Frage an Marie-Luise Dött bezüglich Wirtschaft

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Marie-Luise Dött
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Frage von Klaus S. •

Frage an Marie-Luise Dött von Klaus S. bezüglich Wirtschaft

Sehr geehrte Frau Dött,

wie stehen Sie zu der Absicht der Bundesregierung, beim Euro-Rettungsschirm für bis zu 168 Milliarden Euro zu bürgen?

Welche Auswirkungen erwarten Sie bei einer Einlösung der Zahlungspflicht für uns?

Stimmen Sie hier zu oder sorgen Sie mit Ihrer Stimme und Ihrem parlamentarischem Einsatz dafür, dass Schaden von unserem Land und unserer Demokratie abgewendet wird?

Mit freundlichen Grüßen
Klaus Stullich

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Stullich,

Sie schildern Ihre Besorgnis bezüglich der Verpflichtungen, die Deutschland im Rahmen des Europäischen Rettungsschirmes eingegangen ist. Ihre Sorge kann ich nachvollziehen.

Schon im März dieses Jahres war bei der Grundsatzentscheidung über einen dauerhaften „Euro-Stabilitätsmechanismus“ (EMS) ab 2013 klar, dass Griechenland auch 2013 seine Schulden in Höhe von dann rund 160 Prozent der Wirtschaftsleistung am Kapitalmarkt nicht wird refinanzieren können. Gleiches gilt für Portugal und Irland. Denn wozu bräuchte man einen solchen Stabilitätsmechanismus der europäischen Staaten, wenn diese Länder sich wieder bei privaten Geldgebern die notwendigen Mittel leihen könnten? Die Mathematik lügt nicht: Bei einem Schuldenstand von 160% der Wirtschaftsleistung müsste Griechenland selbst bei einem moderaten Zinssatz von fünf Prozent um acht Prozent jährlich wachsen, allein um die Zinsen zu erwirtschaften. Angesichts der mangelnden Wettbewerbsfähigkeit der griechischen Wirtschaft ist das eine Illusion. Also bleiben – zumindest kurzfristig - drei Alternativen: Eine Umschuldung, bei der die Gläubiger auf 30 – 50 Prozent ihrer Forderungen verzichten, oder weitere Transferzahlungen der europäischen Staaten und des Internationalen Währungsfonds oder eine Kombination von beidem.

Gegen eine Umschuldung spricht, dass dies nicht nur absehbar zur Pleite der meisten griechischen Banken führen würde, sondern auch zu einem hohen Verlust der Europäischen Zentralbank. Derzeit hält die EZB mit ca. 150 Milliarden an griechischen Staatsanleihen bereits knapp die Hälfte der gesamten griechischen Staatsschulden in Höhe von ca. 350 Mrd. Euro: Ca. 50 Milliarden hat sie seit Mai letzen Jahres am Markt aufgekauft, ca. 100 Milliarden griechische Staatsanleihen haben die griechischen Banken bei ihr als Sicherheit für reguläre Refinanzierungsgeschäfte hinterlegt. Zwar hat die EZB diese Anleihen nur mit Abschlägen angenommen, aber eine Umschuldung würde sie mindestens geschätzte 30 - 50 Milliarden Euro Kosten. 27 Prozent davon müsste die Bundesbank tragen.
Gegen eine Umschuldung spricht weiterhin, dass Griechenland möglicherweise seine Reformanstrengungen zu mehr Wettbewerbsfähigkeit nicht mehr energisch genug fortsetzen würde und bis auf Weiteres am Kapitalmarkt nicht mehr kreditwürdig wäre und dann erst recht auf Kredithilfen der europäischen Staaten und des IWF angewiesen wäre.

Für eine Umschuldung spricht, dass gemäß dem Haftungsprinzip diejenigen zur Verantwortung gezogen würden, die unvorsichtig oder in spekulativer Absicht die hochverzinslichen griechischen Anleihen erworben und bislang gut an diesen verdient haben, nun auch die Konsequenzen ihres Risikos zu tragen haben. Ebenfalls spricht hierfür, dass nur eine Erleichterung der Schuldenlast es den Griechen ermöglichen wird, eigenständig die Zinslasten zu tragen. Ebenfalls für einen Schuldenschnitt spricht, dass eine weitere Finanzierung durch Europa und den IWF dazu führt, dass ein immer größerer Teil der griechischen Staatsschulden bei den Steuerzahlern landet. Rechnet man die bislang von Europa seit Mai letzten Jahres an Griechenland ausgezahlten Hilfen zu den bei der EZB liegenden Anleihen hinzu, dann ist bereits jetzt der Punkt erreicht, wo mehr als die Hälfte der griechischen Staatsschulden bei den europäischen und internationalen Steuerzahlern liegen. Dies kann und darf so nicht weitergehen.

Was ist die Lösung? Entscheidend ist bei allen Überlegungen, dass Griechenlands Wirtschaft wettbewerbsfähiger wird. Eine Pleite des griechischen Bankensystems würde dies unmöglich machen, insofern ist eine harte Umschuldung keine realistische Option. Die nun beschlossenen Eckpunkte für den langfristigen Euro-Stabilitätsmechanismus (ESM) stellen grundsätzlich eine vernünftige Richtschnur für das weitere Vorgehen dar, das eine Kombination aus Umschuldung und weiteren Hilfen ist:

1.) Mit EU und IWF muss ein klares Strukturanpassungsprogramm vereinbart werden, das auf die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft und Haushaltskonsolidierung abzielt.
2.) Der Internationale Währungsfonds (IWF) muss an der Finanzierung beteiligt sein, da er bei der Konzeptionierung von strikten Strukturanpassungsprogrammen und ihrer Durchsetzung unverzichtbar ist und verhindert, dass es zu „politischen Verwässerungen“ der Auflagen kommt.
3.) Die Schuldenlast muss für das jeweilige Land tragbar sein. Dies bedeutet, dass es in einer Situation, in der die Schulden- und Zinslast nicht tragbar ist, eine wie auch immer geartete Umschuldung geben muss.
4.) Die Forderungen des ESM und des IWF an überschuldete Euro-Staaten müssen Vorrang vor allen anderen Gläubigern haben.
5.) Private Investoren müssen zukünftig in die Mithaftung, was mit sogenannten „Collective Action“-Klauseln bei neuen Anleihen festgeschrieben werden muss. Nur dann macht der Status des ESM als bevorzugter Gläubiger überhaupt Sinn.
6.) Dem ESM muss es verboten sein, Staatsanleihen von anderen als unmittelbar von den Staaten selber zu erwerben. Alles andere wäre ebenfalls mit dem bevorzugten Gläubiger Status unvereinbar.
7.) Schließlich müssen grundsätzliche Entscheidungen des ESM einstimmig gefällt werden. In Deutschland wäre zur Wahrung des Budgetrechts des Parlamentes ein Beschluss des Deutschen Bundestages in jedem Einzelfall vorzusehen.

Für Griechenland bedeutet dies konkret, dass es jetzt eine wie auch immer auszugestaltende Umschuldung geben muss, damit die Schuldentragfähigkeit wieder hergestellt wird. Hieran sind die privaten Gläubiger zu beteiligen. Entscheidend ist aber, dass die Griechen insgesamt – Politik, Wirtschaft und Gesellschaft – schmerzhafte Strukturanpassungen durchführen, die ihre Wirtschaft wieder wettbewerbsfähig machen. Lettland hat vorgemacht, dass dies auch ohne Währungsabwertung gehen kann. Der Preis ist allerdings hoch: In Lettland wurde das allgemeine Lohnniveau in den vergangenen Jahren um 30 Prozent gesenkt, damit die Wirtschaft wieder wettbewerbsfähig wurde. Wahrscheinlich können die Griechen durch umfangreiche Privatisierungen, Verlängerungen der Wochen- und Lebensarbeitszeit und eine rigorose Durchsetzung der Steuerpflicht diese interne Abwertung deutlich abfedern. Vermeiden können sie es nicht, denn die europäischen Steuerzahler werden nicht bereit sein, die komplette griechische Staatsschuld zu übernehmen.

Mit freundlichen Grüßen

Marie-Luise Dött MdB