Frage an Marco Bülow bezüglich Arbeit und Beschäftigung

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Marco Bülow
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Frage von Martin J. •

Frage an Marco Bülow von Martin J. bezüglich Arbeit und Beschäftigung

Lieber Genosse Marco,

ich halte die Rente mit 67 für sehr ungerecht.

Ist es für Dich und Deine Fraktion auch vorstellbar, dass man nach 45 Klebe-Jahren, egal in welchem Alter, abschlagsfrei in Rente geht?

Ich z.B., und dass ist typisch für meine Generataion, bin mit 15 Jahren in die Lehre gegeangen. Habe dieses Jahr also 38 Jahre voll. Hatte im Vorjahr schon 56 Punkte.
Wieso soll ich noch 12 bzw. 14 Jahre arbeiten?

Mit den alten Werten unserer Partei hat das alles nichts mehr zu tun.

Schönen Gruß an meine Freundin Ulla B. aus Dortmund.

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Sehr geehrter Herr Janz,

vielen Dank für Ihre Email vom 27. Juni.

Die Altersgrenze für die Rente jetzt von 65 auf 67 Jahre anzuheben, wurde innerhalb der großen Koalition lange und heftig diskutiert und auch ich stehe der Anhebung sehr kritisch gegenüber. Deshalb hatte ich mich bei der Abstimmung zu dem neuen Rentengesetz am 9. März 2007 auch enthalten.

Das eine stetig alternde Gesellschaft Veränderung schafft, ist mittlerweile Konsens in unserer Gesellschaft. Als Sozialdemokraten müssen wir uns dabei die Fragen stellen, wie sich die Gesellschaft anpassen muss, damit wir auch im hohen Alter in Würde und möglichst aktiv leben können.

Eine Grundvorrausetzung hierfür ist die ausreichende finanzielle Absicherung durch die Rente. Die Gesetzliche Rentenversicherung hat in den letzten Jahren Finanzierungsprobleme bekommen. Die Zahl der Rentner und die Dauer der Rentenbezüge steigen immer weiter an. Anstatt allerdings eine gesetzliche Anhebung des Renteneintrittsalters auf 67 Jahre vorzunehmen, hätte ich es gerechter gefunden, das durchschnittliche Renteneintrittalter durch eine wirkungsvolle Reduzierung der Frühverrentung in Deutschland zu erhöhen. Unsere beschlossenen Rentenreformen der vergangenen Jahre in der rot-grünen Regierungszeit zeigen, dass das wirkt.

Im Jahr 2006 gingen Frauen im Durchschnitt mit 63,2 Jahren und Männer mit 63,3 Jahren in Altersrente. Damit nahmen Männer ihre Altersrente rund 1,2 Jahre und Frauen rund 0,8 Jahre später in Anspruch als vor dem Inkrafttreten der Rentenreform im Jahr 1997. Das ist u.a. damit zu begründen, dass Versicherte sich für einen späteren Renteneintritt entscheiden, um Abschläge zu vermeiden oder deren Höhe zu verringern. Natürlich ist das positiv und erfreulich. Die Menschen in unserer Gesellschaft werden älter und leben länger. Bezüglich der Finanzierung der Renten liegt es jetzt aber in unserer Verantwortung, darauf eine adäquate Antwort zu finden. Ich hätte es gut gefunden, wenn wir den Weg erst einmal weiter gegangen wären, anstatt die Rente 67 zu beschließen.

In der Diskussion um die Rente mit 67 habe ich als Abgeordneter eine starke Zuspitzung des Themas erlebt, begleitet von massivem Protest und tief gehender Kritik, aber auch von bedingungsloser Unterstützung und vermeintlicher Alternativlosigkeit. Das Renteneintrittsalter ist offensichtlich nicht nur von hoher Bedeutung für die langfristig Betroffenen. Es hat auch einen hohen Symbolwert für die Richtung und Schwerpunkte der Debatte um die zukünftige Entwicklung unseres Rentensystems.

Auch die SPD hat sich auf ihren Parteitagen der letzten Jahre regelmäßig mit diesen Fragen befasst. Auf dem Berliner Parteitag im Juni 2003 wurde im Leitantrag hierzu beschlossen: „Eine Anhebung des gesetzlichen Renteneintrittsalters kommt angesichts der gegenwärtigen Situation auf dem Arbeitsmarkt zum jetzigen Zeitpunkt nicht in Betracht.“ Der Bochumer Parteitag ein halbes Jahr später hat ebenfalls den kurzfristigen Abbau der Frühverrentung und die Anhebung des tatsächlichen Renteneintrittsalters beschlossen.

Im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD wurde festgelegt: „Die steigende Lebenserwartung geht mit einem längeren Rentenbezug einher. Dies führt zu einer Veränderung des Verhältnisses von aktiver Erwerbsphase und Rentenlaufzeit. Zur langfristigen Stabilisierung und Einhaltung der genannten Ziele ist daher neben den bisherigen, erfolgreichen und fortzusetzenden Maßnahmen zur Erhöhung des faktischen Renteneintrittsalters eine schrittweise, langfristige Anhebung des gesetzlichen Renteneintrittsalters erforderlich (…)“. Dies wurde auf dem SPD-Parteitag beschlossen, der über den Koalitionsvertrag abgestimmt hat.

Bei dem jetzt mit der Union erzielten Kompromiss gelang es der SPD-Bundestagsfraktion bezogen auf die Rente 67 immerhin, dass im Jahr 2010 mit Blick auf die Beschäftigungschancen der Älteren die beschlossene Anhebung der Altergrenze überprüft wird. Wenn dann jemand 45 Beitragsjahre vorweisen kann, darf er weiterhin mit 65 Jahren abschlagsfrei in Rente gehen. Wer 35 Jahre Beiträge gezahlt hat, kann wie bisher auch bereits mit 63 Jahren in Rente gehen - allerdings mit Abschlägen. Das beschlossene Gesetz sieht vor, dass zwischen 2012 bis 2029 die Altersgrenze von 65 auf 67 Jahren angehoben wird.

Innerhalb der Großen Koalition müssen wir leider bei vielen Dingen Kompromisse eingehen. Ich habe nie einen Hehl daraus gemacht, dass ich den Kurs der Großen Koalition insgesamt für problematisch halte und ich einigen Gesetzen nur schwerlich zustimmen konnte. Häufig genug artikuliere ich innerhalb der Fraktion meine Bedenken gegen die Ausrichtung der Koalitionspolitik. Innerhalb der Fraktion habe ich auch gegen die Rente mit 67 gestimmt.

Unser Ziel ist es, aktiv für eine solidarische Rentenversicherung einzutreten. So weit die Rentenversicherung eine Vielzahl von gesellschaftlichen Aufgaben erfüllt, wie zum Beispiel die Angleichung der Lebensverhältnisse in Ost und West, die Wiederherstellung und Erhaltung der Erwerbsfähigkeit oder auch bevölkerungspolitische und familienpolitische Maßnahmen, muss sich auch die Allgemeinheit angemessen an deren Finanzierung beteiligen. Die Rente muss auf ein langfristig zukunftsfähiges Fundament gestellt werden. Es sollte ein solidarisches Sicherungssystem geben, bei dem jeder einen seinem Einkommen angemessenen Beitrag leisten muss.

Mit Recht fürchten viele Menschen, dass eine Erhöhung des Renteneintrittsalters einseitig zu einer verschärften Rentenkürzung und zu einer Entwertung ihrer Lebensarbeitsleistung führen könnte, wenn nicht endlich massive und weit reichende Veränderungen im Angebot von Arbeitsplätzen für Ältere, in dem Erhalt und in der Pflege ihrer Beschäftigungsfähigkeit und der altersgerechten Organisation von Arbeitsplätzen greifen. Nur mit einem umfassenden Konzept und belastbaren Ergebnissen zur Sicherung von Arbeit im Alter und zum Abbau von Arbeitslosigkeit läßt sich meiner Ansicht nach überhaupt das Ziel des gesetzlichen Eintrittsalters von 65 (geschweige denn von 67) Jahren erreichen.

Dies müsste unbedingt in einem umfassenden Reformansatz deutlich gemacht werden. Dort könnten an erster Stelle die Unternehmen in die Pflicht genommen werden, die für eine deutliche Erhöhung der Beschäftigungsquote bei älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in den nächsten 5 Jahren bis 2011 sorgen sollten und das durch angemessene Arbeitsplätze und qualifizierte Beschäftigung. Die Initiative 50+ des Bundesarbeitsministeriums ist dazu ein gutes Signal. Ich hätte mir allerdings gewünscht, dass sie deutlich vor der Debatte um die Rente mit 67 eingespeist worden wäre. Zudem kann sie nur ein erster Ansatz sein, wenn man in diesem Bereich wirklich etwas verändern will.

Es kommt jetzt darauf an, differenzierte und soziale Lösungen für die Probleme unserer sich verändernden Gesellschaft zu finden. Die Reform Rente mit 67 erfüllt diese Kriterien meines Erachtens nicht genügend. Auch wenn die finanzielle Absicherung die zentrale Frage ist, sollten wir die Diskussion über die „alternde Gesellschaft“ darauf nicht verkürzen. Denn es erwachsen weitere Anforderungen, zum Beispiel die Qualität von Arbeit zu steigern und der Gestaltung von gesellschaftlichem Leben den Bedürfnissen von Älteren anzupassen. Aus diesen Veränderungen entsteht auch die Chance zu neuen innovativen Produkten, angepassten Dienstleistungen und damit zu mehr Arbeitsplätzen.

Ich erkenne die Notwendigkeit einer Reform an und weiß, dass es schwierig ist, in dieser großen Koalition sozialdemokratische Positionen durchzusetzen. Was ich aber bei dieser Reform vermisst habe ist, dass die SPD in der Diskussion über die Rente mit 67 ohne erkennbare Alternative agiert hat. Das fand ich sehr bedauerlich. Wenn die Legislaturperiode vorbei ist, müssen wir eine Gesamtbilanz ziehen, was die große Koalition gerade für die Arbeitnehmer und für viele Rentner auf den Weg gebracht hat.

Ich wünsche Ihnen alles Gute.

Mit freundlichen Grüßen

Marco Bülow