Frage an Manfred Weber bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

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Manfred Weber
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Frage an Manfred Weber von Werner L. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrter Herr Weber,

seit Oktober 2011 sichert die Marechaussee (niederländische Grenzpolizei) alle größeren Grenzübergänge ihre Binnengrenzen mit Kamerasystemen, die jedes Fahrzeug incl. Frontinsassen ablichten und mit diversen Datenbanken (Polizei, Finanzamt, diverse Nachrichtendienste, etc.) abgleichen. Ob man in der Datenbank aufscheint oder nicht die Aufnahmen werden ca. vier Wochen bewahrt, mit anderen Worten Vorratsdatenspeicherung!

Diverse Journalisten und Datenschützer in den Niederlanden bemühten sich um bei den niederländischen Behörden bzw. Regierung nähere Informationen und Stellungsnahmen zu ergattern, leider ohne ersichtlichen Erfolg. Die Behörden und die niederländische Regierung verstecken sich hinter zweifelhaften, nichtssagenden und allgemeinen rhetorischen Antworten oder schweigen sich aus.

Ich bezweifle sehr, dass man mit dieser Art von (löchriger) Rasterfahndung bzw. automatisierten Grenzkontrollen tatsächlich das organisierte Verbrechen (Menschen- und Drogenhandel) wehren kann. Allerdings befürchte ich, als an der Grenze wohnende unbescholtene Bürger, ein gläserne Bürger zu werden, der bei jedem Grenzübertritt kontrolliert/registriert bzw. aufgezeichnet wird.

Inwieweit sind Sie hierüber informiert bzw. sehen Sie Handlungsbedarf. Inwieweit ist diese Maßnahme konform dem europäischen Gedanken von Reisefreiheit bzw. Datenschutz. Ist diese Maßnahme überhaupt konform den europäischen Vorschriften, den darüber schweigt sogar die niederländische Regierung.

Gerne würde ich in Kürze Ihren Standpunkt erfahren und ob Sie bzw. wie Sie dagegen vorgehen werden/wollen.

Mit freundlichen Grüßen,
Werner Luidolt

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Sehr geehrter Herr Luidolt,

für Ihre Anfrage über die Seite www.abgeordnetenwatch.de zum Thema der Kameras an niederländischen Grenzübergängen danke ich Ihnen herzlich. Im Folgenden möchte ich auf Ihre Fragen antworten:

Ziel der Kameras ist es nach Angaben der niederländischen Regierung, illegale Einwanderer aufzuspüren sowie Terrorismus und Organisierte Kriminalität zu verhindern und zu verfolgen. Hierzu werden Daten über Modelle und Farbe der Autos gespeichert, die zu einer bestimmten Zeit die Grenze passieren. So sollen etwa Wagenkolonnen, die illegale Migranten befördern, aufgespürt werden. Weiterhin werden Nummernschilder registriert und im Falle einer vorherigen Suchmeldung direkt an die Militärpolizei weitergeleitet.

Die Verordnung (EG) Nr. 562/2006 (Schengener Grenzkodex) sieht in Artikel 20 vor, dass die Binnengrenzen des Schengen-Raumes ohne Grenzübertrittskontrollen überschritten werden dürfen. Der Schengener Grenzkodex lässt jedoch die Ausübung polizeilicher Befugnisse zur Bekämpfung grenzüberschreitender Kriminalität nach Maßgabe des jeweiligen nationalen Rechts ausdrücklich zu, sofern sie nicht die gleiche Wirkung wie systematische Grenzübertrittskontrollen haben. Nun ist es eine Frage der Ausgestaltung nationalen Rechts, ob hier tatsächlich eine Verletzung des Schengener Grenzkodexes vorliegt.

Als Reaktion auf eine Aufforderung der EU-Kommission beteuerte der niederländische Minister für Einwanderung und Asyl, Gerd Leers, in einem Schreiben vom 27. Januar, dass mit dem Aufstellen der Kameras EU-Recht nicht gebrochen werde. Nun obliegt es der Kommission als Hüterin der Verträge, das Vorgehen der Niederlande auf Vereinbarkeit mit dem Gemeinschaftsrecht zu überprüfen. Dabei dienen zum einen die Schengenregeln als Maßstab und zum anderen wird aus datenschutzrechtlicher Sicht geprüft. Wann ein Ergebnis vorliegt, ist derzeit noch nicht absehbar.

Auch wenn nicht direkt eine Verletzung von Gemeinschaftsrecht vorliegt, agieren die Niederlande meiner Meinung nach jedoch am Rande der Schengen-Regeln, zumindest bewegt sich das Land hier in einem Graubereich. Die aktuelle Entwicklung, dass sich nationale Alleingänge von Mitgliedstaaten in Bezug auf Binnengrenzkontrollen aus innenpolitischen Erwägungen heraus häufen, finde ich zutiefst besorgniserregend. Oft geht es hierbei nicht um Sicherheitsfragen, sondern um das Nachgeben auf Drängen rechter Populisten. Deshalb setze ich mich auch für eine starke Rolle der EU-Kommission bei der derzeitig stattfindenden Überarbeitung der Schengen-Regeln ein. Wenn in Ausnahmefällen tatsächlich Maßnahmen notwendig sind, die die Freizügigkeit der EU-Bürger vorübergehend einschränken, so muss dies eine gemeinsame Entscheidung auf EU-Ebene sein. Die Freizügigkeit in Europa - eine der zentralen europäischen Errungenschaften - muss ohne wenn und aber verteidigt und garantiert werden.

Ich hoffe, ich konnte Ihre Fragen beantworten und meine Ansichten zur Thematik darlegen. Für Rückfragen stehe ich Ihnen gerne zur weiteren Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

Manfred Weber, MdEP

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