Frage an Kathrin Vogler bezüglich Gesundheit

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Kathrin Vogler
DIE LINKE
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Frage von Florian F. •

Frage an Kathrin Vogler von Florian F. bezüglich Gesundheit

Sehr geehrte Damen und Herren,
als leitender Mitarbeiter im Bereich der ambulanten Pflege möchte ich ihnen folgende Fragen stellen.

Wie werden die Rahmenbedingungen für Pflege nach Ihren politischen Zielen in 5 Jahren aussehen?
Wie hoch schätzen sie den Overhead ein welcher im Bereich der ambulanten Pflege aktuell notwendig ist um die gesetzlichen Voraussetzungen zu erfüllen?
Wie sehen Sie die Entwicklung in der Pflegebranche und wie sehen sie im Vergleich die Entwicklung im Bereich der ambulanten Pflege?
Wie sehen sie den Aspekt dass Patienten welche einen höheren Pflegebedarf haben als ihre Pflegestufe vorsieht, für eine Höherstufung der Zeitwert jedoch nicht ausreicht, Rechnungen aus ihrer privaten Kasse begleichen müssen und tlw. Hierdurch Abhängig von der Sozialhilfe werden?
Welche Verbesserungen möchten sie in den Bereich der ambulanten Pflege einbringen?
Vielen Dank für ihre Antwort.

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Franke,

die Pflegeversicherung ist seit ihrer Einführung 1995 zu einem wichtigen Bestandteil des Systems sozialer Sicherung geworden, um das individuelle Pflegerisiko insbesondere im Alter abzusichern. Doch die Leistungen der Pflegeversicherung decken den individuellen Pflegebedarf bei Weitem nicht ab. Die Pflegeversicherung dient lediglich dazu, die familiäre, nachbarschaftliche oder ehrenamtliche Pflege zu ergänzen und zu unterstützen. Verschärft wird dieser „Teilkasko-Charakter“ dadurch, dass noch nicht einmal der seit Einführung der Pflegeversicherung zu verzeichnende Realwertverlust der Pflegeleistungen bis heute vollständig ausgeglichen wurde.
Um den bestehenden Bedarf abzudecken, müssen die Betroffenen und ihre Angehörigen auf ihr Einkommen und Vermögen zurückgreifen. Wer das nicht kann, muss auf professionelle Pflege verzichten und ist auf die Pflege durch Angehörige angewiesen. Hunderttausende pflegebedürftige Menschen sind oder werden durch die Organisation der Pflege vom Sozialamt abhängig. Das Vermögen von Betroffenen und Angehörigen wird aufgebraucht. Dies führt nicht selten zu einer Unterversorgung der pflegebedürftigen Menschen und zu einer Überlastung der sie pflegenden Menschen. Ein selbstbestimmtes und menschenwürdiges Leben in sozialer und finanzieller Sicherheit bei Gewährleistung gesellschaftlicher Teilhabe ist Pflegebedürftigen meist nicht möglich.
DIE LINKE streitet für ein neues Verständnis von Pflege: Wir setzen uns ein für eine ganzheitliche Pflege, die allen Menschen eine Teilhabe am Leben in der Gesellschaft ermöglicht. Denn Pflege bedeutet mehr, als „still, satt und sauber“ zu sein. Die Betreuung von Menschen mit einer erheblich eingeschränkten Alltagskompetenz – zum Beispiel von Menschen mit einer dementiellen Erkrankung – ist angemessen in der Pflegeabsicherung zu berücksichtigen. Ein großer Teil des tatsächlichen Bedarfs wird durch die Pflegeversicherung derzeit nicht abgedeckt (z. B. Verrichtungen des täglichen Lebens), stattdessen ist die Pflege überwiegend auf körperliche Krankheiten ausgerichtet. Neben der individuellen Pflege, Beaufsichtigung und Anleitung muss Raum für Kommunikation und soziale Teilhabe geschaffen werden.
Deshalb unterstütze ich den Vorschlag des „Beirats zur Überprüfung des Pflegebedürftigkeitsbegriffs“ von Januar 2009 für ein neues Verständnis von Pflege. „Menschen mit Pflegebedarf haben ein Recht auf qualitätsgesicherte, an ihrem persönlichen Bedarf ausgerichtete, Fähigkeiten fördernde und menschenwürdige Pflege, Unterstützung und Zuwendung bis zum Lebensende.“ Ich werde mich dafür einsetzen, dass dieser neue Pflegebegriff rasch Realität wird. Das Begutachtungsverfahren zur Feststellung des Grades von Pflegebedürftigkeit ist dementsprechend anzupassen. Pflege und Assistenz müssen sich künftig individuell an der Situation des betroffenen Menschen ausrichten: Alte Menschen bedürfen einer anderen Pflege als Kinder, Frauen einer anderen als Männer. Menschen mit erheblich eingeschränkter Alltagskompetenz sind auf eine engmaschige Betreuung angewiesen. Damit eine solche Neuausrichtung gelingt, muss das Leistungsniveau der Pflegeversicherung deutlich angehoben werden.
DIE LINKE fordert eine adäquate Qualifizierung und Vergütung von Fachpersonal in der ambulanten und stationären Pflege und die Einführung einer verbindlichen, bundesweit einheitlichen, qualitätsbezogenen Personalbemessung. Arbeit in der Pflege sollte attraktiver gestaltet und gesellschaftlich und finanziell aufgewertet werden. Die Pflegekassen haben dafür Sorge zu tragen, dass nur mit solchen Anbietern Verträge abgeschlossen werden, deren Beschäftige entweder zu Tarifbedingungen beschäftigt werden oder den Mindestlohn in der Pflege erhalten. Für eine verbesserte stationäre Versorgung im Sinne der Heimbewohnerinnen und Heimbewohner sind die Mitwirkungs- und Mitbestimmungsmöglichkeiten von Heimräten zu erweitern.
Insbesondere setze ich mich dafür ein, dass auch die ambulante Pflege aufgewertet und finanziell besser ausgestattet wird. Schließlich ist es der Wunsch der allermeisten Menschen, die auf Pflege angewiesen sind, daheim und nicht im Heim gepflegt zu werden. Dieses Ziel muss durch die politischen Vorgaben unterstützt werden
Oft wird vorgebracht, die Umsetzung dieser Forderungen, eine am individuellen medizinischen und persönlichen Bedarf orientierte Pflege zu gewährleisten, sei unbezahlbar. Dem ist aber nicht so: Mit der solidarischen Bürgerinnen- und Bürgerversicherung können wir die Pflegeversicherung dauerhaft stabil finanzieren und für soziale Gerechtigkeit sorgen: Alle Menschen – auch heute privat Versicherte – zahlen entsprechend ihrem Einkommen aus Löhnen, Gewinnen, und Kapitalerträgen in die Bürgerversicherung ein. Die Arbeitgeber übernehmen die Hälfte der Pflegeversicherungsbeiträge ihrer Beschäftigten auf Löhne und Gehälter. So macht DIE LINKE die Pflegeversicherung fit für die Zukunft! Eine Kapitaldeckung lehnt ich entschieden ab.
Oftmals werden Kosten, die nichts direkt mit der Pflege zu tun haben, als Overheadkosten bezeichnet. Es gibt keinen gängigen einheitlich definierten Begriff hierfür. Gerne werden solche Kosten in der politischen Diskussion als "Wasserkopf" bezeichnet. Das ist schön populistisch. Viele administrative Aufgaben haben durchaus einen Sinn. Verwaltungskosten sind nicht nur negativ, bestimmte Dienstleistungen z. B. Dokumentation, Fortbildungen oder Personalplanung verbessern die Versorgungsqualität.

Kathrin Vogler, MdB

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