Frage an Maria Klein-Schmeink bezüglich Gesundheit

Maria Klein-Schmeink
Maria Klein-Schmeink
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Florian F. •

Frage an Maria Klein-Schmeink von Florian F. bezüglich Gesundheit

Sehr geehrte Damen und Herren,
als leitender Mitarbeiter im Bereich der ambulanten Pflege möchte ich ihnen folgende Fragen stellen.

Wie werden die Rahmenbedingungen für Pflege nach Ihren politischen Zielen in 5 Jahren aussehen?
Wie hoch schätzen sie den Overhead ein welcher im Bereich der ambulanten Pflege aktuell notwendig ist um die gesetzlichen Voraussetzungen zu erfüllen?
Wie sehen Sie die Entwicklung in der Pflegebranche und wie sehen sie im Vergleich die Entwicklung im Bereich der ambulanten Pflege?
Wie sehen sie den Aspekt dass Patienten welche einen höheren Pflegebedarf haben als ihre Pflegestufe vorsieht, für eine Höherstufung der Zeitwert jedoch nicht ausreicht, Rechnungen aus ihrer privaten Kasse begleichen müssen und tlw. Hierdurch Abhängig von der Sozialhilfe werden?
Welche Verbesserungen möchten sie in den Bereich der ambulanten Pflege einbringen?
Vielen Dank für ihre Antwort.

Maria Klein-Schmeink
Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Franke,

herzlichen Dank für Ihr großes Interesse und Ihre vielen Fragen zum Thema Pflegepolitik. Gerne antworte ich Ihnen darauf etwas ausführlicher. Zu Ihren Fragen im Einzelnen:

Wie werden die Rahmenbedingungen für Pflege nach Ihren politischen Zielen in 5 Jahren aussehen?

Sollten wir bei der nächsten Bundestagswahl in eine Regierungsverantwortung kommen, sehen wir in nachfolgenden Ansätzen u.a. eine wichtige Grundlage für den Aufbau einer zukunftsfähigen Pflege, die sich in erster Linie am Menschen orientiert.

Ein neuer Pflegebegriff
Das SGB XI definiert pflegebedürftige Menschen als solche, bei denen körperliche Einbußen und Defizite zu Einschränkungen in der Alltagsbewältigung führen. Das benachteiligt alle, die an psychischen Erkrankungen oder geistigen Behinderungen leiden. Auch das geltende Begutachtungsverfahren des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK) hat Mängel: Die Einteilung der Pflegebedürftigen in drei Stufen ist zu grob. Fähigkeiten und Potenziale der Betroffenen, etwa im sozialen Umfeld oder zur Prävention, werden so nicht berücksichtigt. Auch die Messung des Pflegebedarfs über Zeitwerte spiegelt den wirklichen Bedarf nicht wider. So werden häufig unnötige Leistungen gewährt. Dabei gibt es pflegewissenschaftliche Verfahren (Assessments) in der Erprobung, mit denen der individuelle Bedarf gemessen werden kann. Sie erfassen nicht nur Defizite, sondern auch Fähigkeiten und Bedürfnisse der Pflegebedürftigen. Da die Verfahren weiter optimiert werden müssen, finden sie bislang noch keine Anwendung. Ein differenziertes Verfahren scheint sich mit dem groben Drei-Stufen-System nicht zu vertragen. Deshalb steht mit einer Reform des Begutachtungswesens auch ein neues Leistungssystem zur Diskussion. Ein alternatives Modell sollte entweder mehr als drei Stufen umfassen oder stufenlos funktionieren, z.B. über ein Punktesystem.

Wir setzen uns dafür ein, den Begriff der Pflegebedürftigkeit so zu überarbeiten, dass er auch Betroffenen mit psychischen und kognitiven Defiziten oder geistigen Behinderungen Unterstützung gewährt. Dabei müssen Pflegeversicherung und die leistungsrechtliche Sicherung für Menschen mit Behinderung klarer als bisher voneinander abgegrenzt werden. Die Zuständigkeit der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderung sollte Vorrang haben. Als wichtiger Akteur sollten die Träger der Sozialhilfe in die Neudefinition des Pflegebegriffs einbezogen werden. Der Beirat zur Reform des Pflegebedürftigkeitsbegriffs hat bereits im Jahr 2009 einen sehr konkreten Bereicht vorgelegt, der endlich zu operationalisieren und in das Leistungsrecht zu integrieren ist.

Case-Management: Professionelle Begleitung und Beratung fördern
Das Pflege- und Gesundheitssystem ist für Pflegebedürftige kaum durchschaubar. Die Leistungsvorgaben sind zu eng, die Angebote zu unflexibel. Die Abstimmung zwischen Kostenträgern und Leistungserbringern ist mangelhaft. All das behindert eine bedarfsgerechte Pflege. Wir wollen deshalb ein Einzelfall-Management (Case-Management) für alle Pflegebedürftigen einführen. Case-Manager/innen sollen als begleitende und beratende Instanz die Versorgung der Pflegebedürftigen verbessern und ihnen mit Rat und Tat zur Seite stehen. Sie wählen in enger Rücksprache mit den Betroffenen die notwendigen Hilfen aus, bündeln und koordinieren sie. Wir wollen das Case-Management zu einem flächendeckenden Regelangebot der Pflegeversicherung ausbauen. Das teilweise bereits existierende Aus- und Weiterbildungsangebot für Case-Management muss verstetigt werden, damit sie qualitätsgesichert arbeiten können. Die Grundlage hierfür sollten die Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Care- und Case-Management und Qualitätsstandards bilden, die derzeit erarbeitet werden.

Persönliches Pflegebudget: Selbstbestimmung stärken
Pflegebedürftige brauchen mehr Souveränität und Gestaltungsmacht. Das heutige System gesteht ihnen das nicht ausreichend zu. Um ihre Rolle zu stärken, wollen wir das Modell des Persönlichen Pflegebudgets weiterentwickeln. Mit dem Budget könnten die Pflegebedürftigen und ihre Angehörigen individuell notwendige und für sie sinnvolle Leistungen erwerben – jenseits der starren Leistungsvorgaben der Pflegeversicherung.

Perspektivisch sollte das Persönliche Budget als regelhafte Wahlleistung der Pflegeversicherung verankert werden. Mit dem Pflegebudget steigt die Eigenverantwortlichkeit der Betroffenen. Deshalb ist diese Leistung durch ein professionelles Case-Management zu flankieren. Das Budget sollte – als vierte Leistung, neben den Geld-, Sach- und Kombileistungen – den Sachleistungsbeträgen gleichgestellt werden.

Wohnformen: Alternative Modelle unterstützen
Das Bedürfnis nach Individualität und Selbstbestimmung endet nicht an einer bestimmten Altersgrenze, sondern muss lebenslang erfüllt werden. Wir treten daher für Wohn-, Pflege- und Hilfeangebote ein, die diesen Bedürfnissen gerecht werden und allen Menschen, egal wie alt und wie hilfebedürftig sie sein mögen, Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglichen. Alte Menschen wollen auch noch als Pflegebedürftige und Hochbetagte selbstbestimmt über ihr Leben entscheiden und häufig so lange wie möglich in der eigenen Wohnung, in nachbarschaftlich oder gemeinschaftlich organisierten Wohnformen oder in Pflege-Wohngemeinschaften leben. Eine menschennahe Pflege und ambulante und stationäre Angebote von hoher Qualität sind die Voraussetzung dafür.

Stationäre Pflege: Strukturen am Menschen orientieren
Auch in Zukunft werden Menschen auf stationäre Pflege angewiesen sein. Die Versorgung im Pflegeheim folgt oft dem organisatorischen Ablauf der Einrichtung, die individuellen Bedürfnisse und Gewohnheiten der Bewohnerinnen und Bewohner treten dabei in den Hintergrund. Das schränkt persönliche Freiheits-, Selbst- und Mitbestimmungsrechte ein.

Stationäre Pflegeeinrichtungen müssen ihre Organisationsstruktur stärker an den individuellen Bedürfnissen ihrer Bewohnerinnen und Bewohner ausrichten. Hierzu gehören nicht nur die Einführung spezifischer Pflegekonzepte und eine ausreichende Personaldecke, sondern auch flexiblere institutionelle Abläufe und Arbeitszeitmodelle. Die „Ambulantisierung der Heime“ sollte weiter vorangetrieben werden. So könnten beispielsweise auch Leistungen ambulanter Pflegedienste im Heim erbracht werden. Entsprechende rechtliche Hürden sollten abgebaut werden.

Ambulante Pflege: Finanziell besser stellen
Die überkommene Trennung der beiden Pflegesektoren wird durch ihre unterschiedliche Vergütung zementiert. Solange die stationäre Pflege finanziell besser gestellt ist, bleiben alternative Wohn- und Versorgungsformen und die ambulante Pflege in ihrer Weiterentwicklung gehemmt. Wir plädieren für die Angleichung der ambulanten und stationären Leistungssätze. Das würde notwendige Impulse gegenüber den Pflegekassen, Sozialhilfeträgern und Leistungserbringern setzen, die Versorgung stärker ambulant auszurichten. Eine verbesserte ambulante Pflegeinfrastruktur würde dazu führen, dass mehr Menschen der Pflegestufe I und II, die heute stationär gepflegt werden, zukünftig länger zu Hause oder in alternativen Wohnformen versorgt werden können. Eine Absenkung in den Pflegestufen I und II der stationären Leistungssätze halten wir deshalb für vertretbar. Dem muss allerdings eine Anhebung der ambulanten Sätze gegenüber stehen. Diese Neujustierung ist nur denkbar, wenn gleichzeitig unsere Vorschläge zur Strukturreform realisiert werden. Wir wollen außerdem neue Leistungsbestandteile in die Pflegeversicherung aufnehmen. Mit unseren Vorschlägen zur Finanzierungsreform plädieren wir für eine maßvolle Ausweitung des Mittelvolumens der Pflegeversicherung sowie eine regelmäßige Anpassung (Dynamisierung) der Leistungen an die Preisentwicklung. All dies schafft für die Leistungserbringer neue Betätigungsfelder.

Personal in der Pflege: Qualifizieren und motivieren
Professionelle Pflege verlangt hohe fachliche und soziale Kompetenz. Fähigkeiten, die sich die Pflegeberufe seit ihrer Akademisierung auch wissenschaftlich fundiert aneignen. Trotzdem kommt den Pflegeberufen nicht die verdiente Anerkennung zu. Schon heute arbeiten viele Pflegekräfte an ihrer Belastungsgrenze und über ihre bezahlte Arbeitszeit hinaus, um die Pflege menschenwürdiger zu gestalten. Dass das notwendig wird, liegt u. a. an einengenden gesetzlichen Rahmenbedingungen, überflüssigen Bürokratiestrukturen, unzureichendem berufspolitischem Einfluss und der Dominanz anderer Berufsgruppen. Der Pflegesektor wird sich angesichts der demografischen Entwicklung zu einem stark wachsenden Dienstleistungsbereich entwickeln. Voraussetzung dafür sind allerdings Rahmenbedingungen, die eine derartige Entwicklung auch ermöglichen: Das Berufsfeld Pflege muss als wissenschaftlich fundierte Querschnittsdisziplin und als sozial-rechtlich eigenständiger Leistungserbringer anerkannt werden. Pflegerische Handlungsfelder müssen ausgeweitet werden, bspw. im Bereich der Beratung und Schulung, der Steuerung von Versorgungsprozessen, der Übernahme von Aufgaben der Gesundheitsförderung oder auch ärztlicher Aufgaben. Diese Ausweitung ist an anerkannte Qualifizierungsnachweise zu binden. Für Langzeitarbeitslose, die für den Bereich haushaltsnaher Dienstleistungen im Pflegesektor geeignet und motiviert sind, bieten sich neue Beschäftigungsfelder. Sie sollten durch Qualifikation im Bereich der Haushaltsassistenz dauerhaft in sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsver-hältnisse gebracht werden können. Die Vermittlung der in diesem Bereich Tätigen muss auf regionaler Ebene und durch Mitwirken der kommunalen Stellen erfolgen.

Pflegende Angehörige: Wirksam entlasten
Die Pflege von Angehörigen ist extrem belastend. Pflegende fühlen sich oft isoliert, ihre körperliche und psychische Gesundheit leidet. Zwei Drittel der pflegenden Angehörigen sind Frauen. Sie nehmen für diese Arbeit entweder berufliche Nachteile in Kauf, schränken ihre Berufstätigkeit ein oder geben diese völlig auf.

Ambulante Dienstleistungsangebote sind oft zu unflexibel und entlasten pflegende Angehörige kaum. Verbessert sich hier nichts, wird sich der Trend zur Beschäftigung illegaler Pflegekräfte verstärken. Wir brauchen in Deutschland dringend effektive Möglichkeiten zur Vereinbarkeit von Pflege und Beruf, z.B. über Freistellungsregelungen oder Ansparkonten, wie es unsere europäischen Nachbarn bereits vormachen.
Wir wollen für Frauen und Männer die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf verbessern. Das von Rot-Grün geschaffene Teilzeitgesetz ermöglicht eine zeitlich begrenzte Unterbrechung der Erwerbsarbeit. Dies gilt es weiter zu vereinfachen und bekannter zu machen. Angehörige benötigen vor allem mehr Zeit für die Organisation und Koordination von Pflege. Daher plädieren wir für einen Rechtsanspruch auf eine Pflegezeit als vorübergehende unbezahlte Freistellung. Beim Teilzeitanspruch wie bei der Pflegezeit müssen Rückkehrrecht und Kündigungsschutz garantiert sein.
Wir brauchen aber vor allem ein Umdenken bei der Lebensarbeitszeit. Notwendig sind eine flexible Arbeitszeitpolitik, Arbeitszeitkonten, die Auszeiten für Weiterbildung und Qualifizierung oder Familienarbeit, wie Kindererziehung oder die Pflege von Angehörigen, ermöglichen.

Um pflegende Angehörige zu entlasten und die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf zu ermöglichen, muss dringend das Angebot an Tagespflegeeinrichtungen ausgebaut werden. Ambulante, teilstationäre und stationäre Pflegeleistungen müssen flexibler an die individuellen Bedarfslagen des Pflegehaushaltes angepasst werden. Ergänzend zur familiären und professionellen Pflege sollten verstärkt Freiwillige für haushaltsnahe und sozialpflegerische Tätigkeiten akquiriert und qualifiziert werden.

Infrastrukturen: Akteure vernetzen
Die Pflegeinfrastruktur in Deutschland ist durch ein unkoordiniertes Nebeneinander gekennzeichnet. Es gibt kein konsequentes regionalspezifisches Versorgungs- oder Care-Management, das Akteure und Versorgungsbereiche vernetzt. Mit einem Care-Management kann eine regionalspezifische medizinische, pflegerische und soziale Infrastruktur entwickelt werden, die sich an den Bedarfslagen der Bürgerinnen und Bürger orientiert.

Wir fordern konsequente Care-Management-Strukturen. Regelmäßige Pflegekonferenzen müssen alle relevanten Akteure, auch Selbsthilfegruppen, Angehörige und bürgerschaftlich Engagierte, an einen Tisch holen, um unter Moderation der Kommunen notwendige Strukturen zu vereinbaren, Aufgaben zu verteilen und Prozesse zu leiten. Hemmnisse einer sektorenübergreifenden Versorgung, wie Schnittstellenprobleme zwischen Pflege- und Krankenversicherung oder der Eingliederungshilfe, müssen abgebaut werden.

Prävention vor Rehabilitation vor Pflege: Anreize schaffen
Der Grundsatz „Prävention vor Rehabilitation vor Pflege“ spielt in der Pflege faktisch eine untergeordnete Rolle. Das liegt vor allem an falschen Anreizstrukturen. Für Kostenträger und Leistungserbringer lohnen sich unter den derzeitigen Rahmenbedingungen präventive und rehabilitative Maßnahmen nicht. Dabei könnte durch Prävention und Rehabilitation die Zahl Pflegebedürftiger deutlich nach unten korrigiert werden. Diese Leistungen sollen vor allem ermöglichen, dass sich Pflegebedürftige länger selbst versorgen können. Eine so gestärkte Selbstbestimmung schafft mehr Lebensqualität und gesellschaftliche Teilhabe. Insofern ist die die geplante Festschreibung der geriatrischen Rehabilitation als Pflichtleistung ein richtiger Schritt. Die Pflegeversicherung muss beim geplanten Präventionsgesetz berücksichtigt werden.
Prävention kann nur greifen, wenn sie im Kontext der Biographie und Lebenssituation einer Person entwickelt wird. Dieser Ansatz muss verstärkt auch im Bereich der Bildung, der betrieblichen Gesundheitsförderung, wie auch der Teilhabe und Versorgung entwickelt und angewendet werden. Präventive Potenziale müssen bei der Begutachtung zur Einstufung aufgeführt und kontrolliert genutzt werden, insbesondere bei Betroffenen der Pflegestufen 0 und I. Für die Rehabilitation im Alter muss in den Ausbau der geriatrischen Infrastruktur (z.B. geriatrische Institutsambulanzen, mobile, geriatrische Rehabilitationsteams) investiert werden. Die geriatrische Rehabilitation muss auch die psychischen und sozialen Ressourcen der Betroffenen erhalten und stärken. Sie darf nicht auf die Förderung und Rückgewinnung körperlicher Fähigkeiten begrenzt bleiben.

Bürokratie: Transparenz, Qualitätssicherung und Wettbewerb fördern
Es gibt bürokratische Hemmnisse oder Doppelstrukturen in der pflegerischen Arbeit, etwa bei der Pflegedokumentation, im Heimrecht oder bei den Qualitätskontrollen. Die Wahrung der Rechtssicherheit für Pflegebedürftige, Beschäftigte und Einrichtungen sowie Qualitätsprüfungen sind allerdings nicht ohne bürokratischen Aufwand möglich. Das gilt zum Beispiel auch für die Mitwirkung von Heimbewohnern in den Heimbeiräten als Element des Verbraucherschutzes. Ein weiteres Problem ist die wenig transparente und kaum vergleichbare Preisgestaltung stationärer Pflegeeinrichtungen. Die teils erheblichen Preisunterschiede sind nicht immer nachvollziehbar und bedeuten nicht zwingend bessere oder schlechtere Qualität. Im Bereich der Qualitätssicherung wird die Ergebnisqualität zu wenig kontrolliert.

Es muss mehr Zeit für die direkte Pflege bleiben. Daher ist zu prüfen, die Pflegedokumentation einer im Pflegeteam agierenden speziellen Fachkraft zu übertragen. Künftig sollte der MDK die Prozess- und Ergebnisqualität, die Heimaufsicht die Strukturqualität prüfen. Jede Einrichtung sollte aber auch eigeninitiativ prüfen, wo sie durch effizientere Organisation Bürokratie abbauen kann.

Wir plädieren für ein unabhängiges Institut für Qualität in der Pflege. Dieses Institut sollte unter Beteiligung aller relevanten Professionen Qualitätsstandards formulieren und Impulse für die Weiterentwicklung der Qualitätsdiskussion setzen. Bei allem Verständnis für die Überprüfung der Versorgungs- und Betreuungsqualität, darf diese jedoch nicht zu Lasten der subjektiv empfundenen und der für einen Lebensort, wie es das Pflegeheim für viele Menschen ist gehen. Ein Übermaß an Standardisierung und Normierung, kann die Möglichkeiten einer lebensweltlichen Umgebung erheblich stören.

Finanzierung: Solidarität und soziale Gerechtigkeit stärken
Unser Ziel ist die nachhaltige Finanzierung der Pflegeversicherung. Wir stellen fest, dass das Solidarsystem mit einkommensabhängigen Beiträgen in der Bevölkerung nach wie vor breite Zustimmung erfährt. Die Trennung zwischen Sozialer und Privater Pflegeversicherung ist unsolidarisch und fachlich nicht zu begründen. Die Pflege-Bürgerversicherung ist deshalb unabdingbar. Alle Bürgerinnen und Bürger sollen gemäß ihrer Leistungsfähigkeit in die Versicherung einzahlen. Alle Einkommensarten werden zur Beitragsbemessung herangezogen. Die seit 1995 konstanten, gedeckelten Leistungssätze der Pflegeversicherung müssen jährlich angepasst (dynamisiert) werden. Das ist langfristig die weitaus teuerste aller Leistungsverbesserungen.

Wie hoch schätzen sie den Overhead ein welcher im Bereich der ambulanten Pflege aktuell notwendig ist um die gesetzlichen Voraussetzungen zu erfüllen?

Wenn Politik ambulant vor stationär wirklich ernst meint, dann muss sie mehr Geld in den Aufbau ambulanter Strukturen stecken. Die Dänen haben uns gelehrt, dass man den weiteren Bau von Pflegeheimen stoppen kann, wenn es politisch gewollt ist. Dort hat man konsequent in die ambulante Pflege investiert und konnte dadurch die höheren Heimkosten sparen. Derzeit aber sind die Anreize in Deutschland so ausgerichtet, dass es für Leistungserbringer noch immer ein deutlich gewinnbringenderes „Geschäft“ ist in stationäre Pflege zu investieren. Das halten wir für sehr bedenklich. Wir wollen ambulant vor stationär tatsächlich endlich Realität werden lassen. Dazu aber braucht es auch eine dementsprechende Infrastruktur, in der nicht nur Pflegedienste vorkommen, sondern vielfältige, bezahlbare und auch niedrigschwellige Angebote, in dem unterschiedliche Professionen die an der Versorgung beteiligt sind besser kooperieren und auch bürgerschaftliches Engagement aktiviert wird. Zudem halten wir es für erforderlich, Case-Manager einzusetzen, die dafür Sorge tragen, dass ambulante Versorgungsstrukturen auch nachhaltig stabilisiert und gefestigt werden. Die exakten Kosten dafür können wir derzeit nicht benennen, weil der Bedarf an einer solchen Versorgungsstruktur, je nach Region und Wohnort sehr verschieden ausfällt. Hierzu bräuchte man Datengrundlagen, auf denen man eine verlässliche Bedarfplanung vornehmen kann.

Wie sehen Sie die Entwicklung in der Pflegebranche und wie sehen sie im Vergleich die Entwicklung im Bereich der ambulanten Pflege?

Unser Bekenntnis zur ambulanten Pflege haben wir versucht deutlich zu machen. Dementsprechend sehen wir den ambulanten Pflegebereich als Wachstumsbereich.
Was allerdings von anderen Fraktionen diesbezüglich verfolgt wird, können wir im Detail nicht erläutern.

Wie sehen sie den Aspekt dass Patienten welche einen höheren Pflegebedarf haben als ihre Pflegestufe vorsieht, für eine Höherstufung der Zeitwert jedoch nicht ausreicht, Rechnungen aus ihrer privaten Kasse begleichen müssen und tlw. Hierdurch Abhängig von der Sozialhilfe werden?

Die Begutachtungsrichtlinien des MdK sollten den Grundversorgungsbedarf des Pflegebedürftigen erfassen. Da die Pflegeversicherung ein Teilkaskosystem ist, wird auch niemals der gesamte Bedarf der Person hierdurch erhoben. Ein solches System wäre sicher wünschenswert aber auch mit Blick auf die weiter steigende zahl pflegebedürftiger Menschen kaum bezahlbar. Die Einführung des SGB XI sollte eigentlich ursprünglich die Abhängigkeit von Sozialhilfe, die vor Einführung der Pflegeversicherung eher der Regelfall als die Ausnahme war abwenden. Paradoxerweise haben wir heute wieder eine hohe Abhängigkeit von Sozialhilfe, die in den kommenden Jahren bei steigender Altersarmut, wohl auch leider nicht abnehmen wird. Wir als Grüne, sehen den dringenden Bedarf die Pflegeversicherung mit mehr und besseren Leistungen auszustatten. Das wollen wir mit unserem Konzept der Grünen Pflege-Bürgerversicherung (siehe oben) erreichen. Auch wenn dann die Pflegeversicherung nicht zur Vollversicherung wird, können doch die von uns vorgeschlagenen, inhaltlichen Veränderungen der Versorgungsstrukturen und leistungsinhalte in Kombination mit der solidarischen Bürgerversicherung, diese Diskrepanz mindern.

Welche Verbesserungen möchten sie in den Bereich der ambulanten Pflege einbringen?

Dies können Sie den Ausführungen zu Ihrer ersten Frage entnehmen.

Mit freundlichen Grüßen,
Maria Klein-Schmeink

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