Frage an Maria Klein-Schmeink bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Maria Klein-Schmeink
Maria Klein-Schmeink
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Alf H. •

Frage an Maria Klein-Schmeink von Alf H. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Klein-Schmeink!
Die Wahlperiode des gegenwärtigen Deutschen Bundestages hat die Halbzeit überschritten, damit auch die Große Koalition. Es gibt nun zweieinhalb Jahre parlamentarische Erfahrung mit der Situation einer unter die 20%-Marke verkleinerten Opposition. Diese Tatsache bringt Fragen mit sich. Ich denke v.a. an das Recht auf Anstrengung einer Normenkontrollklage vor dem Bundesverfassungsgericht, das Recht auf Durchsetzung eines Parlamentarischen Untersuchungsausschusses, die Regelung der Redezeiten im Parlament, die Besetzung der Parlamentarischen Ausschüsse (in bestimmten Fällen) sowie die finanzielle Ausstattung der Fraktionen, wobei die grundsätzliche Notwendigkeit einer Kompensation der strukturellen Überlegenheit der Regierungspartei(en) durch die Oppositionszuschläge anerkannt ist.
Beispiel: Die Redezeiten der Fraktionen in den Debatten entsprechen ihrer quantitativen Stärke. Mir ist bekannt, dass es eine Vereinbarung aus dem Beginn dieser Legislaturperiode gibt, wonach die Oppositionsparteien eine um wenige Minuten erhöhte Redezeit erhalten. Da es keine „Koaliti-on in der Opposition“ gibt, müssen auch konträre oppositionelle Positionen vertreten und dargelegt werden können.
Meine Fragen an Sie sind:
1. Sind Sie der Auffassung, dass in der laufenden Legislaturperiode genug getan wurde, um die Rechte der Opposition zu sichern und zu wahren?
2. Welche weiteren und angemessenen Möglichkeiten sehen Sie, um die verfassungsgemäße Rolle der Opposition zu stärken?
3. Welche Möglichkeiten sehen Sie, das prinzipielle Recht der Opposition aus Art. 93 GG (Nor-menkontrollklage) zu sichern?
Diese Anfrage ist parteiübergreifend formuliert; dies entspricht nicht nur meiner parteipolitischen Präferenzoffenheit, sondern ist auch der Tatsache geschuldet, dass ich sie an alle vier Angeordneten meines Wahlkreises stelle.
Mit freundlichen Grüßen
Alf Hammelrath

Maria Klein-Schmeink
Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Hammelrath,

unsere Beharrlichkeit hat sich bei den Minderheitenrechten ausgezahlt. Nach zähen Verhandlungen haben sich Union und SPD bewegt, so dass sich Bündnis 90/Die Grünen und die große Koalition auf eine Änderung der Geschäftsordnung zur Sicherung der Minderheitenrechte einigen konnten. Wir schafften es, einen umfassenden Katalog von Minderheitenrechten für diese Legislaturperiode und damit die Arbeitsfähigkeit des Parlamentes zu sichern - trotz der schwierigen Mehrheitsverhältnisse. Besonders wichtig war uns, dass von der jetzt durch die Geschäftsordnung zugesicherten Minderheitenrechten nicht mehr mit der Zwei-Drittel-Mehrheit der Großen Koalition abgewichen werden kann.

Demokratie braucht Opposition. Ihre Aufgabe ist es, die Regierung zu kontrollieren, zu hinterfragen und Alternativen aufzuzeigen. Diesem Zweck dienen die Minderheitenrechte der parlamentarischen Opposition – von der Einberufung des Bundestages zu einer Sitzung über das Verlangen einer öffentlichen Anhörung bis zur Einsetzung eines Untersuchungsausschusses. Angesichts der derzeitigen Sondersituation im Bundestag, wo die Opposition über lediglich 20 Prozent der Sitze verfügt, war eine Anpassung der für die Wahrnehmung dieser Rechte vorgesehenen Quoren an die beiden Oppositionsfraktionen notwendig. Dabei ging es nicht um eine Korrektur des Wahlergebnisses, sondern um die Ermöglichung einer effektiven Oppositionsarbeit und die Gewährleistung einer lebendigen parlamentarischen Demokratie.

Es hat sich gelohnt, dass wir uns beharrlich für diese grundlegenden Oppositionsrechte eingesetzt haben. Nachdem die Koalition eingangs verkündete, der Bundestag werde sich per selbstverpflichtendem Beschlusses zur Wahrung der Minderheitenrechte bekennen, konnten wir die verbindliche Festschreibung eines umfassenden Katalogs von Oppositionsrechten in der Geschäftsordnung durchsetzen. Durch ein Abweichungsverbot für die Koalition ist sichergestellt, dass die Oppositionsarbeit nicht vom Wohlwollen der Mehrheit im Einzelfall abhängt. Unsere Rechte im Bereich der Untersuchungsausschüsse können wir auch dann wirksam durchsetzen, wenn sie der Regierungsmehrheit unbequem werden. Wie wichtig diese Position für die parlamentarische Minderheit ist, hat sich u.a. bei der Einsetzung des Untersuchungsausschusses zum Überwachungsskandal gezeigt, der ohne unseren Druck nicht zustande gekommen wäre. Die grundsätzliche Frage, wie wir für künftige außergewöhnliche Mehrheitsverhältnisse die Oppositionsrechte besser verankern können, beschäftigt uns weiter. U.a. haben wir die Absenkung des Quorums für die abstrakte Normenkontrolle gefordert (diese ist in unserem gemeinsam mit der Linken eingebrachten Gesetzentwurf enthalten). Die Koalition hat dies jedoch strikt abgelehnt. Aus unserer Sicht hätte es gerade einer so großen Koalition gut zu Gesicht gestanden, sich einer Prüfung der Verfassungsmäßigkeit ihrer Gesetze nicht zu verweigern und auch das Quorum für die verfassungsrechtliche Normenkontrolle entsprechend anzupassen. Eine Absenkung des Quorums für die Normenkontrolle in der Verfassung sowie die grundsätzliche Verankerung der Oppositionsrechte im Grundgesetz sind nach der erfolgreichen Verankerung der Oppositionsrechte für diese Legislaturperiode Punkte, die wir weiter für sinnvoll halten. Eine Verfassungsänderung wollen wir angesichts mehrerer denkbarer Wege aber ausführlich prüfen und mit Expertinnen und Experten beraten. Ein Schnellschuss auf diesem Gebiet verbietet sich. Wir haben uns der Klage der Fraktion Die Linke vor dem Verfassungsgericht nicht angeschlossen.

Freundliche Grüße
Maria Klein-Schmeink

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Bündnis 90/Die Grünen