Frage an Lisa Paus bezüglich Finanzen

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Lisa Paus
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Frage von Sebastian L. •

Frage an Lisa Paus von Sebastian L. bezüglich Finanzen

Sehr geehrte Frau Paus,

2012 wird die Neuverschuldung ca. 26 Mrd. Euro betragen. Gleichzeitig müssen 38 Mrd. Euro Schulden abbezahlt werden. (Quelle : Bundesfinanzministerium) Die Bundesregierung nimmt Schulden auf um Schulden zu tilgen !? Auf der anderen Seite liest der Bürger von Milliardengewinnen der Finanzbranche. Wieso schöpft man nicht, zumindest die 26 Mrd. Euro Neuverschuldung aus der Finanzbranche ab ? Und warum erlauben die Abgeordneten überhaupt eine Neuverschuldung ?

Mit freundlichem Gruß,
Sebastian Lindemann

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Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Lindemann,

in der Tat verlässt sich die schwarz-gelbe Bundesregierung auf mehr Steuereinnahmen durch die gute Konjunktur und sinkende Zinsausgaben. Echte Konsolidierung bleibt aus. Dass die Bundesregierung Sparpotentiale bei z. B. ökologisch schädlichen Subventionen nicht abbaut, sondern sogar noch neue unnötige Klientelgeschenke vergibt, halten auch wir für falsch. Allerdings ist nicht jede Aufnahme von Schulden schlecht. Solange Investitionen - wie z. B. in Bildung sich in der Zukunft mehr als rentieren - entspricht dies auch gutem betriebswirtschaftlichem Handeln. Zu geringe Investitionen in Bildung, Kinderbetreuung und andere Arten von Infrastruktur können sogar eine Art versteckter Verschuldung für die Zukunft darstellen. Es kommt deshalb immer auch darauf an, wofür staatliches Geld ausgegeben wird.

In der Finanzbranche im besonderen gibt es aktuell ein noch vordringlicheres Ziel als deren gerechter Beitrag zum Gemeinwesen: Die geringe Eigenkapitalquote bei steigenden Risiken bedroht aktuell die Stabilität des gesamten Sektors. Bankgewinne sollte also eher durch eine höhere Bankenabgabe abgeschöpft werden, die gerade Mittel zur Restrukturierung bedrohlich instabiler Institute schaffen soll.

Für den Abbau der bestehenden Schulden haben wir Grüne tatsächlich den konkretesten Vorschlag: Mit der Vermögensabgabe möchten wir gezielt dafür die Profiteure der Vermögensentwicklung in der Zeit hin zur Krise heranziehen. 1,5 Prozent der größten Vermögen in Deutschland sollen über 10 Jahre abzugeben sein, um damit die krisenbedingten zusätzlichen Schulden in Höhe von ca. 100 Milliarden abzubauen. Viel mehr Informationen dazu fassen wir auf http://www.gruene-bundestag.de/themen/finanzen/vermoegensabgabe-einfuehren/seite-1-vermoegensabgabe-einfuehren_ID_4385451.html zusammen.

Ebenfalls setzen wir uns und ich persönlich für eine Finanztransaktionssteuer ein, die Derivate, also Wetten auf die Wertentwicklung von Aktien, Rohstoffen etc. und die größte Produktgruppe auf Finanzmärkten, sowie Devisen einschließt. Denn die vereinte Kraft der Zivilgesellschaft, der Grünen und anderer Parteien konnte die Bundesregierung und die EU-Kommission zwar auf die Finanztransaktionssteuer und diese Bedingungen öffentlich verpflichten. Aber durch Ausnahmeregeln im Interesse der Großbanken drohen die meisten Einnahmen und die Lenkungswirkung gegen Hochgeschwindigkeitshandel und übermäßige Spekulation verloren zu gehen.

Der EU-Kommissar für Steuern, Algirdas ©emeta, hat errechnet, dass EU-weit rund 1.000 Milliarden Steuereinnahmen dadurch verloren gehen, dass legale und illegale Methoden zur Steuervermeidung angewandt werden. Die Gesamtverschuldung Deutschlands liegt bei ungefähr dem doppelten dieses jährlichen Wertes. (Siehe Vermögens- und Schuldenuhr http://draketo.de/proj/schuldenuhr-vermoegensuhr/ ) Gemeinsam mit Kollegen entwickele ich aktuell einen Steuerpakt, um die vielen bisherigen grünen Vorschläge mit diesem Ziel zusammenzufassen und weiterzuentwickeln. Unser Antrag "Steuerhinterziehung wirksam bekämpfen" http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/17/017/1701765.pdf von 2010 enthält bereits viele konkrete Vorschläge, z. B. eine Bundessteuerverwaltung statt Länderbehörden, eine Genehmigungspflicht für den Vertrieb von Steuergestaltungsmodellen, die Möglichkeit Banken die Geschäftserlaubnis nach dem Gesetz über das Kreditwesen (KWG) zu entziehen, die Filialen in gegenüber deutschen Steuerbehörden nichtkooperativen Gebieten unterhalten u.v.m..

Ich würde mich freuen, wenn Sie unsere konkreten Politikalternativen zum Schutz von SteuerhinterzieherInnen durch die aktuelle schwarz-gelbe Bundesregierung bei der nächsten Bundestagswahl unterstützen würden.

Mit freundlichen Grüßen
Lisa Paus

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