Frage an Lale Akgün bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

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Lale Akgün
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Frage von Herbert L. •

Frage an Lale Akgün von Herbert L. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Drei Jahre nachdem ich Ihnen meine Erststimme gegeben hatte, bin ich von Ihrer politischen "Performance" sehr enttäuscht, weil ich das genuin "politische" vermisse. Ich will meine Zweifel an Ihrer Arbeit an einigen fachlichen Fragestellungen, vor deren Beantwortung Sie sich offenbar wegducken, deutlich machen: Dem Münsteraner Islamwissenschaftler Kalisch wird gerade auf Druck der muslimischen Verbände vom Wissenschaftsminister unseres Landes die Befugnis entzogen, Religionslehrer auszubilden, weil er - unter Anwendung kritischer und historisierender wissenschaftlicher Methoden - Zweifel an zentralen Glaubensinhalten formuliert. Warum protestieren Sie nicht gegen diesen skandalösen Eingriff in die Wissenschaftsfreiheit, wie es hunderte von Intellektuellen bereits in einem offenen Brief getan haben? Daran anschließend: Warum treten Sie nicht mutig dafür ein, den Bekenntnis-Religionsunterricht (auch der christlichen Kirchen!) aus staatlichen Schulen zu verbannen und seine Finanzierung durch die Allgemeinheit zu stoppen ? Ist der Ethik-Unterricht, wie er vom Berliner Senat gegen den erbitterten Widerstand von christlichen Kirchen und muslimischen Verbänden durchgesetzt wird, für Sie ein Vorbild für Nordrhein-Westfalen? Wenn ja, welche Schritte haben Sie bisher in dieser Richtung unternommen? Obwohl Sie die islampolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion sind, habe ich keinerlei Text, Thesenpapier, Artikel oder dergleichen im Internet gefunden, in dem Sie ihre grundsätzlichen politischen Haltungen zu diesen zentralen Fragen einmal offenbaren würden. Können Sie einen entsprechende Fundstelle (Link) nennen? Kurz und gut: Ich vermisse bei Ihnen politische Ernsthaftigkeit und Kohärenz. Ich empfinde sowohl ihr Auftreten in Köln als auch in Berlin als eher unpolitisch und tendenziell seicht. Das betrübt mich sehr, denn ich hatte mit Ihrer Wahlkampfzeitung intellektuelle Erwartungen an Sie verbunden.

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Lützenkirchen,

haben Sie vielen Dank für Ihre Nachricht bezüglich der Vorgänge am Centrum für Religiöse Studien der Universität Münster und der Frage nach der Legitimität von Religionsunterricht an deutschen Schulen.

Zum ersten Aspekt: Ich beschäftige mich intensiv mit der Debatte um Professor Muhammad Sven Kalisch. Ich halte genau wie Sie die Kritik einiger muslimischer Verbände und den Druck, welchen auszuüben, für unangebracht.

Genau wie Sie bin ich der Meinung, dass wir eine freie und kritische Forschung in allen Wissenschaftsgebieten, also auch in der islamischen Theologie brauchen. Dies ist gerade im Hinblick auf die wissenschaftliche Fundierung des Islamunterrichts an deutschen Schulen von großer Bedeutung.

Zur Notwendigkeit einer liberalen islamischen Theologie habe ich mich bereits im letzten Jahr in einem Artikel mit dem Titel "Der grüne Daumen" geäußert. In diesem Artikel, den Sie auf meiner Internetseite finden, beschreibe ich die Bedeutung der historisch-hermeneutischen Koranexegese, wie sie von der so genannten "Ankara Schule" an der dortigen Universität betrieben. Ich denke, dass diese zum Teil als Vorbild für eine moderne islamische Theologie an deutschen Universitäten gelten kann.

Was den Religionsunterrichtes anbelangt, so trete ich für ein Nebeneinander von konfessionell gebundenem Religionsunterricht und Ethikunterricht mit freier Wahlmöglichkeit für die Schüler bzw. die Erziehungsberechtigten ein. Wobei - wie Sie es auch erwähnen- die Bundesländer hierüber im Rahmen der Bildungshoheit zu entscheiden haben. Für sehr interessant halte ich übrigens das Hamburger Modell des interreligiösen Religionsunterrichtes.

Mit freundlichen Grüßen,

gez.

Ihre Dr. Lale Akgün