Frage an Klaus Hagemann bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

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Klaus Hagemann
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Frage von Jan-Peter H. •

Frage an Klaus Hagemann von Jan-Peter H. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Hagemann

Als Bücher bin ich über das Ausmaß der Internet-Überwachung im Rahmen des Programms Tempora zutiefst erschreckt. Meiner Meinung nach brauchen wir dringend auf europäischer eine verfassungsrechtliche Klärung, wo die Grenzen der geheimdienstlichen Überwachung sind. Eine Klage vor dem europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ist für mich ein sinnvoller Schritt dies zu erreichen

Die lebhafte Diskussion auf SpiegelOnline und anderen Medien zur Ablehnung einer diesbezüglichen ePetition, zeigt dass viele Bürger ein großes Interesse an dieser Thematik haben.

Da Sie Mitglied des Petitionsausschusses sind, bitte ich Sie mir darzulegen, wie sie zur Ablehnung der diesbezüglichen Petition stehen und was die Gründe ihrer Haltung sieht.

Mit freundlichen Grüßen eines besorgten Bürgers
Jan-Peter Homann

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Homann,

Prism und Tempora sind ein Angriff auf die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger und ein Angriff auf die Presse- und Medienfreiheit. Die Bundesregierung versuchte zunächst wochenlang, den Ausspähskandal kleinzureden und auszusitzen, nun sieht sie ihn als erledigt. Die SPD-Bundestagsfraktion sieht im Gegensatz zur schwarz-gelben Regierung den Überwachungsskandal nicht als erledigt an. Deshalb haben die Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten diese Woche einen Antrag in den Bundestag eingebracht, in dem sie die Bundesregierung auffordern, endlich ihrer Pflicht nachzukommen und die Vorwürfe zu den britischen und US-amerikanischen Ausspähprogrammen Prism und Tempora aufzuklären. Des Weiteren soll sie die Überwachung durch EU-Mitgliedstaaten sowie Partnerländern wie den USA unterbinden. Doch die schwarz-gelbe Koalition wollte keine Diskussion über die Ausspähaffäre und stimmte gegen die Anträge von der SPD und den anderen Oppositionsfraktionen, die eine Parlamentsdebatte forderten.

Auch im Petitionsausschuss, der in dieser Woche tagte, lehnten die Fraktionen der CDU/CSU und der FDP eine Veröffentlichung der von Ihnen angesprochenen Petition ab. Die SPD-Bundestagsfraktion hat selbstverständlich _für_ die Veröffentlichung gestimmt. Es ist die schwarz-gelbe Koalition, die am Ende ihrer Tage die Debatte verhindert.

Zur Klarstellung: Die Petition ist damit nicht abgelehnt, sondern nicht im Internet veröffentlicht worden. Sie wird selbstverständlich parlamentarisch geprüft.

Wie Sie wissen, lebt das Petitionsrecht beim Deutschen Bundestag ausschließlich von Innovationen aus der Zeit, in der die SPD und die Grünen die Mehrheit im Bundestag hatten. Es waren die SPD und die Grünen, die Online-Petitionen, Diskussionsforen und öffentliche Beratungen des Petitionsausschusses gegen große Widerstände der CDU/CSU möglich gemacht haben. Seit Jahren passiert im Petitionswesen nichts Neues. Auch die zu Ende gehende 17. Legislaturperiode ist leider eine Null-Runde für das Petitionsrecht, weil die Koalition der CDU/CSU und FDP Reformvorschläge der Opposition zu Verbesserung des Petitionsrechts nicht nur blockierte, sondern auch keine eigenen Vorhaben präsentierte, obwohl sie diese im Koalitionsvertrag versprochen haben. Leidtragende sind Petentinnen und Petenten.

Dabei sind Petitionen ein zutiefst demokratisches Recht. Artikel 17 des Grundgesetzes garantiert jedem und jeder eine Prüfung des Anliegens durch das Parlament und die Regierungen. Über welche Themen der Petitionsausschuss berät, bestimmen die Menschen, die sich an den Petitionsausschuss wenden. Petitionen gewährleisten nicht einzig und allein Hilfe in Einzelfällen. Sie sind nicht nur ein Kontrollinstrument der Verwaltung. Sie sind auch dazu da, um politische Fragen zu diskutieren. Sie bieten die Chance, neue Themen zu setzen. Sie ermöglichen politische Initiativen und die Übermittlung politischer Vorschläge direkt an das Parlament. Es ist zum Beispiel einer öffentlichen Petition zu verdanken, dass die massive Belastung von Hebammen und von anderen ärztlichen und nichtärztlichen Berufen durch stetig steigende Berufshaftpflichtprämien Platz auf der Tagesordnung des Bundestages gefunden hat und dass hier nach einer Lösung gesucht wird.

Petitionen sind Elemente eines politischen „Frühwarnsystems“, das Defizite verdeutlicht. Sie machen aufmerksam, in welche Richtung sich die politischen Wünsche und Hoffnungen der Bevölkerung entwickeln. Bis heute sind Petitionen die einzige Form direkter Demokratie auf der Bundesebene. Petitionen können und sollen aber weder Volksentscheide noch Volksinitiativen ersetzen.

Ein klug genutztes Petitionsrecht ist ein Schrittmacher für mehr Bürgernähe und Demokratie. Es ist eine scharfe Waffe gegen die Politikverdrossenheit. Mitglieder des Bundestages sind daher gut beraten, wenn sie Petitionen und ihre Breitenwirkung aufmerksam verfolgen, nutzen und gebührend berücksichtigen.

Die SPD-Bundestagsfraktion fordert deswegen:

-mehr Transparenz im Verfahren

-mehr öffentliche Petitionen und mehr Diskussionen auf der Internetseite des Petitionsausschusses des Bundestages

-mehr öffentliche Beratungen - vier oder fünf öffentliche Beratungen, wie sie zurzeit realisiert werden, sind zu wenig

-längere Fristen für die Mitzeichnung - vier Wochen sind zu kurz

-niedrigeres Quorum - nur wenige Petitionen erreichen das Quorum, das Erfordernis von 50.000 Mitzeichnungen ist zu hoch.

Es wird die Aufgabe des nächsten Bundestages sein, dies umzusetzen.

Klaus Hagemann MdB