Frage an Lisa Paus bezüglich Soziale Sicherung

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Lisa Paus
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Hartmut M. •

Frage an Lisa Paus von Hartmut M. bezüglich Soziale Sicherung

2015 kamen etwa 2,14 Mio. Zuwanderer, wie Sie anhand dieses Links sehen:

http://www.n-tv.de/der_tag/Zwei-Millionen-Zuwanderer-erreichten-Deutschland-article18190781.html

Unterschiedliche Menschen sind m.E. unterschiedlich von den Folgen der Zuwanderung betroffen, besonders was den Wohnungsmarkt, Arzttermine, den Niedriglohnsektor angeht. Würden Sie dem zustimmen und wie wollen Sie verhindern, dass Kranke, Hartz IV-Empfänger, ärmere Rentner noch mehr an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden?

Wie steht Ihre Partei zu Hartz IV und zum Thema Mindestrente sowie einen Rechtsanspruch auf Wohnen und auf zeitnahe Arzttermine?

Wäre es nicht das Beste eine Bürgerversicherung und das Schweizer Rentenmodell einzuführen, um die Probleme im Gesundheitsbereich und Altersarmut zu stoppen?

Ist es für Sie gerecht, wenn kranke Menschen nur Hartz IV bekommen, obwohl sie gar keine Chancen mehr auf einen regulären Job haben?

Laut einer Studie sollen weltweit bis 2055 jeder zweite Job wegfallen: http://t3n.de/news/kinsey-studie-automatisierung-803582/

Warum wird darüber m.W. kaum oder gar nicht im Wahlkampf gesprochen?

Mit freundlichen Grüßen

H. M.

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr M.,

haben Sie vielen Dank für Ihre Anfrage. Ich bin ganz Ihrer Meinung – sozialpolitisch ist in Deutschland in den vergangenen Jahren viel schief gelaufen. Und auch wenn es vielen Menschen in Deutschland gut geht, gibt es leider immer noch viel zu Viele, bei denen die Rente nicht zum Leben reicht, die sich nur mit zwei oder drei Jobs über Wasser halten können oder die aufgrund zu hoher Mieten aus ihren Wohnungen verdrängt werden.

Wir Grünen haben diese Menschen im Blick. Statt durch Nichtstun die Situation vieler Menschen in Deutschland zu verschlimmern, möchten wir mit Reformen die Probleme bei ihren Wurzeln packen und für ein gerechteres Land kämpfen.

Niedriglohnsektor und prekäre Beschäftigung

Arbeit muss gerecht bezahlt werden. Der allgemeine Mindestlohn ist ein Meilenstein dorthin. Er muss aber für alle Angestellten gelten. Außerdem muss er erhöht werden. Denn er soll ermöglichen, von der Arbeit in Würde leben zu können.
Gute Arbeit braucht aber auch gute Arbeitsbedingungen. Viele Menschen leiden unter den prekären Bedingungen zu denen sie beschäftigt sind. Das wollen wir ändern: Leiharbeiter*innen sollen vom ersten Tag an mindestens die gleiche Entlohnung erhalten wie Stammbeschäftigte – plus Flexibilitätsprämie. Von Werk- oder Dienstverträgen muss die Leiharbeit klar abgegrenzt werden. Scheinselbständigkeit wollen wir mit rechtssicheren Kriterien unterbinden. Arbeit auf Abruf soll dann nicht mehr möglich sein, wenn die Tätigkeiten mit normalen Arbeitsverhältnissen erledigt werden können, etwa über die Nutzung von Arbeitszeitkonten. Ohne sachlichen Grund sollten Jobs nicht mehr befristet werden können.

Hartz IV

Hartz IV muss Arbeitslose vor Armut schützen und das soziokulturelle Existenzminimum für alle gewährleisten. Das verlangt die Würde des Menschen. Der Regelsatz des Arbeitslosengeldes II muss so berechnet und erhöht werden, dass man menschenwürdig davon leben kann, soziale und kulturelle Teilhabe möglich ist. Die Kinderregelsätze müssen sachgerecht ermittelt werden, damit alle Kinder wirklich teilhaben können. Für die Stromkosten wollen wir eine gesonderte Pauschale einführen und die Übernahme der angemessenen Wohnkosten sicherstellen. Auch unvermeidlich nötige größere Anschaffungen, wie Waschmaschinen, müssen möglich sein.
Außerdem wollen wir die Rechte der Leistungsberechtigten stärken. Wir setzen bei Hartz IV nicht auf Sanktionen, sondern auf Motivation, Anerkennung und Beratung. Daher wollen wir die Sanktionen abschaffen. Dies gilt insbesondere für die Sonderregeln für unter 25-Jährige und für die Kosten der Unterkunft und Heizung. Gas- und Stromsperren müssen gesetzlich eingeschränkt werden. Diskriminierende Regelungen nur für Grundsicherungsbeziehende wollen wir streichen. Damit liegt der Fokus der Arbeitsvermittlung wieder darauf, Arbeitslose passgenau dabei zu unterstützen, einen neuen Job zu finden, etwa durch Weiterbildung, Sprachförderung, Sozialberatung, Eingliederungs- oder Gründungszuschüsse.

Rente

Menschen, die einen großen Teil ihres Lebens rentenversichert waren, gearbeitet, Kinder erzogen oder andere Menschen gepflegt haben, sollen auch angemessen von ihrer Rente leben können. Deswegen möchten wir mit der Garantierente ein Mindestniveau in der Rentenversicherung einführen. Die Garantierente ist steuerfinanziert und die Höhe wird oberhalb der Grundsicherung liegen. Private und betriebliche Vorsorge werden auf unsere Garantierente nicht angerechnet. Das heißt dass alles, was fürs Alter angespart wurde, bei Inanspruchnahme der Garantierente behalten werden kann. Und die private oder betriebliche Altersvorsorge kommt zusätzlich auf die Garantierente oben drauf.

Wenn Menschen aufgrund von Krankheit, eines Unfalls oder eines anderen Schickschalschlags nicht mehr arbeiten können, sollen sie nicht länger auch noch dafür bestraft werden. Deshalb wollen wir die Abschläge bei der Erwerbsminderungsrente abschaffen.
Wichtig ist es aber auch, unser Rentensystem grundsätzlich auf eine solide Basis zu stellen. Wie für Sie ist für uns Grüne das Schweizer Rentenmodell ein Vorbild. Um die gesetzliche Rente finanziell besser aufzustellen, fordern wir in unserem Wahlprogramm tatsächlich den ersten Schritt hin zu einer Bürger*innenversicherung zu gehen – einem solidarischen Rentenversicherungssystem, das alle miteinschließt und alle abdeckt. Hierfür wollen wir die nicht anderweitig abgesicherten Selbständigen, Minijobber*innen, Langzeitarbeitslose und Abgeordnete in die gesetzliche Rentenversicherung einbeziehen. In einem späteren Schritt sollen dann auch Freiberufler*innen und Beamt*innen in die gesetzliche Rentenversicherung einbezahlen. Versicherungsfremde Leistungen wollen wir aus Steuermitteln bezahlen. So stärken wir die gesetzliche Rente, indem wir dafür sorgen, dass sie solidarisch finanziert wird.

Krankenversicherung

Auch im Gesundheitssystem wollen wir so eine gerechte Bürger*innenversicherung einführen und der Zwei-Klassen-Medizin endlich ein Ende bereiten. Alle Bürger*innen, auch Beamt*innen, Selbständige und Gutverdienende, beteiligen sich. Auf Aktiengewinne und Kapitaleinkünfte werden ebenfalls Beiträge erhoben. Arbeitgeber*innen und Arbeitnehmer*innen übernehmen wieder jeweils die Hälfte des Beitrags und die bisher allein von den Arbeitnehmer*innen getragenen Zusatzbeiträge werden wieder abgeschafft. Bei den Arzthonoraren soll nicht mehr zwischen gesetzlich und privat Versicherten unterschieden werden. Zuzahlungen für Medikamente und andere Selbstbeteiligungen wollen wir abschaffen. Mit der Bürger*innenversicherung wäre Gesundheit stabil, zukunftsfest und fair finanziert.

Wohnungsmarkt

Das Thema Wohnen ist mir als Berliner Abgeordnete besonders wichtig, weil ich immer wieder merke, wie sehr das Thema den Menschen in Berlin unter den Nägeln brennt. Deswegen habe ich mir in der vergangenen Legislaturperiode zusammen mit meinen grünen Kollegen hier im Bundestag und auf Bezirks- und Landesebene viele Gedanken gemacht, was gegen die Mietenexplosion unternommen werden kann. Auf meiner Webseite habe ich ein Dossier Wohnen veröffentlicht. Ich würde mich freuen, wenn Sie sich die Zeit nehmen würden und sich über unsere Forderungen und meine Arbeit in dem Bereich informieren! http://lisa-paus.de/2017/dossier-wohnen/
Ich weiß nicht, warum diese Themen in der Öffentlichkeit nicht aufgegriffen werden. Mir liegen sie sehr am Herzen und ich für meinen Teil versuche alles, um sie zur Sprache zu bringen – egal, ob bei Podiumsdiskussionen, an denen ich teilnehme oder im direkten Gespräch mit den Bürgern beim Haustürwahlkampf oder an Ständen.

Mit freundlichen Grüßen

Ihre

Lisa Paus

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