Frage an Martin Gerster bezüglich Finanzen

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Martin Gerster
SPD
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Frage von Stephan W. •

Frage an Martin Gerster von Stephan W. bezüglich Finanzen

Sehr geehrter Herr Gerster,

in einem Zeitungsartikel wird berichtet, nur in Deutschland dürfen Zertifikate verkauft werden wie die der Lehman Brothers. Zitat

´Nur in Deutschland ist der Verkauf solcher Zertifikate erlaubt. In den USA etwa verbietet der sogenannte Securities Exchange Act von 1933 aus Gründen des Anlegerschutzes solche Finanzprodukte für Privatkunden.´

Sie sind Mitglied der SPD und im Finanzausschuß. Daher bitte ich um Beantwortung der Fragen

1) Ist es zutreffend, dass das immerhin seit 1998 sozialdemokratisch geführte Finanzministerium diese obskuren Finanzprodukte erlaubte, die nicht mal in den USA verkauft werden dürfen?

2) Sofern das zutrifft und somit die SPD den Verlust der Anleger in Lehmann-Zertifikaten überhaupt erst ermöglicht hat ist der Vorwurf der Begünstigung gerechtfertigt. Wie gedenkt die SPD mit diesem Vorwurf umzugehen - abwiegelnd und ausweichend oder mit klarer Kante á la: ´ja, wir haben einen Fehler gemacht´?

3) Unabhängig von 1) und 2) Wann und wie wird die SPD daran gehen, die Erlaubnis zum Vertrieb derartiger Produkte in Deutschland zu widerrufen, um die Anleger besser zu schützen und Wiederholungen zu vermeiden?

Mit freundlichem Gruß

Stephan Wunsch

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SPD

Sehr geehrter Herr Wunsch,

auch für Ihre Frage meinen herzlichen Dank. Die von Ihnen aufgestellten Behauptungen halte ich in der gewählten Zuspitzung nicht für zutreffend. Nach meinem Kenntnisstand wurden die ersten (Discount-)Zertifikate in Deutschland spätestens Mitte der 90er Jahre aufgelegt und verkauft. Sie wurden somit nicht erst durch die rot-grüne Bundesregierung zugelassen.

Grundsätzlich ist festzuhalten:

Bei Zertifikaten handelt es sich um Schuldverschreibungen, deren Wertentwicklung und Ertrag von einem Basiswert abhängen. Typische Basiswerte sind Aktien, Zinsen, Wechselkurse, Rohstoffe und Indizes. Die Emission und der Vertrieb derartiger Schuldverschreibungen sind nicht nur in Deutschland, sondern auch in allen anderen EU-Mitgliedstaaten - und nicht nur dort - erlaubt.

Die Bestimmungen für die Emission und den Vertrieb von Wertpapieren, zu denen auch Zertifikate zählen, sind EU-rechtlich harmonisiert. Für Wertpapiere, die öffentlich angeboten oder zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen werden sollen, muss ein Prospekt erstellt werden, der über das Wertpapier und den Emittenten detailliert Auskunft gibt und eine Zusammenfassung enthält, in der kurz und allgemein verständlich die wesentlichen Merkmale und Risiken zu nennen sind, die auf den Emittenten, jeden Garantiegeber und die Wertpapiere zutreffen. Die Bestimmungen dienen dazu, Anleger in die Lage versetzen, eigenständig informierte Entscheidungen zu treffen.

Zudem dürfen Wertpapierdienstleistungsunternehmen (z. B. Banken) einem Kunden im Rahmen der Anlageberatung nur Wertpapiere empfehlen, die für den Kunden geeignet ist. Die Geeignetheit beurteilt sich danach, ob das konkrete Geschäft den Anlagezielen des Kunden entspricht, die hieraus erwachsenden Anlagerisiken für den Kunden seinen Anlagezielen entsprechend finanziell tragbar sind und der Kunde mit seinen Kenntnissen und Erfahrungen die hieraus erwachsenen Anlagerisiken verstehen kann. Dieser Ansatz, der auf die individuellen Umstände der Kunden abstellt, ist aus hiesiger Sicht einem Verbot des Vertriebs bestimmter Finanzinstrumente an Privatkunden, vorzuziehen. Ein derartiges Verbot wäre auch nicht mit EU-Recht vereinbar.

Insofern sehe ich die beste Möglichkeit zum Schutz von Anlegerinnen und Anlegern in einer möglichst international abgestimmten Verbesserung der Kontrollstrukturen und Transparenzmechanismen. Auf diesem Gebiet konnten wir im nationalen und internationalen Kontext im Zuge der laufenden Legislaturperiode bereits eine ganze Reihe wichtiger Fortschritte anstoßen.

Ich hoffe Ihnen mit dieser Auskunft weitergeholfen zu haben und
verbleibe mit freundlichen Grüßen

Martin Gerster

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