Frage an Kerstin Griese bezüglich Gesundheit

Kerstin Griese MdB
Kerstin Griese
SPD
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Frage von Markus F. •

Frage an Kerstin Griese von Markus F. bezüglich Gesundheit

Sehr geehrte Frau Griese,

folgende Frage zum §217, Beihilfe zum Suizid:
Der Arzt Christoph Wilhelm Hufeland schrieb 1806: "Der Arzt dürfe „nichts anders thun, als Leben erhalten; ob es ein Glück oder Unglück sey, ob es Werth habe oder nicht, dies geht ihn nichts an, und maßt er sich einmal an, diese Rücksicht in sein Geschäft mit aufzunehmen, so sind die Folgen unabsehbar, und der Arzt wird der gefährlichste Mensch im Staate; denn ist einmal die Linie überschritten, glaubt sich der Arzt einmal berechtigt, über die Nothwendigkeit eines Lebens zu entscheiden, so braucht es nur stufenweise Progressionen, um den Unwerth, und folglich die Unnöthigkeit eines Menschenlebens auch auf andere Fälle anzuwenden“. (zitiert nach http://www.aerzteblatt.de/archiv/65995/Aktive-Sterbehilfe-um-1800-Seine-unbeschreiblichen-Leiden-gemildert-und-sein-Ende-befoerdert )

Wie soll der von Ihnen mitverantwortete Gesetzentwurf sicherstellen, dass nicht die von Hufeland prophezeiten Folgen der "Linienüberschreitung" bei einer wie auch immer gearteten Freigabe der Assistenz bei Selbstmord eintreten werden? Zumal exakt diese Folgen in den Beneluxländern zu sehen sind?

Wie kann weiter die Freigabe mit "Selbstbestimmung" (des Todes) gerechtfertigt werden, wo doch, wie Hufeland korrekt beschreibt, die eigentliche Entscheidung nicht beim Selbstmordwilligen, sondern beim Assistent (z.B. Arzt) liegt, der entscheidet, ob er dem Selbstmordwunsch entspricht oder nicht? Es masst sich also auf jeden Fall ein anderer an, über Glück oder Unglück, über den "Unwerth" eines anderen Lebens zu urteilen? Ist dies nicht das genaue Gegenteil von Selbstbestimmung (und dies bei der Frage über Leben oder Tod)?

Kerstin Griese MdB
Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Fahrer,

zusammen mit Kolleginnen und Kollegen aus allen Fraktionen habe ich einen Gesetzentwurf zur Strafbarkeit der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung erarbeitet. Wir wollen keine Ausweitung des assistierten Suizids. Gleichzeitig sichert unser Gruppenantrag, dass die bestehenden ärztlichen Behandlungsmöglichkeiten erhalten bleiben und es keinen regelhaften assistierten Suizid durch Ärztinnen und Ärzte gibt.

Uns geht es um das Verbot sog. Sterbehilfevereine und Einzelpersonen, die wiederholt und als Geschäft z.T. gegen Geldleistungen Sterbehilfe betreiben und dafür werben. Ein alleiniges Verbot kommerzieller (gewerbsmäßiger) Suizidbeihilfe würde nicht ausreichen, um sog. Sterbehilfevereine zu verbieten.

Mir ist wichtig, dass der ärztliche Freiraum, den es heute gibt, erhalten bleibt, und dass Ärztinnen und Ärzte in schwierigen ethischen Situationen individuell helfen und entscheiden können. Unser Gesetzentwurf schafft kein Sonderrecht für ÄrztInnen, sie werden weder kriminalisiert, noch sollen sie besondere Rechte erhalten. Ich möchte nicht wie andere Abgeordnete einen „gesetzlichen Anspruch“ auf Suizid schaffen, weder für schwerkranke Menschen noch für Menschen mit Todeswunsch. Ich sehe die Gefahr, dass der Druck auf alte, kranke und lebensmüde Menschen wachsen würde, wenn „assistierter Suizid“ durch Ärzte als regelhaftes Angebot eingeführt würde.

Aus meiner Sicht ist es wichtig, dass wir eine breite gesellschaftliche Debatte über das Leben und Sterben in Würde anstoßen, und dass die Menschen sich mit dem Thema Sterben und Tod auseinandersetzen und bestenfalls eine Patientenverfügung verfassen und eine Vorsorgevollmacht erteilen, damit klar ist, welche Maßnahmen sie am Lebensende wollen und welche nicht.

Zum Thema „Assistierter Suizid“ liegen dem Parlament vier Gruppenanträge vor, die Abgeordnetengruppen eingebracht haben. Die Befassung im Bundestag hat mit einer Orientierungsdebatte zum Thema Sterbebegleitung im letzten Jahr am 13.11.2014 begonnen und am 2.7.2015 hat die Erste Lesung und am 23. September die Anhörung stattgefunden. Anfang November wird der Bundestag hierüber abstimmen. Es ist gut, dass sich die Abgeordneten des Deutschen Bundestages für dieses komplexe ethische Thema Zeit nehmen und dieses als Gewissensentscheidung behandeln. Jede und jeder Abgeordnete ist bei dieser Entscheidung nur seinem Gewissen unterworfen, es gibt keine Abstimmung nach Fraktionen.

Mit freundlichen Grüßen

Kerstin Griese

Kerstin Griese MdB
Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Fahrer,

wir sind hier unterschiedlicher Meinung. Der Gesetzentwurf der Kollegen Sensburg und Dörflinger stellt Suizidbeihilfe generell unter Strafe, das ist mir zu weitgehend. Ich möchte dabei bleiben, dass wie bisher weder Suizid noch damit auch die Beihilfe automatisch strafbar sind, sondern beschränke meine Gesetzentwurf auf die geschäftsmäßige Beihilfe zum Suizid wie sie zum Beispiel durch Sterbehilfevereine angeboten wird. Das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient und die Entscheidungsmöglichkeiten in gemeinsamem Einverständnis müssen meines Erachtens erhalten bleiben.

Mit freundlichen Grüßen

Kerstin Griese

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