Frage an Konstantin von Notz bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

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Konstantin von Notz
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Peter S. •

Frage an Konstantin von Notz von Peter S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Dr. von Notz,

am 13. Mai wurden bei der Gedenkfeier der Charite Berlin und der Gedenkstätte Plötzensee die Überreste von Hingerichteten, deren Leichen an der Charité zu Versuchen genutzt wurden, beigesetzt. Es handelt sich vor allem um junge Frauen aus dem Widerstand. https://twitter.com/tobias_schulze/status/1127922152013991936
Missliebigen Menschen wurde durch das Regime die letzte Würde genommen.

Ist von Ihrer Partei Die Grünen eine Gedenkveranstaltung für die Opfer angedacht bzw. würden Sie persönlich vergleichbares unterstützen?

Eine öffentliche Kampagne zusammen mit der Berliner Charite als Partner würde die Bevölkerung für diese "humanitäre Katastrophe" sensibilisieren und diese abscheulichen Handlungen in das Bewußtsein der Bevölkerung rücken. Sind Sie hierzu bereit?
Werden Sie sich für ein generelles Verbot von Experimenten mit menschlichen Körperteilen, politisch und privat, engagieren?

Mit freundlichen Grüßen
P. S.

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Spee,

haben Sie besten Dank für Ihre Mail und Ihr Interesse an meiner Arbeit. Über beides habe ich mich sehr gefreut. Auch wenn die Verkehrspolitik nicht mein originärer Themenbereich ist, beantworte ich Ihre Fragen gerne nach Rücksprache mit meinen fachlich zuständigen Kolleginnen und Kollegen.

Ihre Fragen berühren eine Reihe verschiedener Punkte, auf die ich im Folgenden gerne eingehen will. Bezüglich des von Ihnen erwähnten Eckpunkte-Papiers von Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer hat die grüne Bundestagsfraktion ebenfalls verschiedene Punkte kritisiert.

Das Eckpunktepapier zum Personenbeförderungsgesetz ist insgesamt eine Enttäuschung. Es novelliert nicht die Beförderung von Personen, sondern die Gewinnspanne von Uber und Co. Und es liefert keine Antworten auf die drei größten Herausforderungen des öffentlichen Verkehrs: Die weiter wachsenden Pendlerströme, überfüllte Busse und Bahnen und eine unklare Rechtslage für neue Mobilitätsdienste. Zudem ist es einseitig und hat keine ökologische Lenkungswirkung. Es besteht die Gefahr, dass am Ende faktisch mehr Fahrzeuge, ob nun Pkw oder Kleinbusse, auf den Straßen fahren und der Verkehrskollaps damit gar befördert wird. Wer aber die Verkehrswende voranbringen will, muss Kapazitäten in Bus und Bahn ausbauen und flexibel einsetzen. Car- und Ridesharing-Anbieter müssen sinnvoll in ein Gesamtkonzept einbezogen werden.

Ich bitte Sie zu berücksichtigen, dass es sich um die Vorschläge eines CSU-Ministers handelt, wir als grüne Bundestagsfraktion in der Opposition sind. Wir überlassen es demnach auch nicht den Autokonzernen, den Diesel-Skandal aufzuklären und die entsprechenden Konsequenzen zu ziehen. Im Gegenteil: Als Grüne Bundestagsfraktion haben wir immer wieder sehr konkrete Vorschläge unterbreitet. Eine Übersicht über unsere politischen Forderungen und parlamentarische Initiativen finden Sie hier: https://www.gruene-bundestag.de/abgasskandal.html.

Bezüglich ihrer weiteren Fragen zum Personenbeförderungsgesetz und dessen Auswirkungen auf das Taxigewerbe möchte ich Sie an dieser Stelle darauf verweisen, dass wir auch diesen Prozess sehr intensiv verfolgt und eigene Vorschläge als Alternative zum Vorschlag der Bundesregierung in den Deutschen Bundestag eingebracht haben.

Für uns ist das Taxi elementarer Bestandteil des öffentlichen Verkehrs. Damit sind an den Taxiverkehr grundsätzlich die Anforderungen der Betriebs-, Beförderungs- und Tarifpflicht anzulegen. Die Besonderheiten des Taximarkts machen weiterhin eine Preisregulierung erforderlich, so dass wir eine vollständige Abschaffung der Tarifpflicht abgelehnt haben.

Bei der Betriebspflicht zeigen sich allerdings im bestehenden Ordnungsrahmen erhebliche Defizite. Den an sieben Tagen der Woche bestehenden „Rund-um-die Uhr-Service“ des Taxiverkehrs in Großstädten und Ballungsräumen sucht der Fahrgast im ländlichen Raum vergebens. Im Gegenteil: Durch den demografischen Wandel, der in einigen Regionen schon heute mit schrumpfenden Einwohnerzahlen seine Spuren hinterlässt, wird der klassische Taxiverkehr wirtschaftlich immer stärker in Bedrängnis geraten. Das Taxigeschäft ist hier schlichtweg nicht mehr auskömmlich und daher weiter auf dem Rückzug. Die Abwärtsspirale von Angebotsreduktion, Nachfrageschwund, Margendruck und abermaliger Angebotsreduktion muss durchbrochen werden. Daher sind hier aus unserer Sicht neue Lösungsansätze gefragt.

Wir haben in einer Studie zum Reformbedarf beim Personenbeförderungsgesetz gerade auch neue Modelle für den Taxiverkehr im ländlichen Raum in den Blick genommen. Wenn der Taxiverkehr in ländlichen Regionen wieder ein wichtiger Bestandteil der Alltagsmobilität werden soll, dann müssen Lösungen gesucht werden, wie die Betriebspflicht auf andere Weise abgesichert werden kann. Eine Möglichkeit wäre die Ausschreibung „erweiterter Betriebspflichten“. Im Rahmen einer Ausschreibung – also eines öffentlichen Dienstleistungsauftrags – könnte der Pflichtfahrbereich, der tägliche Einsatzzeitraum, die Zahl der verfügbaren Fahrzeuge sowie spezielle Fahrzeuganforderungen geregelt werden. Dies setzt politisch die Bereitschaft voraus, öffentliche Mittel für das Taxi als Bestandteil der Daseinsvorsorge einzusetzen, um so ungedeckte Betriebskosten abzudecken.

Die klare Regelung von Sammelfahrten mit dem Taxi sollten unserer Auffassung nach im Personenbeförderungsgesetz zukunftsfest geregelt werden. Dies macht schon allein aus ökologischen Gründen Sinn. Wo Fahrten gebündelt werden können, wird am Ende nicht nur Geld sondern auch Energie gespart, werden Emissionen vermieden und der städtische Verkehr sowie die Umwelt entlastet. Sobald die Testläufe wie beispielsweise in Hamburg beendet sind, sollten wir die Ergebnisse gründlich auswerten und die Erfahrungen in eine entsprechende gesetzliche Regelung einfließen lassen, die Sammelfahrten mit dem Taxi aus der Grauzone holen.

Wir wollen, dass es im Taxigewerbe auch künftig auskömmliche Beschäftigungsverhältnisse gibt. Einem weiteren Abwärtstrend bei Sozialstandards oder gar Sozialdumping werden wir nicht den Weg bereiten. Das Beispiel des Hamburger Taximarkts zeigt, was dafür notwendig ist. Die Limitierung der Taxikonzessionen wurde abgeschafft und im Gegenzug dafür gesorgt, dass im Gewerbe die Spielregeln eingehalten werden. Mit verstärkten Kontrollen der Arbeits- und Sozialbedingungen aber auch technischer Standards wird gegen „schwarze Schafe“ vorgegangen.

Bisher ist unklar, welche Potentiale Rideselling bietet und welche Folge damit in Bezug auf Mobilitätsverhalten, den Modal Split sowie andere öffentliche Interessen verbunden sind. Der Rechtsrahmen sollte also zunächst Experimente zulassen. Für uns als grüne Bundestagsfraktion ist klar: Eine dauerhafte Zulassung neuer Angebote darf aber nur erfolgen, wenn negative Auswirkungen auf das öffentliche Verkehrsinteresse (z. B. Verkehrssicherheit, Flächenbedarf des ruhenden Verkehrs oder Klima- und Umweltverträglichkeit) ausgeschlossen werden, bzw. diese durch Auflagen vermieden werden können.

Mit besten Grüßen nach Hamburg!
Konstantin von Notz

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