Frage an Martin Gerster bezüglich Finanzen

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Martin Gerster
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Frage von Markus W. •

Frage an Martin Gerster von Markus W. bezüglich Finanzen

Sehr geehrter Herr Gerster, ich bin Student an der FH Ludwigsburg (Steuerrecht und Wirtschaftswissenschaften). Im Rahmen einer Projektarbeit beschäftige ich mich mit Kommilitonen mit dem Thema Entstehung und Bekämpfung von Steuerverschwendung.
Ich würde daher gerne ein paar Frage zum Thema Steuerverschwendung an Sie richten:
1. Was sind Ihrer Meinung nach die Hauptursachen für die Entstehung von Steuerverschwendung?
2. Wie könnte Ihrer Meinung nach die Steuerverschwendung auf Bundesebene effektiv Bekämpft bzw. Eingenämt werden?
3. In den Medien werden ja regelmäßig Lösungsansätze wie Persönlicher Haftung von Politiker und von Beamten oder dass ein Straftatbestand für Steuerverschwendung vergleichbar der Steuerhinterziehung geschaffen wird, was halten Sie von solchen Plänen?

Vielen Dank für Ihre Bemühungen.

Mit freundlichen Grüßen M. Wild

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Sehr geehrter Herr Wild,

für Ihre Fragen zu Ihrer Projektarbeit danke ich Ihnen.

Das von Ihnen angesprochene Thema ist überaus komplex und in der Tat wissenschaftlich zu wenig erschlossen. So ist die zur Verfügung stehende Literaturbasis nach meiner Wahrnehmung eher dünn, sieht man einmal von den Veröffentlichungen des Bundes der Steuerzahler ab, die allerdings nicht den Ansprüchen der wissenschaftlichen Auseinandersetzung genügen.

Gerade vor dem Hintergrund Ihres wissenschaftlichen Interesses finde ich es übrigens problematisch, von „Steuerverschwendung“ zu sprechen, da hier bereits in der Begriffswahl eine deutlich negative Wertung mitschwingt, die einer sachgemäß objektiven Diskussion im Wege steht.

Entsprechend äußert sich die Bundesregierung in ihrer Antwort auf die Anfrage 16/7546 „Steuerverschwendung in Deutschland“ ( http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/16/076/1607671.pdf ) : „Der Begriff ist der Medien- und Umgangssprache entlehnt und entspricht nicht dem Sprachgebrauch der Bundesregierung. Amtliche Begriffe, die bei der Verwendung öffentlicher Mittel Anwendung finden und Eingang in das Haushaltsrecht gefunden haben, sind die der „Sparsamkeit“ und „Wirtschaftlichkeit“.

Insofern wäre ein neutralerer Begriff wie die „unsachgemäße bzw. unwirtschaftliche Verwendung von Steuermitteln“ vermutlich ein besserer Ansatz. Auch über diese sprachlichen Fragen hinaus sollte Ihnen die von mir angeführte Bundestagsdrucksache bei der Bearbeitung Ihres Themas hilfreich sein, weshalb ich mir im Folgenden erlaube, auf einzelne Passagen zu verweisen.

1. Wo es zu Verstößen gegen die § 7 der Bundeshaushaltsordnung (BHO) mit den Haushaltsgrundsätzen der „Wirtschaftlichkeit“ und „Sparsamkeit“ kommt, liegt dies oft an der mangelnden Prüfbereitschaft der jeweiligen Planungsstellen. So rügte der BRH im vergangenen Jahr, dass bei rund 40.000 finanzwirksamen Maßnahmen, die innerhalb von zwei Jahren überprüft worden seinen, in 85 % der Fälle keine Berechnungen gab, und wenn es solche gab, viele von ihnen methodisch fehlerhaft waren ( http://bundesrechnungshof.de/veroeffentlichungen/bemerkungen-jahresberichte/pressemitteilungen/pm_bemerkungen2007.pdf ).

Interessant hierzu die folgende Passage aus dem BGH-Jahresbericht 2007: „Die Behörden, die keine Wirtschaftlichkeitsuntersuchung vorgenommen hatten, führten zumeist zur Begründung an, sie hätten die Wirtschaftlichkeit der Maßnahme durch die Auswahl des wirtschaftlichen Angebotes in einem Vergabeverfahren sichergestellt. Dabei verkannten sie jedoch, dass die Ausschreibung einer Leistung in aller Regel voraussetzt, dass die Verwaltung sich bereits zuvor für eine unter mehreren Handlungsmöglichkeiten entschieden hat. Gerade eine solche Entscheidung erfordert aber eine nachvollziehbare Bewertung der Wirtschaftlichkeit aller zur Verfügung stehenden Alternativen. So ist zwar eine Ausschreibung der richtige Weg, um bei dem Kauf von Geräten die Auswahl des günstigsten Anbieters zu gewährleisten, sie lässt aber die Frage unbeantwortet, ob beispielsweise eine Anmietung vorteilhafter gewesen wäre.“ (Quelle: http://bundesrechnungshof.de/veroeffentlichungen/bemerkungen-jahresberichte/bemerkungen-2007.pdf , S. 126)

Überdies, so der BRH, begünstige die Struktur der föderalen Finanzbeziehungen unwirtschaftliches Verwaltungshandeln. Dies betrifft auf der Ausgabenseite beispielsweise Konstellationen, in denen der Bund die Kosten für Planungen der Länder trägt. Zum anderen gebe es auf der Einnahmeseite nicht zu rechtfertigende Steuerausfälle durch die zu wenig systematische Steueraufsicht durch die Länder. In allen drei Punkten sehe ich politischen Handlungsbedarf.

2. Soweit Ihre Frage unterstellt, dass die Bekämpfung von Verstößen gegen die oben angesprochenen Haushaltsgrundsätze grundsätzlich inneffizient oder unzureichend sei, weise ich das zurück. Gerade dass der Bundesrechnungshof so kritisch mit den geprüften Strukturen ins Gericht geht, zeigt in meinen Augen, dass hier eine funktionierende Kontrollinstitution am Werk ist.

In dieser Frage teile ich somit die in der Drucksache 16/7671 dargelegte Auffassung der Bundesregierung weitgehend: „Insgesamt gesehen gewährleistet das in der Bundesrepublik Deutschland gehandhabte Verfahren eine wirksame Finanzkontrolle. Die etablierten Verfahren sollen Fehlverhalten verhindern. Da dies jedoch grundsätzlich, wie überall wo Menschen arbeiten, nicht vollkommen ausgeschlossen oder im Vorfeld verhindert werden kann, helfen sie darüber hinaus Fehler aufzuzeigen, um geeignete Gegenmaßnahmen ergreifen zu können und – soweit erforderlich – die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen.“

Bezüglich des Umgangs mit den darüber hinaus bestehenden Defiziten verweise ich auf meine Antwort zu Ihrer ersten Frage.

3. Die von Ihnen angesprochenen Vorschläge lehne ich ab. Zum einen erscheinen mir die entsprechenden Ideen nicht geeignet, Fehlentscheidungen in der Sache entgegenzuwirken. Ich teile hier die Befürchtung des Präsidenten des Bundesrechnungshofes Prof. Dr. Dieter Engels, dass ein Straftatbestand Steuerverschwendung („Amtsuntreue“) lediglich zu doppelten und dreifachen Prüfungen und mehr Bürokratie führen würde. Würde man diese vor allem vom Bund der Steuerzahler immer wieder eingebrachte Idee umsetzen, würde in Politik und Verwaltung lediglich einen Wettlauf eröffnen, Verantwortung abzuwälzen und notwendige Entscheidungen zu verschleppen. Offen gestanden scheinen mir die entsprechenden Initiativen mehr auf populistischen Beifall denn auf politische Wirksamkeit abzuzielen.

Überdies ist bereits jetzt in bestimmten Fällen eine persönliche Inanspruchnahme der für Fehlentscheidungen verantwortlichen Staatsbediensteten möglich. Auch hier darf ich die Bundestagsdrucksache 16/7671 zitieren: „Ist einem Beamten ein konkreter, vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verstoß gegen die ihm obliegenden Pflichten nachzuweisen, ist der Dienstherr verpflichtet, ihn auf Schadenersatz in Anspruch zu nehmen. Die Schadenersatzforderung wird in der Regel von der Personalabteilung der jeweiligen Beschäftigungsbehörde geltend gemacht.“

Ich hoffe, Ihnen mit diesen Auskünften weitergeholfen zu haben und stehe für weitere Informationen gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

Martin Gerster

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