fernsehen: Kann man fast vergessen, speziell den WDR. Das System antwortet nicht, jedenfalls nicht auf meine Anfragen. Nach der o.g. taz-Reportage könnte aber am kommenden Samstag doch noch etwas in Gang kommen, vielleicht auch eine Internet-Präsentation. Fix und wendig dagegen wieder die Privaten, mit einem Interview auf
RadioBerg http://www.radioberg.de/berg/rb/1075884/programm/am_morgen
.

(4) Podiumsdiskussionen:
Aua, ein ganz schlechtes Thema, und daran lässt sich ein wenig die fast Zensur-artige Starre demonstrieren, die das offizielle Deutschland bei Ansehen von parteifreien Bewerbern befällt. Zu der Podiumsdebatte in unserem örtlichen Jugendzentrum wäre ich fast nicht eingeladen worden - ich musste mich schon mit verschärfter Freundlichkeit einladen. Die Sprachregelung war dort - ebenso wie bei einer entsprechenden Veranstaltung am morgigen Freitag in Kürten: „nur die im Bundestag schon vertretenen Parteien“. Für die Teilnahme in Kürten habe ich eine einstweilige Verfügung eingelegt - mal sehen, ob’s hilft.

(5) Bürgergespräch:
Und da ist der Einzelbewerber ausnahmsweise mal im Vorteil, jedenfalls ist er zuerst da, und zwar durch die vielen Kontakte im qualifying, beim Einwerben der 200 Unterstützungsschriften. Gut, man deckt nur einen sehr kleinen Teil der Wahlkreises ab - aber den dann wirklich auf Augenhöhe!

Insgesamt: Politischer Einfluss ist eine Funktion von Publizität, und Publizität überwiegend eine Funktion der einsetzbaren Ressourcen. Wo der Staat dies ausgleichen kann und Bewerber mit strukturellen - aber eben nicht inhaltlichen - Handikaps fair behandeln kann, da sollte er es künftig auch viel besser tun, gerade auch bei den öffentlichen Medien und bei Veranstaltungen in öffentlichen Einrichtungen. Damit es nicht mit der Trägheit eines Ozeandampfers immer beim „Bewahren des Altbewährten“ bleibt.

MfG
K. U. Voss