Frage an Maria Klein-Schmeink bezüglich Gesundheit

Maria Klein-Schmeink
Maria Klein-Schmeink
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Wilfried M. •

Frage an Maria Klein-Schmeink von Wilfried M. bezüglich Gesundheit

Sehr geehrte Frau Klein-Schmeink,
Ihr Genosse Dr. von Notz warb dafür, daß ich mich mit Ihrer am 28. Januar gehaltenen Rede befassen solle (1). Leider kann ich dieser nicht entnehmen, wie Sie konkret gegen "Tendenzvorgaben seitens der Justiz oder eine wirtschaftliche Abhängigkeit der Gutachter von Justizaufträgen" sowie gegen die Folgen denkbarer Charaktermängel von "Psycho-Experte" vorgehen wollen.
Bitte äußern Sie sich hier.
Stellen die bundesweit existierenden Gutachten-Firmen (personell vor allem mit Dipl. Psychologen, auch Psychiatern, ausgestattet), deren Existenz praktisch vollständig von Gutachtensaufträgen abhängig ist, ein schwerwiegendes strukturelles Problem dar? Irre ich mich in der Annahme, daß die dort tätigen "Sachverständigen" praktisch weder Routine bei der state-of-the-art-Behandung von Patienten haben noch eine wirtschaftliche Basis, von der aus sie evtl. Avancen von Juristen souverän begegnen könnten?
Dr. von Notz denkt bezüglich denkbarer Charaktermängel von Psycho-Experten über "rechtsstaatliche Entscheidungs- und Prüfprozesse" nach, ohne Genaueres zu ventilieren(1).
Für Sie ist offenbar noch "FRAGLICH, ob nichtapprobierte Rechtspsychologen für die notwendige Begutachtung ausreichend Fachkenntnis haben." Sodann zitieren Sie einen allgemeinen Vorschlag der Bundespsychotherapeutenkammer (ohne den konkreten Autor zu nennen).
Was genau hindert Sie daran, sich zur Klärung solcher zuallererst humanwissenschaftlichen (und strittigen) Fragen (und zur politischen Meinungsbildung) an alle Hochschullehrer von Psychiatrie (und Psychologie) der Bundesrepublik zu wenden, wo die Letztverantwortung einer Behandlung in forensischen Kliniken doch bei Ärzten liegt/ liegen muß?
Mit freundlichen Grüßen
Dipl.med. W. Meißner
-Sachverständiger-
Anti-Korruption . Reformation 2014 e.V.
1) http://www.abgeordnetenwatch.de/dr_konstantin_von_notz-778-78548--f452631.html#q452631
2) http://www.klein-schmeink.de/aktuelles/meldung/unterbringung-in-der-psychatrie.html

Maria Klein-Schmeink
Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Meißner,

vielen Dank für Ihre Frage zur Unterbringung in psychiatrischen Krankenhäusern im Sinne des Maßregelvollzugs, die ich im Folgenden beantworten werde.
Sie beziehen sich insbesondere auf das Gutachterwesen. Dies ist auch für uns als grüne Fraktion im Bundestag ein ganz besonders wichtiger Punkt, wenn es um die Novellierung des Rechts der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 des Strafgesetzbuches geht. Es ist dringend notwendig, präzise Anforderungen an die Qualifikation und Unabhängigkeit von Gutachterinnen und Gutachtern sowie an Qualität, Inhalt und Intervalle von Begutachtungen zu stellen. Die Bundesregierung tut dies in ihrem Gesetzentwurf eindeutig nicht in genügendem Maße (- es heißt hier lediglich: „Mit der Begutachtung sollen nur ärztliche oder psychologische Sachverständige beauftragt werden, die über forensisch-psychiatrische Sachkunde und Erfahrung verfügen.“ Dies lässt einen großen Interpretationsspielraum für den Begriff „ärztliche und psychologische Sachverständige“ zu.)
Wir fordern, die Kriterien für die Auswahl von Gutachtern und Gutachterinnen gesetzlich konkreter vorzugeben (Grundqualifikation, Mindest-Berufserfahrung und erforderliche Zusatzqualifikationen, einschließlich Sachkunde über die gemeindeorientierte soziale Psychiatrie mit ihren Strukturen zur sozialen Bewältigung von Gefährlichkeit). (Psychiatrische) Gutachten und Stellungnahmen müssen objektiv, neutral und unabhängig erstattet bzw. abgegeben werden und außerdem dem Grundsatz der Wissenschaftlichkeit (methodische Orientierung an anerkannten fachwissenschaftlichen Standards) und dem der Transparenz entsprechen – dies muss auch regelmäßig geprüft werden.
Sowohl aus Gründen der Verhältnismäßigkeit als auch zur Gewährleistung möglichst erfolgreicher Behandlungen darf der Maßregelvollzug jedoch nicht auf die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus beschränkt bleiben. Es muss sichergestellt sein, dass in jedem Fall weniger einschneidende, nicht freiheitsentziehende Maßnahmen geprüft und wenn möglich angeordnet werden. Dafür müssen geeignete ambulante Therapieangebote und Kontrolleinrichtungen, wie Forensische Ambulanzen und Einrichtungen der Gemeindepsychiatrie, dringend ausgebaut werden. Nur so kann eine verfassungsgemäße Abwägung zwischen Freiheitsentzug einerseits und Sicherheitsbedürfnis der Gesellschaft andererseits auch in die Realität umgesetzt werden.
Bei Überprüfungsfällen muss sich das Gutachten also auch mit der Frage auseinandersetzen, ob die bisherige Unterbringungs- und Versorgungsstruktur dem notwendigen Schutz der Allgemeinheit entsprach, sich als ungeeignet erwiesen hat oder unverhältnismäßig war.
Ich und meine FraktionskollegInnen werden in nächster Zeit zu eben diesem Thema im Bundestag einen Entschließungsantrag einbringen, der im Plenum diskutiert wird. Dieser wird unsere Forderungen und Verbesserungsvorschläge den Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Maßregelvollzug betreffend, noch einmal zusammenfassen und auf den Punkt bringen.

Mit freundlichen Grüßen
Maria Klein-Schmeink

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