Frage an Ludger Klus von Graham H. bezüglich Umwelt
Sehr geehrter Herr Klus,
könnte M-V mit erneuerbarer Energie seinen Energiebedarf decken?
Mit freundlichen Grüßen,
Graham Hyatt
Sehr geehrter Herr Hyatt,
ständig haben wir mit , Energie´ zu tun. Diese scheinbare Banalität des Alltäglichen und Ihr Interesse an der Energiepolitik von Bündnis 90 / Die Grünen mögen Auslöser der einfachen Frage sein, die Sie an mich richten. Herzlichen Dank dafür. Die Schlichtheit des Gefragten verdient Respekt und kann zu Recht erwarten, dass Erläuterndes dem Versuch der Antwort voranzugehen hat.
- Ohne Energie geht ganzen offenbar nichts in unserem Alltag. Folglich sagen wir, dass wir Energie ,verbrauchen´, wenn wir beispielsweise den Primärenergieträger Steinkohle verbrennen. Wir sagen auch, dass wir durch das Verbrennen eines Rohstoffs Endenergie, nämlich Strom, erzeugen. Strom, den wir für ,Stillstandsbetrieb´ nutzen, geht verloren, sagen wir. Andererseits wissen wir jedoch, dass nichts verloren gehen kann, in diesem Universum, in dem wir unterwegs sind. Energie ist konstant, jedoch wandelbar: ein längst bekanntes Weltgesetz.
- Mit unserer ,Alltagssprache´ beschreiben wir also etwas, was wir nicht sehen. Energie können wir nicht sehen - ihre Wirkung sehr wohl: beispielsweise Bewegung. Energie hat also wechselnde Erscheinungsformen.
- Die Energieform ,Steinkohle´ erhält durch Energieumwandlung (Verbrennen) eine andere Form z.B. ,Wärme´ bzw. Wasserdampf. Durch Nutzung wechselt die Form erneut, z.B. Bewegung. Deren Nutzung wird zur Endenergieform Strom. Mit dem Lichtschalter im Haus leiten wir weitere Umwandlungen ein: Erscheinungsformen der Energie sind Licht (ca. 5 % des eingesetzten Stroms, Energiesparlampe ca. 25 %) der grosse Rest ist ,Abfallenergie´.
- Mit dem Verbrennen von Steinkohle haben wir zunächst Strom und schliesslich Licht und Wärme erzeugt. Dennoch haben wir Energie nicht verbraucht. Allerdings produzieren wir mit jeder Energieumwandlung ,Abfallenergie´ (Entropie). Diese ist nicht konstant. Gegenteiliges: Sie wird immer grösser. Die Respektierung dieser längst bekannten Erkenntnis ist von Wichtigkeit, wenn wir eine nachhaltige Energiewirtschaft auf die Sprünge helfen wollen.
- Lediglich etwa ein Drittel der nuklear - fossilen Energie wird in Endenergie umgewandelt. Der Rest ist ,Abfallenergie´ bzw. Müll. Erscheinungsform davon sind beispielsweise Wasserdampf der Kühltürme, Staub, Atommüll sowie Stickoxide, Kohlenstoffdioxid (CO-2), die sogenannten Klimaschadstoffe. Die ,Abfallenergie´ ist nicht nur wertlos, sondern sie erwärmt die Erdatmosphäre: Klimawandel
- Jede Energieumwandlung (Energienutzung) verursacht Umwandlungsverluste. Die nuklear - fossile Verbrennung ist unumkehrbar. Ihr Preis kann folglich nur eine Haupttendenz haben: nach oben! Der Markt bzw. Politik kann Naturgesetze nicht ausser Kraft setzen: Jede nuklear - fossile Verbrennung endet vollständig und unumkehrbar als ,Abfallenergie´. Deswegen ist zwingend erforderlich, dass wir
1. Energieumwandlungsprozesse vermeiden, d.h. Energie auf möglichst niedrigem Niveau und möglichst nah am Ort ihrer Verfügbarkeit (dezentral) nutzen, und dass wir
2. die effektivste Form der Energienutzung einsetzen. d.h. dass wir die ,Umwandlungsverluste´ auf das technisch machbare mit dem geringst möglichem Kapitaleinsatz reduzieren: Das ist nachhaltige Minimaloptimierung.
- Eine erfolgreiche Strategie zur Minimierung der ,Umwandlungsverluste´ der Energienutzungen ist quasi naturgesetzlich die unverzichtbare Voraussetzung des auf ,Nachhaltigkeit´ orientierten Umbaus unserer nuklear - fossilen Lebensweise. Letztlich geht es, jenseits der ,Klientelpolitik´ für das Energie- und Rohstoffkartell, um die Respektierung eines längst bekannten Weltgesetzes. Ganz offensichtlich ignorieren wir aber weiterhin sehr beharrlich dessen Gültigkeit. Denn auch in den letzten zehn Jahren hat sich der Primärenergiebedarf in Deutschland kaum verändert:
1. Mineralöl: 37 %
2. Gas: 23 %
3. Steinkohle: 13 %
4. Braunkohle: 11 %
5. Uran (Atomenergie): 12 %
6. Erneuerbare Energien: 4 %, Anmerkung: Ihre Primärenergie ist jedoch zu 100 % Endenergie
- In den Verbrauchsbereichen der Primärenergie gibt es durchaus bemerkenswerte Veränderungen.
1. Industrie und Gewerbe: von 30 % reduziert auf 25 %
2. Verkehrsbereich: von 25 % gestiegen auf 28 %
3. Private Haushalte: von 25 gestiegen auf 39 %
Anmerkung: Anforderungen des Gesetzgebers, Ökosteuer, steigende Rohstoffpreise, Weitbewerbsdruck u.a. führten im industriellen Bereich offenbar zu einer Verbesserung der Energieproduktivität. Im privaten Bereich ist eine derartige Entwicklung nicht erkennbar. Gegenteiliges ist der Fall!
- Der Stromverbrauch in Deutschland ist in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen. Sein Anteil an der gesamten Endenergienutzung beträgt ca.18 %. Er verursacht allerdings rund 40 % der gesamten deutschen CO-2-Emissionen. Der Rest entfällt zu etwa gleichen Anteilen auf Heizwärme und auf den Verkehrssektor.
Vergleichen wir die Energie - Basisdaten mit denen von Mecklenburg - Vorpommern:
- Primärenergieträger sind
1. Steinkohle: 15 %
2. Braunkohle: 0 % (konsequenter Ausstieg ab 1990)
3. Mineralöl: 42 %
4. Gas: 33 %
5. Erneuerbare Energieträger: 7 %. Diese sind zu 100 % auch Endenergie
6. Stromimport: 3 %, Das entspricht 15 % des Stromverbrauchs in M - V
Anmerkung: Seit 1995 ist der Primärenergieverbrauch um 6 % gestiegen. Die Einwohnerzahl ist in demselben Zeitraum um 100.000 gesunken. .
- In den Verbrauchsbereichen der Primärenergie gibt es gegenüber der deutschen Gesamtverteilung durchaus bemerkenswerte Unterschiede:
1. Industrieller- / Gewerblicher Bereich: von 10 % gestiegen auf 12 %
2. Verkehrsbereich: von 36 % reduziert auf 33 %
3. Private Haushalte: von 54 % gestiegen auf 55 %
Anmerkung: Für 1 % Anstieg der Bruttowertschöpfung im gewerblich- / industriellen Bereich wird aktuell in M - V 20 % mehr Primärenergie benötig. Damit ist in M - V die Energieproduktivität schlechter als vor zehn Jahren. So ist nachhaltige Wirtschaft nicht zu schaffen.
Der Anteil der privaten Haushalte am Primärenergieverbrauch ist in M - V mehr als 30 % höher als im deutschen Durchschnitt. Das ist keine Basis für nachhaltige Energiewirtschaft. Energiesparverordnung, hohe Brennstoffpreise u.a. zeigen praktisch keine Wirkung.
- In M - V ist der Anteil der erneuerbaren Energieträger an den Primärenergieträgern der Stromerzeugung seit 1995 von 1,7 % auf rund 20 % angestiegen und deckt rund ein Drittel des gesamten Strombedarfs.
- Bei Bevölkerungsrückgang, 100.000 Einwohner, ist der Stromverbrauch kontinuierlich von 14 % (1995) auf 18 % der Endenergie gestiegen. Das entspricht einer Steigerungsrate von 30 %! Hinzu kommt, dass die fossile Verbrennung lediglich etwa ein Drittel der Energie des Brennstoffes in Strom umwandelt. Folglich erhöhte sich der Anteil der fossilen Energieträger an der Stromerzeugung in M - V um mehr als 100 %. Ergebnis: Obwohl M - V rund ein Drittel seines Stroms mit regenerativer Energie erzeugt, verursacht der gesamte Stromverbrauch bei einem Anteil von 18 % des gesamten Primärenergieverbrauchs rund 33 % aller in M - V produzierten CO - 2 - Emissionen.
- Die Entwicklung der CO - 2 - Emissionen in M - V seit 1995 in den Bereichen der Hauptverursacher
1. Strombedarfsdeckung: von 40 % reduziert auf 33 %
2. Wärmebedarfsdeckung: von 34 % gestiegen auf 37 %
3. Verkehrsbereich: von 26 % gestiegen auf 30 %
Fazit:
Die regenerativen Primärenergieträger sind zu 100 % Endenergie. Ihr Anteil am gesamten Primärenergiebedarf ist in M - V seit 1995 von 1,4 % auf rund 7 % gestiegen. Wegen der Zunahme der Verbrennung fossiler Energieträger konnte M - V seine CO - Emission dennoch kaum reduzieren. Bei Abnahme der Bevölkerung von 5 % wird in den verbrennungsintensiven Bereichen, Wärmebedarf und Verkehr, bei den CO - 2 - Emissionen eine Steigerungsrate von 15 % erreicht.
Ergo: Mit der Fortschreibung der bisherigen Energiepolitik ist eine nachhaltige Energiewirtschaft im Gesundheitsland M - V nicht zuschaffen. Die dafür notwendigen operativen Voraussetzungen, die drastische Reduzierung der ,Umwandlungsverluste´ der Hauptverursacher, sind durch realistische Zielvorgaben bis zum Jahr 2020 herzustellen. Dafür steht die Energiepolitik der GRÜNEN - Werte. Dazu gehören:
1. Energiepolitik ist dem Umweltministerium zu unterstellen
2. Reduzierung des Strombedarfs um 40 % (ohne Heizstrom), Einsparpotentiale: insbesondere in den Bereichen Stillstands- und Leerlaufverluste, Waschen, Trocknen, Kühlen und durch den Einsatz effektiver Nutzungstechniken.
3. Grundsätzlicher Ausschluss der Stromnutzung für Heizwärme. Regelung durch Landesbauordnung
4. Reduzierung der Wärmeverluste beheizter Gebäude auf mindestens 50 % des heute zulässigen Grenzwertes für Neubau. Regelung in Landesbauordnung
Anmerkung: Dieser Mindeststandard ist bereits heute ohne Investitionen in haustechnische Anlagen möglich. Er ist die wirtschaftlichste und klimaeffektivste Investition. Deswegen keine Förderung sogenannter ,Energiespartechnik´, solange die ,Verluste´ nicht auf das hier geforderte Niveau reduziert sind.
5. Fördemittel für Gebäudesanierung und Stadtumbau - Ost nur, wenn der hier geforderte wärmetechnische Standard nachgewiesen wird. Regelung in den Förderrichtlinien des Landes.
Anmerkung: Bei Gebäudesanierungen kommen häufig keine oder nur sehr unzureichende Massnahmen zur Reduzierung der Wärmeverluste zur Anwendung.
6. Prüfung der sog. ,Energiesparförderungen´ und Streichung aller Massnahmen, die der Zielerreichung entgegen stehen
7. Es ist eine bundeseinheitliche und gesetzliche Regelung zulässiger Verbrauchswerte für Verbrennungsmotoren anzustreben und durchzusetzen.
8. Aufbau dezentraler Strukturen für Erzeugung- und Nutzung regenerativer Energie sowie für den Austausch regionaler Güter und Leistungen (Minimierung der Transportenergie)
9. Im Fuhrpark, einschliesslich Repräsentationsfahrzeuge und für andere Energienutzungen des öffentlichen Bereichs ist beispielgebend der Einsatz des bestverfügbaren Stands der Technik hinsichtlich der Energieeffizienz einzusetzen
10. Eine umfassende und ,pro aktive´ Kommunikation der auf nachhaltige Wirtschaft orientierten Zielstellungen und den dafür notwendigen operativen Massnahmen ist zu gewährleisten
Nun, Herr Hyatt, meine Antwort auf Ihre sehr einfache Frage "Könnte M-V mit erneuerbarer Energie seinen Energiebedarf decken?" kann im Rahmen dieses Kandidatenforums lediglich ein erster Versuch sein, die notwendigen operativen Voraussetzungen für eine nachhaltige Energiewirtschaft in M - V zu formulieren und die dafür erforderlichen Massnahmen zu fordern. Dafür steht die Politik der GRÜNEN - Werte für deren Realisierung ich eintrete.
Ich setze auf Ihr Verständnis, dass Sie mich mit einer ersten und eher versuchenden Antwort auf die komplexe Einfachheit Ihrer Frage an dieser Stelle zunächst entpflichten. Ihre weiteren Anregungen, Hinweise und Rückfragen zur Politik der GRÜNEN - Werte nehme ich jedoch gerne auf. Bis dahin
mit den besten Grüssen aus Leussow
Ludger Klus
p.s. Die Atomenergie deckt 12 % des deutschen Primärenergiebedarfs. Ihre weltweite Nutzung deckt nicht einmal 7 % des Weltenergiebedarfs. Vergleichen wir diesen geringen Deckungsbeitrag mit den nicht beherrschbaren Umweltrisiken, den Gesamtkosten und der militärisch / kriegerischen Option, die eine Folge der energetischen Nutzung der Atomenergie ist, so ist Nutzung der Atomenergie allein aus diesem Grunde ethisch nicht zu rechtfertigen.