Frage an Kerstin Tack bezüglich Recht

Kerstin Tack
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SPD
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Frage von Henning D. •

Frage an Kerstin Tack von Henning D. bezüglich Recht

Sehr geehrte Frau TAck,
ich habe Fragen zur Haftung von größeren atomaren Ereignisse in Deutschland und in Europa.
1.) Wie ist die Haftung in Deutschland bei einem atomaren GAU bzw. Super-GAU geregelt?
2.) Viele europäischen Nachbarländer haben AKWs in Betrieb- Deutschland ist umzingelt von AKWs.
Da eine atomare Verseuchung nicht vor Ländergrenzen halt macht, ist die Frage, wie ist die Haftung international geregelt? Kommt z.B. Frankreich oder Tschechien für Schäden auf, bis zu welcher Höhe?
3.) Egal ob national oder international, die Schäden eines Unfalls sind doch so groß, zahlt am Ende nicht die Gesellschaft bzw. der Steuerzahler?
4.) Zum Rückbau von AKWs. Wie lange dauert es ein AKW sicher zurüchzubauen, welche Firmen machen das? Wer bezahlt soche Rückbauten? Werden diese Kosten auch auf den Steuerzahler umgeschichtet?
5.) Warum sind diese wahren Kosten der Atomkraft (Haftungsrisken, Rückstellungen für Rücbau) nicht eingepreist?

Freue mich auf Ihre Antworten,
Henning Dick

Kerstin Tack
Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Dick,

vielen Dank für Ihre Nachricht und Ihr Interesse an der Atomproblematik.
Erst in dieser Woche haben wir zum wiederholten Mal innerhalb der SPD-Bundestagsfraktion über die von Ihnen angesprochenen Thematiken und Probleme diskutiert. In diesem Rahmen hatten wir auch einige Experten zu Besuch, die uns über die derzeitige Haftungssituation ausführlich berichtet haben.

Nun zur Beantwortung Ihrer Fragen:
1.Prinzipiell gilt in Deutschland eine unbegrenzte Betreiberhaftung. D.h.,sollte die Summe, mit dem ein AKW versichert ist, im Falle eines Unfalls nicht ausreichen, muss der Betreiber den Rest des Schadens zahlen. Zieht man in Betracht, dass die Deckungssumme deutscher AKWs im Schadensfall gerade einmal 2,5 Mrd.€ beträgt, so wird sehr schnell klar, dass diese kaum ausreichen würde, die tatsächlich verursachten Kosten zu decken. Es ist allerdings ebenfalls unwahrscheinlich, dass der Betreiber nach einem GAU überhaupt zahlungsfähig wäre, insbesondere vor dem Hintergrund der sehr hohen Schadenssumme sowie der dann drohenden Insolvenzgefahr für das Unternehmen.

2.Generell gilt auch in anderen Ländern, die das Pariser Übereinkommen über die Haftung gegenüber Dritten oder das Wiener Übereinkommen über die zivilrechtliche Haftung für nukleare Schäden mitunterzeichnet haben, dass die Betreiber der AKWs für alle verursachten Schäden aufkommen müssen, sollte die Versicherungssumme diese nicht abdecken. Hat ein Staat keines dieser beiden Übereinkommen unterschrieben, so wird das allgemein außervertragliche Deliktsrecht angewendet, das nach den Regeln des internationalen Privatrechts bestimmt wird. Im Klartext heißt dies, dass am Ende wohl auch die anderen Staaten zahlen und die Bundesrepublik sich im Zweifelsfalle die Frage stellen müsste, ob sie bereit wäre, einzelne Länder bei einer Katastrophe auf Schadensersatz zu verklagen.

3.Wie bereits in Antwort 1 erläutert, wären die Schäden eines GAUs in der Tat so hoch, dass der Betreiber sie wohl nicht decken könnte. D.h., letzten Endes müsste wohl ein staatlicher Rettungsfonds herhalten, um die Schäden auszugleichen und das wiederum bedeutet, die Kosten würden dem Steuerzahler auferlegt.

4.Der Rückbau eines AKWs kann bis zu 20 Jahre dauern, die Brennelemente können daraufhin allerdings noch weitere 40 Jahre auf dem Kraftwerksgelände zwischengelagert werden. Zuständig für den Rückbau sind die Kraftwerksbetreiber, die auch die Kosten tragen. Um die 400 bis 500 Mio.€ sind dafür zu veranschlagen, eine Summe, die die Betreiber laut Gesetz selbst während der Laufzeiten zurücklegen müssen. Die Kosten dieser Rückstellungen spiegeln sich jedoch im Strompreis wieder, d.h. letztlich zahlt auch hier der Verbraucher und Steuerzahler.

5.Wären AKWs für den vollen Schadensumfang versichert, so müssten die Betreiber die zusätzlich für eine solche Versicherung anfallenden Kosten natürlich irgendwie ausgleichen. Letztlich hieße das, ansteigende Strompreise mit Mehrkosten von 2,70€/kWh und somit eine Weitergabe der Kosten an den Verbraucher. Dies wäre wirtschaftlich kaum verkraftbar für die Betreiber von AKWs und würde Atomkraftwerke sowie Atomstrom schlicht unrentabel machen.

Zusätzlich möchte ich Sie noch auf einen Beitrag der Sendung „Panorama“ vom 31.03.2011 aufmerksam machen, der sich ebenfalls mit genau jenem Thema beschäftigt hat. Sie können diesen in der ARD Mediathek finden unter http://www.ardmediathek.de/ard/servlet/content/3517136?documentId=6848564 .

Mit freundlichen Grüßen
Kerstin Tack, MdB