Wie wollen Sie angemessene und faire Löhne für Pflegeberufe und Bezahlbarkeit von Pflegeheimen - auch für Sozialhilfeempfänger*Innen in Einklang bringen? Welche Vorbilder im Ausland gibt es?

Kerstin Tack
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Frage von Hildegard J. •

Wie wollen Sie angemessene und faire Löhne für Pflegeberufe und Bezahlbarkeit von Pflegeheimen - auch für Sozialhilfeempfänger*Innen in Einklang bringen? Welche Vorbilder im Ausland gibt es?

Sehr geehrte Frau Tack!

Erst gestern unterhielt ich mich mit einer ehemaligen Krankenschwester, die später studiert hatte, zum Thema höhere Löhne im Pflegeberuf auf der einen Seite und die dann aber auch stark ansteigenden Kosten für die Bewohner*Innnen in den Pflegeheimen - vorallem auch für die Kommunen, wenn die Bewohner völlig mittellos sind? Besteht in dem deutschen System da nicht die Gefahr, dass die sozial benachteiligten Menschen nur noch mit einer extrem rudimentären Pflege versorgt werden? Eine gute und menschliche Pflege muss es für alle geben können. Welche Vorbilder gibt es? Warum können sie nicht in Deutschland eingeführt werden? Denn ohne faire Löhne wird es eine gute Pflege ja aber auch nicht mehr geben können - weil keine(r) diesen Beruf mehr erlernen und ausüben will! Warum wechseln denn so viele ihren Beruf? Hier wird doch die Pflegekosten-Lohn-Debatte auf den Rücken der Bewohner ausgetragen!
Warum nicht endlich das Pflegesystem ändern?

M f Grüßen, H. J.

Kerstin Tack
Antwort von
SPD

Sehr geehrte Frau J.,

vielen Dank für Ihre Frage auf Abgeordnetenwatch.de, die ich gerne beantworte.

Sie sprechen ein Thema an, dass uns in der Großen Koalition in vielfacher Weise sehr beschäftigt hat. Die SPD hat in ihrem Regierungsprogramm 2017 die Einführung einer Pflege-Bürgerversicherung gefordert. Durch diese breit aufgestellte Finanzierung sollte eine gute pflegerische und medizinische Versorgung unabhängig vom Einkommen sichergestellt werden. Konkret stand hierzu Folgendes in unserem Programm:

„Und wir sorgen dafür, dass sich Bürgerinnen und Bürger darauf verlassen können, unabhängig von Einkommen und Wohnort die beste medizinische und pflegerische Versorgung zu bekommen. Dafür schaffen wir eine Bürgerversicherung, in die alle einzahlen und durch die alle die notwendigen medizinischen Leistungen bekommen.“

Dies umzusetzen war mit CDU/CSU zwar nicht möglich, aber trotzdem haben wir viel erreicht. Über die akuten Maßnahmen mit Blick auf die Corona-Pandemie hinaus haben wir durch die Abschaffung des Schulgeldes finanzielle Ausbildungshürden in Sozial- und Pflegeberufen abgebaut. Das war ein wichtiger Schritt, um noch mehr junge Menschen für die Pflegeberufe zu gewinnen und ergänzt die bereits in der letzten Legislaturperiode beschlossene und seit dem 1. Januar 2020 umgesetzte Reform der Pflegeausbildung (Pflegeberufereformgesetz).

Ziel dieser Reformen ist, dass wir in Deutschland absehbar mehr Pflegekraftkräfte haben. Diese werden dringend gebraucht. Zum einen weil der Bedarf gegeben ist aber auch um beispielsweise unsere in der letzten Legislaturperiode mit einem Sofortprogramm geschaffen und finanzierten 13.000 neue Stellen in stationären Einrichtungen der Altenpflege zu besetzen. Das wird die Personalsituation in den Heimen spürbar verbessern. Die dafür notwendigen 640 Millionen Euro werden von der gesetzlichen Krankenversicherung bereitgestellt, sodass es nicht zu finanziellen Mehrbelastungen für die Pflegebedürftigen kommt. Ergänzend dazu haben wir mit dem Gesundheitsversorgungs- und Pflegeverbesserungsgesetz eine Regelung auf den Weg gebracht, mit der 20.000 zusätzliche Stellen für Pflegehilfs­kräfte in vollstationären Pflegeeinrichtungen über einen Vergütungszuschlag von der Pflegeversicherung finanziert werden.

Um mehr Fachkräfte zu gewinnen braucht es neben einer reformierten Ausbildung und zusätzlichen refinanzierten Stellen auch eine Steigerung der Attraktivität der Pflegeberufe. Abgesehen von einer Verbesserung der Arbeitsbedingungen ist die Entlohnung hierfür ein wichtiger Faktor – gerade, wenn es darum geht, dass sich junge Menschen für diesen Berufsweg entscheiden. Mit dem Pflegelöhneverbesserungsgesetz haben wir in dieser Legislaturperiode die Grundlage für bessere Löhne und Arbeitsbedingungen geschaffen. Die Gewerkschaft ver.di und die Ar­beitgeberinnen und -geber in der Pflegebranche (BVAP) haben diese Möglichkeit genutzt und sich 2020 auf die Grundlagen für einen Tarifvertrag in der Altenpflege geeinigt. Er sollte am 1. Juli 2021 in Kraft treten. Leider ist es aufgrund des Vetos aus den Reihen der kirchlichen Träger nicht gelungen, den Tarifvertrag für die gesamte Branche für allgemeinverbindlich zu erklären.

Um dennoch in der gesamten Pflege Tariflöhne durchzusetzen, haben wir geregelt, dass Pflegeeinrichtungen ab dem 1. September 2022 nur dann zuge­lassen werden, wenn sie Löhne mindestens in Höhe eines Pflegetarifvertrages bezahlen. Dazu erweitern wir die bisherige Regelung, dass die Pflegeversicherung tarifvertragliche Löhne refinanzieren – also bezahlen – muss. Und auch in der ambulanten Pflege werden Erhöhungen von Tariflöhnen künftig vollständig von den Krankenkassen bezahlt.

Mit diesen Maßnahmen setzen wir gute Löhne durch, verbessern die Arbeitsbedingungen in der Pflege und geben den Pflegerinnen und Pfleger die Anerkennung, die sie verdient haben.

Die steigenden Löhne führten, wie Sie zu Recht kritisch anmerken, im bisherigen Pflegesystem jedoch häufig zu steigenden Eigenanteilen für die Pflegebedürftigen. Auch hier konnten wir am Ende der Legislaturperiode eine Verbesserung beschließen. Künftig erhalten Pflegebedürftige einen Zuschlag aus der Pflegeversiche­rung zu den Eigenanteilen, die sie an den Kosten stationärer Pflege zu tragen ha­ben. Die Zuschläge fallen umso höher aus, je länger die stationäre Pflege andau­ert: Vorgesehen sind Zuschläge in einer Höhe von fünf Prozent im ersten Jahr, 25 Prozent im zweiten Jahr, 45 Prozent im dritten Jahr und nach drei Jahren in Höhe von 70 Prozent. Damit entlasten wir Menschen, die stationär gepflegt werden, und verhindern eine finanzielle Überforderung vieler Pflegebedürftiger.

Was wir im  Falle einer erneuten Regierungsbeteiligung umsetzen möchten, können Sie dem SPD-Zukunftsprogramm entnehmen. Die aus meiner Sicht wichtigsten Passagen füge ich Ihnen hier ein:

„Der Staat muss deshalb sicherstellen, dass die Leistungen der Gesundheitsversorgung den Bedürfnissen derer entsprechen, die sie benötigen. Gute Arbeitsbedingungen und vernünftige Löhne in der Pflege sind dafür eine wichtige Grundlage.“

„In der Pflege wird enorme und gesellschaftlich wertvolle Arbeit geleistet. Wir wollen die Lohn- und Arbeitsbedingungen in der Altenpflege und Pflege von Menschen mit Behinderung schnell verbessern. Unsere Ziele sind allgemeinverbindliche Branchentarifverträge. Wie werden über die Pflegemindestlohnkommission eine weitere Erhöhung der Mindestlöhne verfolgen. Gemeinsam mit den Kirchen wollen wir einen Weg erarbeiten, ihr Arbeitsrecht dem allgemeinen Arbeits- und Tarifrecht sowie der Betriebsverfassung anzugleichen. Wir haben dafür gesorgt, dass Pflegeanbieter, die nach Tarif zahlen, diese auch von der Pflegeversicherung refinanziert bekommen. Nun werden wir im Umkehrschluss die Refinanzierung der Pflegeleistungen an die Geltung von Tarifverträgen binden.“

„Wir wollen eine Vollversicherung als Bürgerversicherung, die alle pflegerischen Bedarfe und Leistungen abdeckt. Ein erster Schritt dorthin ist für uns, für Pflegebedürftige mit kleinen und mittleren Einkommen den Eigenanteil zu deckeln, damit Pflege für sie bezahlbar bleibt. Zukünftige Kostensteigerungen werden solidarisch über einen Mix aus moderat steigenden Pflegeversicherungsbeiträgen und einem dynamischen Bundeszuschuss finanziert.“

Es würde mich freuen wenn durch meine Antwort der große Stellenwert deutlich geworden ist, den das Thema Pflege innerhalb meiner Partei sowie meiner Fraktion hat. Und sollten Sie mit mir die Einschätzung teilen, dass es weiterer Anstrengungen bedarf, würde ich mich sehr freuen, wenn Sie der SPD bei der Bundestagswahl Ihre Stimmen geben.

Mit freundlichen Grüßen

Kerstin Tack