Frage an Martin Stümpfig bezüglich Umwelt

Das Bild zeigt Martin Stümpfig, einen Mann mit kurzen dunklen Haaren, der lächelt. Martin Stümpfig trägt ein grünes Hemd und einen dunkelblauen Blazer
Martin Stümpfig
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Harald K. •

Frage an Martin Stümpfig von Harald K. bezüglich Umwelt

Sehr geehrter Herr Stümpfig,
nach nunmehr über 10 Jahren Rot/Grüner Energiewende möchte ich (Dipl. Ing. Physik) von Ihnen wissen, wie Sie bzw. Ihre grüne Partei die Energieversorgung Deutschlands in den nächsten Jahren konkret umsetzen möchten, unter der Annahme sie hätten im Bund und den Ländern die absolute Mehrheit. Bisher gibt es meiner Ansicht nach von den Grünen kein Konzept, sondern nur ein überaus vielfältiges Wunschkonzert, wie z.B. Ausstieg aus der Atomenergie und der Kohle bzw. möglichst aus allen fossilen Energieträgern. Die einzige Aussage der Grünen dazu lautet "mehr Photovoltaik und Windturbinen". Nachdem selbst den Grünen bekannt sein dürfte das Wind und Sonne nicht ständig zur Verfügung stehen möchte ich von Ihnen konkret vorgerechnet bekommen mit welcher Art Energie Sie die durchschnittlich 520TWh pro Jahr erzeugen möchten und vor allem in der jederzeit benötigten Menge. Ferner würde mich interessieren, ob es ein Ausbauziel für Erneuerbare Energien gibt, also wieviele Gigawatt installierter Leistung benötigt das Land in Form von Windrädern und Solarzellen in den nächsten Jahren, und bis wann möchten Sie dieses Ziel erreichen (bitte nennen Sie auch die Anzahl an Windrädern für Deutschland). Außerdem würde mich Ihr Zeitplan zum Bau geeigneter Stromspeicher (welche Technik wird bis wann benötigt und soll in welcher Qualität zum Einsatz kommen) interessieren und Ihre Argumentation bezüglich der, gerade von den Grünen schon mehrfach mit verhinderten Planung von Pumpspeicherkraftwerken. Bitte antworten Sie konkret und im Detail auf meine Fragen und nicht mit den üblichen inhaltsleeren Politikerfloskeln mit den bekannten Stichworten wie Netzausbau, Biogas, Smart Metering, Europäische Solidarität usw., denn Sie wissen selbst, daß diese energetischen "Lapalien" keine systemischen Lösungen bieten, oder akzeptieren Die Grünen insgeheim doch Atomstrom aus dem Ausland um genau meinen Fragen aus dem Wege zu gehen?
Mit freundlichen Grüßen
Harald Kroemer

Das Bild zeigt Martin Stümpfig, einen Mann mit kurzen dunklen Haaren, der lächelt. Martin Stümpfig trägt ein grünes Hemd und einen dunkelblauen Blazer
Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Kroemer,

Auf ihre Anfrage wurde ich leider erst verspätet aufmerksam ­ bitte entschuldigen sie die späte Antwort. In einer mail kann ich ihre umfassende Frage nach einem ganzheitlichen Energiekonzept sicher nicht ausreichend beantworten ­ auch die Frage nach der genauen Anzahl einzelner Energieträger muss unbeantwortet bleiben. Ich werde aber trotzdem versuchen Ihnen die Ziele und die Schritte unserer grünen Partei zu erläutern. Ohne Verweise auf Programme wird dies jedoch bei dieser allumfassenden Frage nicht gehen. Die Herausforderungen des Klimawandels sind enorm. Wir stellen uns dieser Herausforderung. Bis 2050 müssen wir unser Wirtschaft decarbonisieren ­ die CO2 Emissionen müssen in den Industrieländern um 95 % gegenüber 1990 abnehmen, um das 2 °C Ziel einzuhalten. Daraus leiten wir unsere energiepolitischen Ziele ab: bis 2030 100 % EE im Strombereich, bis 2040 100% im Mobilitäts- und Wärmebereich. Diese Ziele sind sicher sehr ambitioniert. Uns ist auch klar, dass wir nicht zeitgleich aus Atom und Kohle aussteigen können. Ein Ausstiegsplan aus der dreckigen Braunkohle und der Steinkohle ist aber überfällig. Bei der Ergänzung von erneuerbaren Stromquellen sind flexible Kraftwerke notwendig. Derzeit sind dies Gaskraftwerke. Diese Kraftwerke werden wir noch einige Jahrzehnte benötigen. Im Strombereich sind die Hauptsäulen Wind und PV. Diese werden in 25 Jahren tatsächlich den Hauptteil der Energieversorgung beitragen. Ergänzt durch Wasserkraft, Biogas, Biomasse, Geothermie, Abfallverwertung usw. Die umfassenden Investitionen (auch gerade von Bürgern / Genossenschaften) haben den Anteil am Ökostrom von 17% Ende 2010 auf heute rund 28 % gesteigert (Bayern: 36 %). Das entspricht 170 TWh (bei einem Verbrauch von ca. 600 TWh im Jahr 2014). Diese Entwicklung hat alle Prognosen übertroffen und die Kritiker des Atomausstiegs eindrucksvoll widerlegt. Das viel zu bescheidene Ziel der Bundesregierung von 35% Stromanteil aus Erneuerbaren Energien im Jahr 2020 wollen wir auf mindestens 45% anheben. Die Steigerungen zeigen, dass das Ziel erreichbar ist ­ es braucht nur den politischen Willen. Die Details lesen sie bitte hier nach: Kapitel B des Bundestagswahlprogramms 2013, 100 Prozent sichere Energie
< http://www.gruene.de/fileadmin/user_upload/Dokumente/Gruenes-Bundestagswahlprogramm-2013.pdf#page=27 >

Grundlage für einen erfolgreichen Umstieg der Stromversorgung auf Erneuerbare Energien ist ein zügiger Aus- und Umbau der Netze, sowohl auf Höchst- und Hochspannungsebene als auch auf der Verteilnetzebene. Hier ist uns das sog. NOVA Prinzip sehr wichtig. Netzoptimierung vor Verstärkung vor Ausbau. Dabei ist immer zu prüfen, ob durch eine dezentrale Energieerzeugung und -speicherung der Umfang des notwendigen Ausbaus der großen Übertragungsnetze reduziert werden kann. Eine dezentrale Energieerzeugung- und speicherung sorgt für mehr Wertschöpfung und damit Unabhängigkeit der Regionen. Zu einer dezentralen Energieversorgung gehören auch Smart Grids, intelligente Stromnetze (auch wenn sie diesen Begriff meiden), mit dezentralem Erzeugungs- und Lastmanagement und die Integration der Erneuerbaren Energien, Energieeinsparung, Temperaturmonitoring sowie der Einsatz von Hochtemperaturleiterseilen in bestehenden Höchstspannungstrassen. Wie wir zu jeder Minute jeder Sekunde des Jahres die Versorgungssicherheit gewährleisten ist sicher eine sehr große Herausforderung. In Gesprächen mit Experten erklärten diese die Machbarkeit des Systems, wenn koordiniert und entschlossen vorgegangen wird. Der Dilettantismus und die Ignoranz der bayerischen Staatsregierung ist hier wirklich fatal. Die Senkung des Energieverbrauchs im Strom ­ und Wärmebereich ist dabei ein wesentlicher Baustein. In einer gesteigerten Energieeffizienz in Industrie und Privathaushalten und in der energetischen Gebäudesanierung liegen erhebliche ungenutzte Einsparpotentiale. Bei der Gebäudesanierung wollen wir die jährliche Sanierungsquote auf drei Prozent anheben. Dafür wollen wir das Gebäudesanierungsprogramm der KfW wieder auf 2 Mrd. Euro erhöhen und verstetigen. Seine Verankerung im völlig unterfinanzierten Energie- und Klimafonds wollen wir rückgängig machen und die nötigen Mittel durch Kürzungen klimaschädlicher Subventionen ergänzen. Auch braucht es ein Wärmegesetz, welches auch den Bestand einschließt und wirksame Impulse für den Ausbau der Erneuerbaren Energien im Wärmemarkt setzt. Die Umstellung auf erneuerbare Energien im Wärme- und Mobilitätsbereich ist eine weitaus größere Herausforderung als im Strombereich. Erneuerbar Strom zu erzeugne ust relativ einfach. Erneuerbare Wärme in ausreichender Menge zu erzeugen, sehr schwierig. Es wird deshalb eine starke Vermischung des Strom- und Wärmemarktes eintreten. Strom wird in Zukunft sowohl zur Beheizung als auch zur Mobilität maßgeblich beitragen. Hier gilt es effektive Verfahren zu wählen ( Wärmepumpen, Eletromotoren...). Im Bereich der Mobilität möchte ich sie auf unser Papier verweisen, damit diese mail nicht ewig lang wird: Nachhaltige Mobilität für alle
< http://www.gruene.de/fileadmin/user_upload/Dokumente/Gruenes-Bundestagswahlprogramm-2013.pdf#page=169 >,
Kapitel J des Bundestagswahlprogramms 2013

Ich hoffe, dass ich ihre Fragen weitgehend beantworten habe und bitte sie um Verständnis, dass ich keine Angaben über die genaue Anzahl z.B. der benötigten Windräder machen kann. Heute produziert ein modernes Windrad bis zu 10 Millionen Kilowattstunden pro Jahr.

Mit freundlichen Grüßen
Martin Stümpfig

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Martin Stümpfig
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