Frage an Katja Keul bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

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Katja Keul
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Martin H. •

Frage an Katja Keul von Martin H. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrte Frau Keul,

Inzwischen fordern immer mehr Menschen Ehrlichkeit von der Politik in Bezug auf den Afghanistan-Krieg. In der ZEIT hat jetzt ein Journalist ehrlich gesagt, worum es bei dem Krieg eigentlich geht: um Bündnisloyalität ( http://www.zeit.de/2010/15/01-Bundeswehr-Afghanistan?page=2 ). Alle anderen Gründe sind offenbar nur vorgeschoben.

Weil Sie nicht gegen den Afghanistan-Einsatz gestimmt haben, nehme ich an, dass auch bei Ihnen die Bündnisloyalität mit den USA einen so großen Stellenwert hat, dass Sie dem Krieg im Prinzip zustimmen (wenn auch der konkreten Ausführung durch die gegenwärtige Bundesregierung nicht).

Und genau das ist meine Frage: Warum ist diese Bündnisloyalität für die Bundesrepublik so wichtig? Die USA haben in den letzten Jahren das Völkerrecht vielfach aufs Schlimmste verletzt, sie haben im Irak zehntausende von Menschen getötet, und unter Präsident Obama wurde die völkerrechtswidrige Praxis der Drohnen-Ermordungen in Pakistan massiv ausgeweitet ( vgl. http://opinionator.blogs.nytimes.com/2010/04/13/title-2/?ref=opinion ). Die Verträge mit den USA sind deshalb juristisch null und nichtig -- ein Verbündeter, der sich nicht an das Recht hält, kann nicht auf Beistand hoffen, und ist uns auch keine Hilfe.

Warum ist trotzdem das politische Bündnis mit den USA noch tragfähig? Warum stellen selbst die Grünen es nicht in Frage? Mir ist das schleierhaft, und ich erhoffe mir Aufklärung von Ihnen.

Mit freundlichen Grüßen und bestem Dank,
Ihr
Prof. Dr. Martin Haspelmath

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Haspelmath,

die Einbettung in multilaterale Strukturen ist für Deutschland eine wichtige Voraussetzung, um auf die globalen Herausforderungen der Zukunft angemessen reagieren zu können. Nicht militärische Bündnisse wie die NATO, sondern vor allem politische Zusammenschlüsse wie die Europäische Union und die Vereinten Nationen müssen hierbei die zentralen Foren zur Konfliktbearbeitung sein. Ein erfolgreicher Multilateralismus ist auf die verlässliche Zusammenarbeit aller Partner zwingend angewiesen. Für Deutschland sollte es daher selbstverständlich sein, als solidarischer und verlässlicher Partner zu agieren.

Das Bündnis mit den Vereinigten Staaten besteht weit über sicherheitspolitische Belange hinaus. In der Bewältigung der großen Herausforderungen der Zukunft werden wir Europäer auch auf die enge Zusammenarbeit mit den USA angewiesen sein. Bündnistreue und Solidarität dürfen jedoch nicht dazu führen jeden Fehler mit zu machen.

Dies bedeutet, dass Deutschland ein kritischer Bündnispartner sein muss. Bei Fehltritten müssen sich die Bündnispartner auf gleicher Augenhöhe begegnen und Missstände klar ansprechen – hier ist ganz klar die Bundesregierung zum Handeln gefordert! Im Hinblick auf die USA sollten wir das Bündnis jedoch nicht gerade jetzt nach Präsident Obamas erstem Amtsjahr in Frage stellen und ihm Zeit geben, die verfehlte Politik seines Vorgängers nachhaltig zu verändern.

Im Zusammenhang mit dem Einsatz in Afghanistan und der Reaktion auf den 11. September gibt es eine große Notwendigkeit Fragen aufzuwerfen und das Handeln unserer Partner zu hinterfragen:

Im Fall der Operation Enduring Freedom habe ich mich vehement für eine Beendigung des Mandats ausgesprochen. Genaueres können Sie meiner Rede anlässlich der Mandatsverlängerung entnehmen.

Auch in Afghanistan müssen wir unseren Bündnispartnern kritische Fragen stellen. Die Berichte von Drohnenangriffen und gezielten Tötungen, die außerhalb eines völkerrechtskonformen Mandates erfolgen, lassen große Besorgnis aufkommen. Die Bundesregierung muss ihren Bündnispartnern deutlich machen, dass sie solche Operationen nicht tolerieren kann und auf die Einhaltung international geltenden Rechtes besteht.

Die falsche Strategie der letzten Jahre hat Chancen verbaut, aber auch eine Verantwortung der internationalen Gemeinschaft und damit auch Deutschlands gegenüber der afghanischen Bevölkerung geschaffen, der wir uns nicht einfach entziehen können. Es gilt den VN-mandatierten Einsatz so zu beenden, dass eine politische Verhandlungslösung ermöglicht und der Bevölkerung weiteres Leid erspart wird.

Der weitere Verbleib deutscher Truppen ist nur dann tragbar, wenn der Nutzen für die Menschen vor Ort die Risiken und Schäden erheblich übersteigt. Nach den mir vorliegenden Berichten und Informationen setzen viele Menschen in Afghanistan nach wie vor große Hoffnungen in die weitere Präsenz der internationalen Truppen. Vor diesem Hintergrund habe ich mich mit der Mehrheit meiner Fraktion der Stimme enthalten. Weitere Details können sie dem Entschließungsantrag von Bündnis 90/ Die Grünen zu dieser Mandatsverlängerung entnehmen.

Mit freundlichen Grüßen,

Katja Keul

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