Frage an Maike Schaefer von Werner N. bezüglich Umwelt
Welchen Kenntnisstand haben sie zum Problem der beabsichtigten Beseitigung der Plantanen zwecks Deicherhöhung in der Neustadt? Die Bürgerinitiative behauptet, dass dies nicht nötig sei.
Sehr geehrter Herr N.,
Der Klimawandel sorgt für einen Meeresspiegelanstieg und immer höher
auflaufende Sturmfluten in Nordsee und Unterweser, mit erwarteten
Wasserständen in Bremen deutlich über dem der Sturmflut im Februar 1962.
Schneeschmelze und Starkregen in den Mittelgebirgen erzeugen zugleich
wachsende Gefahren durch den Hochwasserabfluss der Weser, der im März 1981
zum Weserdurchbruch der Neuen Weser führte. Wenn diese beiden Phänomene
zusammenkommen, eine Sturmflut von der Küste drückt Wasser in die Weser
und gleichzeitig kommt Wasser von oben wie beim Weserdurchbruch 1981,
dann braucht es Platz für das Wasser und einen Deich, der den Druck
aushält.
Die Weserdeiche im Bereich der Bremer Innenstadt müssen deshalb auf bis zu
+ 8,30 Meter über Normalhöhennull (NHN) erhöht werden. Vor allem in der
Neustadt müssen Standfestigkeit, Baumaterial und Neigung der Außenböschung
des Deichs für einen stärkeren Wellenangriff und länger andauernde Fluten
gerüstet werden.
Der zentrale Aspekt ist die Deichsicherheit. Daran muss sich jede Variante
messen lassen! Es geht schließlich um die Sicherheit und Unversehrtheit
der Menschen hinter dem Deich. Zumal sich dort direkt auch ein Krankenhaus
und Altersheim befinden.
Auf Deichkronen oder gar auf wasserseitigen Deichflanken sind Bäume eine
Gefahr für die Sicherheit des Deiches. Wird eine der Platanen bei einer
Sturmflut entwurzelt, bricht sie ein großes Stück aus dem Deich heraus,
was zu einem Wasserdurchbruch und im schlimmsten Fall zur Überflutung der
Neustadt führen kann. Ihr Wurzelwerk stabilisiert nicht den Deich, im
Gegenteil: Bei Sturm rüttelt der Wind an der Krone und bewegt damit den
ganzen Baum. Dies überträgt sich auf die Wurzeln, die dabei den Deich
auflockern, so dass rund um die Wurzeln kleine Hohlräume entstehen, die
sich mit Wasser füllen können. Damit wird der Deich gelockert und
obendrein aufgeweicht. Selbst wenn die Platanen bisher auch starken Winden
Stand gehalten haben: Das Risiko entsteht in dem Moment, in dem hohe
Wasserstände den Deichkörper aufweichen und die Wurzeln den Bäumen keinen
sicheren Halt mehr geben.
Wegen des Klimawandels muss der in Teilen aus Bauschutt bestehende Deich
verstärkt werden und perspektivisch um 75 cm erhöht werden. Auch wenn
der Deich an der Stadtstrecke heute noch überwiegend hoch genug scheint,
seine Standfestigkeit genügt nicht den Anforderungen an sicheren
Hochwasserschutz.
Für die Ertüchtigung und künftige Erhöhung des Deichs gibt es nur eine
technische Möglichkeit - die Herstellung einer Hochwasserschutzwand im
heutigen Deichbereich. Ein neuer Erddeich mit ausreichend flacher
Außenböschung scheidet aufgrund der Bebauung gleich hinter der Deichlinie
aus.
Der Querschnitt der Kleinen Weser darf durch den Deichbau nicht
verkleinert werden, damit das Hochwasser auch künftig noch schadlos
abfließen kann.
Die zur Deichverstärkung notwendige Spundwand würde daher mit schwerem
Gerät relativ nahe vor die heutigen Platanen in den Deich gerammt werden.
Dies ist nur nach einem radikalen Kronenrückschnitt der heute bis zu 19
Meter großen Baumkronen möglich. Große Teile des Wurzelwerks würden durch
die Spundwände abgetrennt. Anschließend wird der Raum zwischen Spundwand
und Bäumen aufgefüllt. Durch diese Auffüllung drohen die Wurzeln
abzusterben. Somit wäre der Baum schlechter versorgt und büßte seine
Standfestigkeit ein. Auf lange Sicht würden die Platanen diesen Eingriff
nicht überstehen.
Um die Spundwand hinter den Bäumen direkt an der Straße zu rammen, müssten
die Baumkronen in gleichem Maße eingekürzt werden. Nachwachsende junge
Triebe sogenannte Klebäste wären nicht fest mit dem Holz der alten
Kronen verwachsen und daher sehr bruchgefährdet. Da die Wurzeln dann bei
künftigem Hochwasser im Nassen stünden, besteht das Risiko der
Entwurzelung mit den Folgen für die Deichsicherheit fort: Entwurzelte
Bäume treiben vor die Brücken und verhindern dort den Abfluss des
Hochwassers.
All diese Gründe erlauben leider keinen Hochwasserschutz mit den Platanen.
Natürlich ist uns die Stadtbegrünung dennoch ein wichtiges Anliegen. Die
Bäume werden deshalb möglichst groß und 1:1 an der neu entstehenden
Stadtstrecke und zusätzlich in der gleichen Anzahl an anderen Stellen der
Neustadt nachgepflanzt. Auf der Stadtstrecke werden große neue Bäume in
große Pflanzgruben mit gutem Wurzelsubstrat gepflanzt und können sich
daher unter optimalen Wachstumsbedingungen entwickeln. Das Einwachsen in
die Hochwasserschutzwand wird durch eine Wurzelsperre verhindert und die
Bäume werden in einem großen Abstand zur neuen Hochwasserschutzanlage
gepflanzt. So werden auch künftige Unterhaltungsarbeiten am Deich nicht
beeinträchtigt. Die Neupflanzung ist damit nachhaltig und gewährleistet,
dass das Neustädter Ufer auch in vielen Jahrzehnten noch von einer
Baumkulisse geprägt ist.
Die Neugestaltung der Stadtstrecke wurde unter intensiver Beteiligung der
Bürgerinnen und Bürger der Neustadt erarbeitet. Nach einem städtebaulichen
Wettbewerb gab es eine Juryentscheidung mit hohem Anspruch an die
Qualitäten der Neugestaltung. Auch der von den Neustädter Bürgerinnen und
Bürgern gewählte Beirat war gleichberechtigt an der Juryentscheidung
beteiligt. Der Beirat steht daher mit großer Mehrheit hinter den aktuellen
Planungen.
Am Ende des bisherigen Beteiligungsprozesses stand die Neustädter
Deich-Charta, in der die Rahmenbedingungen für die Gestaltung und Nutzung
der neuen Stadtstrecke vereinbart wurden, gestützt von Beschlüssen der
Deputation, des Senats und der Stadtbürgerschaft.
Ich hoffe, ich konnte Ihr Anliegen klären,
Ihre Maike Schaefer