Frage an Marco Bülow bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

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Marco Bülow
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Frage von Sascha B. •

Frage an Marco Bülow von Sascha B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Bülow.

Wie unterscheiden sich ihre Rechte und Pflichten als fraktionsloser Abgeordneter zu denen der Fraktionsangehörigen? Wo können Sie noch merklich Einfluss nehmen?
Und könnten Sie sich im Bundestag ein System vorstellen mit "aufgeweichteren" Fraktionen, die nicht streng nach politischer Partei, sondern mehr nach politischen Interessen und Zielen geht (vielleicht so ähnlich wie im Europäischen Parlament) und demnach auch während einer Legislaturperiode leicht schwanken könnten?

Viele Grüße
S. B.

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Sehr geehrter Herr B.,

zunächst einmal vielen Dank für Ihre spannende Frage, die bestimmt viele Leser*innen interessiert.

Allgemein lässt sich festhalten, dass mit einer Fraktionslosigkeit vor allem Selbstbestimmtheit mit einhergeht. Ich habe das Gefühl meine Themen vertreten zu können und freier entscheiden zu können. Leider haben Fraktionen die Tendenz, die Fraktionstaktik höher zu setzen als das Gewissen und die Meinung der Abgeordneten. Die Fraktionsmitglieder ordnen sich dem in der Regel unter. Das war einer der Gründe für meinen Austritt aus der SPD-Fraktion. In meiner Austrittserklärung habe ich das weiter aufgeführt: https://www.marco-buelow.de/austritt-aus-der-spd/.

Änderungen in meiner Arbeit erstrecken sich dabei über mehrere Bereiche.

Für die Parlamentsarbeit bedeutet das, dass ich vor allem das Mittel der mündlichen und schriftlichen Anfragen nutze, um so die Bundesregierung zu verschiedenen Sachverhalten zu befragen. Ähnlich wie Fraktionen mithilfe von kleinen und großen Anfragen, gehe ich so meiner Kontrollfunktion nach und kann das Erfragte veröffentlichen oder für meine Arbeit nutzen. Damit gehe ich, da ich nicht Teil der Regierung bin, der wichtigsten Aufgabe der Opposition nach.

Als fraktionsloser Abgeordneter steht mir bei Plenarsitzungen zwar weniger Redezeit zu als den Fraktionen, allerdings genieße ich hier die Freiheit selbst zu entscheiden, zu welchen Themen ich eine Rede halten möchte. Ist man Mitglied einer Fraktion, wird innerhalb der Fraktion entschieden, ob die*der zu dem jeweiligen Thema eine Rede hält oder nicht. Unbequeme Fraktionsmitglieder bekommen dementsprechend deutlich weniger Redezeit. In meiner Position kann ich mich für Reden frei eintragen. Das nutze ich vor allem bei meinen Schwerpunktthemen Lobbyismus und Umweltschutz.

In meiner Arbeit im Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit kann ich beantragen, bestimmte Themen auf die Tagesordnung zu setzen und dadurch in meinem Schwerpunktthema Umweltschutz, den Fokus mitbestimmen. Beispielsweise hat am 16.10.2019 im Umweltausschuss ein von mir beantragtes und einstimmig beschlossenes Fachgespräch zum Thema Klimapolitik stattgefunden.

Fraktionslosigkeit hat natürlich auch Einfluss auf die tägliche Arbeit. In einer Fraktion arbeitet man als Team zusammen, sodass es Spezialist*innen für verschiedene Themen gibt, an die man sich bei Fragen wenden kann. Das bedeutet, dass ich mich bei der Beantwortung von Fragen beispielsweise auf meine Schwerpunktthemen konzentriere. Wie oben erwähnt, hat es auch hier zur Folge, dass ich zwar nicht auf ein größeres Spezialist*innenteam Zugriff habe, aber sich mir auch hier die Möglichkeit ergibt, meine eigenen Schwerpunkte zu legen und selbst zu entscheiden, was mein Team und ich thematisch bearbeiten.

Seit ich fraktionslos bin, merke ich noch stärker, wie extrem die Parteienkrise sich in Deutschland entwickelt hat und wie hoch dementsprechend die Parteienverdrossenheit ist. Besonders bemerkbar ist das bei politischen Gruppierungen und Bewegungen, zu denen ich jetzt einen besseren Zugang habe. Das hängt sicherlich damit zusammen, dass ich nicht an eine Fraktionspolitik gebunden bin und deswegen unabhängiger agieren und auftreten kann. Ein Beispiel hierfür ist die Veranstaltung „Reclaim the house! Jetzt kommt die Bewegung im Parlament zu Wort“, die ich letzte Woche organisiert habe. Nach inhaltlichen Inputs, haben Vertreter*innen aller relevanten Gruppen der Klimabewegung und vieler bekannter Umweltverbände die Möglichkeit bekommen, die anwesenden Abgeordneten zu befragen und dadurch ihre Kritik und ihre Ansichten direkt ins Parlament zu bringen. Der große Erfolg der Veranstaltung war möglich, weil die anwesenden zivilgesellschaftlichen Vertreter*innen wussten, dass ich keine Parteitaktik verfolge, sondern mir das Thema wirklich am Herzen liegt.

Nun zu Ihrer zweiten Frage: Ich würde mich freuen wenn sich das Parlament weniger auf Partei- und Fraktionszugehörigkeit fokussieren würde, sondern es mehr interfraktionelle und überparteiliche Zusammenarbeit geben würde. Ein Fraktionenparlament führt langfristig dazu, dass die eigentlich drängenden Fragen in den Hintergrund geraten und in Parteipolitik aufgehen. Dabei wäre es dringend notwendig, dass wir zusammenarbeiten, beispielweise in der Klimafrage! Gerade in Fragen, die unser aller Zukunft betreffen, dürfen wir uns nicht von Partei- und Fraktionsbindung blenden lassen, sondern sollten gemeinsam das Notwendige tun!

Mit freundlichen Grüßen

Marco Bülow