Frage an Martin Hahn bezüglich Arbeit und Beschäftigung

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Martin Hahn
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Sabine W. •

Frage an Martin Hahn von Sabine W. bezüglich Arbeit und Beschäftigung

Sehr geehrter Herr Hahn,

die Frage, die ich in FN nicht an Herrn Kretschams stellen konnte, nun an Sie: Unsere Gesellschaft wird älter und braucht immer mehr Pflegekräfte. Diese fehlen aber jetzt schon. Ich sehe Hauptgründe in der schlechten Bezahlung (mit dem Hintergrund der Refinanzierung) sowie dem zu geringen Personalschlüssel, sowohl in der stationären wie ambulanten Pflege.
Diese Berufssparte braucht Aufwertung, sowohl monetär wie durch einen gesetzlich verbindlichen Mindestpersonalschlüssel - mit am tatsächlichen Pflegeaufwand orientierten Zeitfenster. Der Mindestpersonalschlüssel fehlt meines Wissens für den ambulanten Pflegebereich total, was zu immer höherer Be- und Überlastung des vorhandenen Personals führt.
Was tut unsere Partei für eine Verbesserung?

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrte Frau Wetzel,

Ich teile ihre Auffassung, dass wir eine menschenwürdige Pflege in Zukunft nur gewährleisten können, wenn wir auch die Arbeitsbedingungen in der Pflege verbessern. Die Bezahlung der Pflegekräfte und der Stellenschlüssel, also die personelle Ausstattung der Pflegeeinrichtungen sind sicherlich wichtige Stellschrauben, an denen wir drehen müssen, um den Beruf attraktiv und die Pflege menschlich zu machen.

Sie haben mich nun ausdrücklich danach gefragt, was wir Grüne tun möchten, um die Situation in der Pflege zu verbessern. Das möchte ich gern tun. Wir wünschen uns eine Bürgerversicherung, in die jeder gemäß seiner finanziellen Leistungsfähigkeit einbezahlt.

Das Thema Pflege nimmt in der Politik bislang nicht den Stellenwert ein, den es verdient. Tatsache ist, dass ab dem Jahr 2030 rund acht Millionen Menschen in Deutschland über 60 Jahre alt sein werden. Auch wenn Alter nicht automatisch mit Pflegebedürftigkeit gleichzusetzen ist, so steigt die Wahrscheinlichkeit doch mit zunehmendem Alter.

Prognosen gehen davon aus, dass sich die Zahl pflegebedürftiger Menschen von heute 2,13 Millionen bis zum Jahr 2050 auf 4,35 Millionen mehr als verdoppeln könnte. Die Engpässe, in der Pflege werden sich in den nächsten Jahren noch erheblich verschärfen.

Ziel der Pflegepolitik von uns Grünen im Bundestag ist es, den Menschen in den Mittelpunkt aller Überlegungen zu stellen. Solch eine nutzerorientierte Pflege muss an den Bedürfnissen der Menschen ansetzen. Die meisten Menschen wünschen sich, auch bei Pflegebedürftigkeit solange wie möglich in der vertrauten Umgebung verbleiben zu können.

Zentrales Leitbild einer menschenwürdigen Pflege muss ein veränderter Pflegebegriff sein, der psychische und körperliche Beeinträchtigungen gleichberechtigt behandelt und soziale wie finanzielle Einzelsituationen gesondert in den Blick nimmt. Individuelle, teilhabe- und ressourcenorientierte Pflege muss dabei im Mittelpunkt stehen.

Zentral ist für uns, die Rolle der Pflegebedürftigen und ihrer Bezugspersonen - damit ist nicht nur Familie oder Verwandtschaft gemeint - zu stärken. Deshalb sind Schlüsselbegriffe unserer Pflegepolitik Verbraucherorientierung und Verbraucherschutz. Dazu zählt zum Beispiel auch die Gewährleistung einer unabhängigen Beratungsstruktur.

Die gesundheitliche und pflegerische Versorgung einer älter werdenden Bevölkerung wird sich entscheidend verändern. Sie wird von einem stärkeren Miteinander der Akteure im Sinne der Nutzer und weniger von einem Gegeneinander zur Wahrung der eigene Interessen und Besitzstände abhängen. Ob Pflege zukünftig menschenwürdig gestaltbar und finanzierbar ist, wird in entscheidendem Maße auch einen „guten Mix“ verschiedener Hilfen erfordern. Es wird vermehrt darauf ankommen, bürgerschaftliches Engagement, Nachbarschaftshilfe, niedrigschwellige Angebote wie auch professionelle Dienstleistungen sinnvoll mit einander zu kombinieren.

Das von Schwarz-Gelb verfolgte Ziel einer Kapitaldeckung in der Pflege ist unsolidarisch und sozial ungerecht. Denn nach diesem Modell zahlen alle den gleichen Betrag (Kopfpauschale) - von der Altenpflegerin bis hin zu sehr gut Verdienenden. Wir Grüne im Bundestag wollen, dass alle Bürgerinnen und Bürger nach ihrer Leistungsfähigkeit in eine Versicherung einzahlen. Alle Einnahmen sollen für die Beitragsbemessung zugrunde gelegt werden. Die unsolidarische Trennung zwischen gesetzlicher und privater Pflegeversicherung wollen wir aufheben. So haben wir Grüne unsere Ziele formuliert.

Mit freundlichen Grüßen

Martin Hahn

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