Frage an Katja Dörner bezüglich Finanzen

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Katja Dörner
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Frank S. •

Frage an Katja Dörner von Frank S. bezüglich Finanzen

Sehr geehrte Frau Dörner,

welche Meinung vertreten Sie in Bezug auf die eingeleiteten Schritte zu einer Europäischen Transferunion und wie werden Sie im Bundestag dazu abstimmen?

Welche Auswirkungen werden die Transferzahlungen auf den Lebensstandard und die Sozialleistungen in Deutschland haben?

Vielen Dank und beste Grüße.

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Schubert,

vielen Dank für Ihre Frage. Die Ereignisse in der Eurozone und die Entwicklung der Verschuldungs-, Finanz- und Wirtschaftskrise sind besorgniserregend. Es sind viele Gerüchte entstanden, die nicht der Wahrheit entsprechen, da die Bundesregierung den Menschen nicht genug erklärt, was auf dem Spiel steht.

Der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM) stellt Kredite für Staaten zur Verfügung, die zeitweise Schwierigkeiten haben, am Kapitalmarkt Geld zu bekommen. Sollte es absehbar sein, dass der Staat seine Kredite nicht zurückzahlen kann, darf der ESM kein Geld mehr geben und der Staat muss Insolvenz anmelden. Dieses Insolvenzrecht wird gerade auf europäischer Ebene erarbeitet ist die Garantie dafür, dass der ESM kein Fass ohne Boden wird. Ein Fass ohne Boden ist er auch deswegen nicht, weil die Summe der deutschen Gewährleistungen klar begrenzt ist. Über diese Summe entscheidet der Deutsche Bundestag und sie kann nicht überschritten werden.

Im ESM-Vertrag ist festgelegt, dass ein überschuldeter Staat erst dann Kredithilfen aus dem ESM bekommt, wenn die privaten Gläubiger (zum Beispiel Banken) beteiligt werden. Das ist richtig, denn wer Wertpapiere eines Landes kauft und Zinsen kassiert, muss auch das Risiko eines Ausfalls tragen. In den vorgesehenen Klauseln zu einer möglichen Umschuldung (Collective Action Clauses), die nun bis Ende des Jahres ausgearbeitet werden sollen, wird ein Verfahren zur Beteiligung des Privatsektors festgeschrieben. Solch eine verbindliche Insolvenzordnung ist ein zentraler Schlüssel zur Stabilisierung der Eurozone. Zudem muss der ESM gegenüber anderen Gläubigern – so wie im ESM-Vertrag bereits vorgesehen - im Falle eines Bankrotts des betroffenen Staates bevorzugt werden. Damit haben Steuergelder immer Vorfahrt vor privaten Geldern.

Die bereits bestehenden Gesetze über die Mitwirkung und Beteiligung des Deutschen Bundestages in Angelegenheiten der EU (EUZBBG und IntVG) müssen als Vorbild für die künftige Parlamentsbeteiligung beim ESM herangezogen werden: Art und Höhe der deutschen Beiträge werden durch Gesetz bestimmt und können nur nach einem Änderungsgesetz verändert werden. Ebenso muss der Bundestag zustimmen, wenn dem ESM weitere Handlungsinstrumente zur Verfügung gestellt werden sollen. Darüber hinaus soll die Bundesregierung vor jeder Anwendung des Rettungsschirms Einvernehmen mit dem Bundestag herstellen. Der Bundestag muss sich zu ESM-Aktionen positionieren, ein Schweigen reicht nicht aus!

Unterm Strich wird die Grüne Bundestagsfraktion der Errichtung des ESM zustimmen. Wir glauben, dass er hilft, die Eurozone zu stabilisieren und den Weg für mehr europäische Integration bereitet. Das kostet Geld und Mut. Aber die Kosten des Nichthandelns wären größer. Viel zu eng ist inzwischen die wirtschaftliche Verflechtung zwischen den Mitgliedstaaten, als dass ein Herausbrechen einzelner Staaten ohne massiven Schaden für alle Beteiligten möglich wäre. Und politisch brauchen wir eine starke und handlungsfähige EU, um den globalen Herausforderungen begegnen zu können. Deutschland allein hat in einer globalisierten Welt auf Dauer kein Gewicht – wir brauchen Europa. Deshalb kann die Antwort auf die Krise nur heißen: mehr Integration.

Mehr Integration heißt für die Grüne Bundestagsfraktion: Der ESM kann nur ein Element der finanzpolitischen Zusammenarbeit in Europa sein. Wir brauchen einen starken Stabilitäts- und Wachstumspakt mit klaren Regeln zur Vermeidung von übermäßiger Verschuldung, eine Wirtschaftsregierung, die Fehlentwicklungen in einzelnen Staaten frühzeitig erkennt und eine Kultur finanzpolitischer Verantwortung. Dafür muss sich die Bundesregierung in Brüssel einsetzen – ohne Wenn und Aber.

Ihre Katja Dörner