Frage an Marcus Weinberg

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Marcus Weinberg
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Frage an Marcus Weinberg von Jörn T.

Sehr geehrter Herr Weinberg,

Betr.: TTIP Abkommen & TISA-Abkommen

Am 4. Januar 2015 erschien auf Spiegel-Online ein Artikel zu dem TTIP-Abkommen ("Agrarminister Schmidt zu TTIP: Wir können nicht mehr jede Wurst schützen"). Zu diesem Artikel wurden am gleichen Tag über 1.000 Leserkommentare online gestellt. Das ist ein Rekord. Ich behaupte, das Thema TTIP und TISA regt die Wähler auf.

Darf ich Sie fragen, wie Sie abstimmen werden?

Ich bin seit 35 Jahren Außenhandelskaufmann in Hamburg. Durch die WTO (World Trade Organization) haben wir mit dem Nahen Osten, dem Fernen Osten und Amerika sämtliche Zollschranken abgebaut. Ich kann nicht erkennen, weshalb TTIP den Handel zwischen den USA und der EU beleben soll. Es gibt zwischen diesen beiden Wirtschaftsblöcken fast keine Handelshemmnisse mehr.

Das Problem ist vielmehr, das die USA dermaßen überschuldet sind, dass sie niemals mehr ihre Verbindlichkeiten gegenüber den Gläubigerstaaten (China, Deutschland, Japan usw) werden begleichen können. Aus diesem Grund streben die USA nun auch nach der wirtschaftlichen Weltherrschaft. Gemäß TTIP werden künftig geheime Schiedsgerichte Streitigkeiten zwischen Konzernen und Regierungen regeln. Das wird dazu führen, dass TTIP unseren Sozialstaat, unsere Justiz, unseren Umweltschutz, unser Finanzsystem, unsere Versorgungsunternehmen, schlicht unsere gesamte Daseinsfürsorge und Demokratie zerschlagen wird. Nutznießer werden die US-amerikanischen Konzerne sein.

Sind die Abgeordneten der großen Koalition wirklich so naiv, dieses nicht zu durchschauen. Können Sie es verantworten, einem Gesetzeswerk von mehr als 5.000 Seiten zuzustimmen, ohne die Folgen einschätzen zu können?

Wollen Sie das wirklich?

PS: Info zum Thema TISA unter http://www.tagesschau.de/wirtschaft/tisa-102.html

Mit freundlichen Grüßen
Jörn Timmermann, Hamburg

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Sehr geehrter Herr Timmermann,

seit Juli 2013 verhandelt die EU mit den USA über die „Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft“ (TTIP). Mit 800 Millionen Verbrauchern würde der weltgrößte Wirtschaftsraum entstehen. Erwartet werden unter anderem Wachstumsimpulse von 119 Milliarden Euro auf europäischer Seite und 95 Milliarden Euro auf amerikanischer Seite sowie die Schaffung von bis zu 400.000 neuen Arbeitsplätzen in Europa.

TTIP bietet den transatlantischen Partnern EU und USA die – möglicherweise letzte – Chance, auch im 21. Jahrhundert globale Standards in vielen Bereichen zu setzen. Angesichts aufstrebender Mächte wie China, Indien, Russland oder die ASEAN-Staaten wird dies für die westlichen Demokratien zusehends schwieriger. Mit TTIP können die EU und die USA ihre – im weltweiten Vergleich weiterhin sehr hohen – Standards z.B. beim Umwelt-, Verbraucher- oder Arbeitnehmerschutz zum Maßstab für spätere internationale Abkommen oder für ein globales Freihandelsregime machen.

Gerade für Mittelständische Unternehmen ergibt sich durch TTIP eine Vielzahl von Vorteilen:
In Europa und den Vereinigten Staaten gibt es Millionen kleiner Hersteller und Erzeuger. Sie produzieren etwa 30 Prozent der Güterexporte beider Märkte. Daher können mittelständische Unternehmen besonders stark von der Beseitigung der Zölle profitieren, die mit der TTIP erreicht werden soll. In Wirtschaftszweigen, in denen die Zölle noch relativ hoch sind, bringt dies beträchtliche Vorteile mit sich. Auch wenn sie Recht haben, dass bereit ein Großteil der Zölle durch die WTO abgebaut wurde, so kann auf dem heutigen, durch Wettbewerb geprägten Weltmarkt, auch ein geringer Anstieg der Produktkosten infolge von Zöllen ausschlaggebend dafür sein, ob ein mittelständisches Unternehmen Geschäfte erfolgreich abschließen kann oder nicht. Nichttarifäre Hemmnisse, wie Industrienormen: Für kleinere Unternehmen auf beiden Seiten des Atlantiks können nichttarifäre Hemmnisse eine unverhältnismäßig hohe Belastung darstellen. Solche an den Grenzen angewandte Vorschriften oder hinter der Grenze auftretende Hemmnisse, beispielsweise unnötig aufwendige oder kostspielige Regelungen, können den Handel einschränken und Innovationen behindern. Die Einhaltung derartiger Auflagen kann schwierig und ressourcenintensiv sein. Dienstleistungen: Die Europäische Union und die Vereinigten Staaten sind die weltweit größten Exporteure von Dienstleistungen. Viele Dienstleister, wie z. B. Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer, Architekten, Ingenieure, IT Fachleute und Umweltberater, arbeiten in kleineren Unternehmen, die häufig in die Wertschöpfungskette größerer Firmen eingebunden sind. Diese kleineren Dienstleister würden von der verbesserten Rechtssicherheit und dem Zugang zu neuen Märkten profitieren. Öffentliches Beschaffungswesen: Mehr Transparenz und ein besserer Zugang zu den öffentlichen Beschaffungsmärkten würden kleinen Unternehmen ebenfalls zugutekommen. Ein erweiterter Marktzugang zum öffentlichen Beschaffungswesen im Rahmen der TTIP könnte zu neuen öffentlichen Aufträgen und Unteraufträgen für kleinere Betriebe führen. Dies ist insofern wichtig, als staatliche Stellen in den Vereinigten Staaten und der Europäischen Union eine Vielzahl von Waren und Dienstleistungen von Unternehmen der Privatwirtschaft beziehen. Damit werden Arbeitsplätze in Branchen gesichert, die Beratungsdienste, Infrastrukturen und sonstige Waren und Dienstleistungen anbieten.

Gleichzeitig ist für mich und ist für die CDU eine hohe Transparenz bei den Verhandlungen ein zentrales Anliegen. Wir führen zu TTIP einen breit angelegten Dialog mit Bürgerinnen und Bürgern, der EU-Kommission, der Bundesregierung, der Wirtschaft, Gewerkschaften, Forschungseinrichtungen sowie Nicht-Regierungsorganisationen durch, u.a. in Fachveranstaltungen, Anhörungen, bilateralen Gesprächen usw. Überdies hat sich im September 2014 eine Arbeitsgruppe der Fraktion zu TTIP konstituiert. Die Arbeitsgruppe wird die verschiedenen Themenbereiche von TTIP unter Einbeziehung von Vertretern der relevanten gesellschaftlichen Organisationen beraten. Im Ergebnis wird TTIP nur gelingen, wenn eine breite Öffentlichkeit das Abkommen unterstützt. Auch wenn TTIP viele Vorteile für die mittelständische Wirtschaft enthält, so ist eine Zustimmung immer vom verhandelten Ergebnis abhängig. Es gibt keine Zustimmung um jeden Preis!
Auch bei mir gibt es noch eine Reihe von offenen Fragen, ich plädiere jedoch dafür ohne „Alarmismus“, sachlich, fair und kritisch-konstruktiv zu verhandeln.

Für mich wichtige Punkte sind hier:
1. Eine verbesserte Transparenz: Auch wenn schon mehr getan wird, als in allen anderen Verhandlungen von Freihandelsabkommen, muss die Zivilgesellschaft noch besser informiert werden. Es ist für uns als EU-Mitgliedstaaten nicht hinzunehmen, dass wir die Verhandlungsdokumente der USA immer noch nicht übermittelt bekommen.

2. Eine Veröffentlichung des Mandats: Die Bundesregierung setzt hierfür ein. Andere Mitgliedstaaten sehen das teilweise anders. Aber mittlerweile sind auch Großbritannien, Dänemark und die Tschechische Republik dafür. Der Widerstand gegen eine Veröffentlichung bröckelt also.

3. Aufgreifen „positiver“ Verbraucherthemen: Es muss klar werden, welche konkreten Vorteile moderne Freihandelsabkommen wie TTIP oder auch CETA den Bürgern bringen, nicht nur in wirtschaftlicher, sondern auch in anderer Hinsicht, etwa mit Blick auf den Verbraucherschutz.

4. Der Investorenschutz: Nach Auffassung der Bundesregierung sind solche Klauseln und Investorenschutz und Investor-Staat-Schiedsverfahren in Abkommen zwischen entwickelten Rechtsstaaten, insbesondere OECD-Staaten, aufgrund der bestehenden Rechtschutzmöglichkeiten nicht zwingend erforderlich.

Ein möglicher Kompromiss wäre mittel- bis langfristig die Gründung eines internationalen Handelsgerichtshofs, der öffentlich tagt und mit staatlichen Richtern besetzt ist. Hierdurch wäre eine demokratische Kontrolle durch Medien und kritische Öffentlichkeit sichergestellt.

Mit freundlichen Grüßen

Marcus Weinberg, MdB