Frage an Kersten Artus bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

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Kersten Artus
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Frage von Angelika G. •

Frage an Kersten Artus von Angelika G. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Artus,

warum ist es aus ihrer Sicht wichtig, dass es in Hamburg einen Feiertag am 8. März geben soll?

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DIE LINKE

Liebe Angelika Gericke,

Der 8. März sollte ein gesetzlicher Gedenk- und Feiertag werden, weil die Gesellschaft sich dringend und nachhaltig daran erinnern muss, dass die Forderungen der Frauenbewegung Anfang des 20. Jahrhunderts noch lange nicht erfüllt sind. Unsere Urgroßmütter verlangten gleichen Lohn für gleiche Arbeit, einen Acht-Stunden-Tag und einen Mindestlohn.

Zum Lohn: Frauen verdienen 23 Prozent weniger als Männer.
Zur Arbeitszeit: Die unbezahlten Überstunden steigen und steigen, Herr Olaf Scholz (SPD) befürwortet sogar eine 60-Stunden-Woche
Zum Mindestlohn: Er wartet darauf, gesetzlich eingeführt zu werden. In 22 europäischen Ländern ist er bereits Realität.

Es gibt viele ganz praktische und unmittelbare Möglichkeiten, die Gleichstellung in Hamburg umzusetzen, nur drei Beispiele:
- Das Gleichstellungsgesetz muss verbindlicher werden und auch für die Privatwirtschaft gelten.
- Frauenpolitik darf nicht auf familienpolitische Fragen reduziert werden, es bedarf einer Frauensenatorin oder/und zusätzlich wie in Bremen einer unabhängige Stelle, die zur Durchsetzung der Gleichstellung agiert (Bremische Zentralstelle für die Verwirklichung der Gleichberechtigung der Frau)
- Alle öffentlichen Gremien müssen quotiert besetzt werden (auch der Senat)

Warum es mich wahnsinnig aufregt, dass die Gleichstellung immer noch nicht verwirklicht ist:
- Frauen haben schon seit langen den Männern bei den Schulabschlüssen den Rang abgelaufen - trotzdem arbeiten sie in gering bezahlten Berufen, weniger in Vollzeit, haben eine schlechtere Rente. Grundsätzlich halte ich es für erforderlich, dass klassische Frauenberufe besser bewertet und entsprechend besser bezahlt werden (z.B. Krankenschwester, Erzieherin, Grundschullehrerin).
- Immer noch werden unzählige Frauen misshandelt. Ihre Partner setzen zur Unterdrückung und zur Machtausübung körperliche Gewalt ein. Gegen diese Gewalt gibt es weder ausreichend präventive Maßnahmen, noch ausreichend Gelder für den Opferschutz.
- Frauen sind immer noch eher Objekt statt Subjekt: Sie werden nach ihrer Äußerlichkeit beurteilt statt nach ihren Charakter und ihren Fähigkeiten - und bestenfalls muss eine Frau, die klug und erfolgreich ist, auch noch gut aussehen. Das habe ich - in Anbetracht der vielen unscheinbaren, unterdurchschnittlich aussehen, manchmal auch ungepflegten Männer in Führungspositionen oder in der Politik - noch nie verstanden. Frauen müssen immer doppelt und dreifach so gut sein. Und dann wird ausgerechnet diesen Frauen auch noch vorgeworfen, dass sie keine Kinder und keinen Partner haben.

Die Statistik zeigt, dass es nicht viele Männer neben einer Frau aushalten, die erfolgreicher ist als er. Und schon gar nicht darf sie mehr verdienen. Durchschnittlich verdienen Frauen aber ein Viertel weniger als die Männer - das ist den meisten Männern wohl auch ganz recht.

Ich verbinde mit einem gesetzlichen Gedenk- und Feiertag am 8. März auch den Wunsch, dass Kinderbetreuung nicht mehr aufgrund der biologischen Fähigkeiten der Frau als ihre Hauptaufgabe angesehen wird. Mutterschaft soll eine Bereichung des Lebens und kein geistiges und finanzielles Korsett für eine Frau sein. Die Elterngeldregelung, die seit 1. Januar 2007 gilt, hat zwar zu einem Anstieg väterlicher Betreuung geführt, dennoch ist es von seiner Anlage her nicht geeignet, die Rollenverteilung aufzubrechen, solange Männer mehr verdienen als Frauen. Außerdem benachteiligt das Elterngeld Niedrigverdiener/-innen (zu der jede dritte erwerbstätige Frau gehört), weil es einkommensabhängig gezahlt wird.

Es gibt also noch viel zu tun in Sachen Gleichstellung. Ein gesetzlicher Gedenk- und Feiertag am 8. März wird hilfreich sein, frauenpolitische Forderungen wieder in den Vordergrund zu stellen. Deswegen ist er wichtig. Deswegen wird die Linke Hamburg in der Bürgerschaft vorschlagen, das Landesfeiertagsgesetz entsprechend zu erweitern. Wir sind dabei fair: Es soll auch ein Feiertag für die Männer werden …

Mit freundlichen Grüßen

Kersten Artus