Frage an Matern von Marschall bezüglich Migration und Aufenthaltsrecht

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Frage von Jannik B. •

Frage an Matern von Marschall von Jannik B. bezüglich Migration und Aufenthaltsrecht

Hallo Herr von Marschall,

wieso werden aus den Flüchtlingslagern in Griechenland keine Menschen in Deutschland aufgenommen obwohl sich viele Kommunen dafür bereit erklären?

Liebe Grüße
Jannik Bischoff

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Bischoff,

haben Sie vielen Dank für Ihre Anfrage über das Onlineportal abgeordnetenwatch.de vom 03.04.2020 zur Bereitschaft von Kommunen in Deutschland, Asylsuchende von den griechischen Inseln aufzunehmen. Der direkte Kontakt zu den Bürgern in meinem Wahlkreis ist mir als direktgewählter Bundestagsabgeordneter sehr wichtig, weshalb ich gerne auf Ihre Anfrage antworte.

Als erstes möchte ich darauf hinweisen, dass Deutschland zur Entlastung des griechischen Asylsystems bereits viele Personen nach Deutschland gebracht hat. Im Rahmen der sogenannten Relocation im Zeitraum Oktober 2015 bis März 2018 waren es insgesamt 5.391 Asylsuchende, die wir aus Griechenland übernommen haben. Die Übernahmen erfolgten aufgrund von EU-Ratsbeschlüssen, welche die Umverteilung von bis zu 160.000 Asylsuchenden innerhalb der EU vorsahen. Die Beschlüsse sind zwischenzeitlich ausgelaufen. Deutschland hatte Griechenland im Rahmen seiner Verpflichtungen aus den Beschlüssen 6.740 Umverteilungsplätze angeboten.

Ferner hat Deutschland bis Ende 2018 alle Angehörigen von anerkannten Flüchtlingen, die noch in Griechenland lebten, im Rahmen des Familiennachzuges aufgenommen. Wir haben also bereits einen erheblichen Beitrag geleistet und in der Not viele Menschen aufgenommen.

In den vergangenen fünf Jahren hat Deutschland allein ca. 1,79 Millionen Asylbewerber aufgenommen, von denen ein Großteil weiterhin hier lebt. Wir kommen unseren humanitären Verpflichtungen und der europäischen Solidarität nach. Wir dürfen aber nicht ausblenden, dass viele Städte und Gemeinden nach wie vor noch viele Jahre benötigen werden, um diejenigen zu integrieren, die bereits im Land sind.

Von den knapp 11.000 Kommunen und Gemeinden, die es in Deutschland gibt, haben sich einige zur Aufnahme weiterer Asylsuchender aus Griechenland bereit erklärt. Diese Bereitschaft gilt es zu würdigen. Allerdings ist es unabdingbar, dass ein geordnetes Verfahren durchgeführt wird. Für die Fragen von Aufnahme, Prüfung und Weiterverteilung von Asylsuchenden ist der Bund zuständig. Beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) laufen alle Prozesse gebündelt zusammen. Diese Struktur halte ich für zielführend. Sie gewährleistet, dass der gesamte Prozess der Entscheidung über Asyl effektiv und effizient durchgeführt werden kann. Die Struktur ist für alle Beteiligten eine positive Auswirkung. Wir sind dadurch in der Lage, Personen, die Anspruch auf Asyl haben, Schutz in Deutschland zu gewähren. Personen, die keinen Anspruch auf Asyl haben, können in ihre Herkunftsländer zurückgeführt werden.

Bei aller Leistungsfähigkeit, die die Kommunen in unserem Land haben, denke ich, dass diese mit einem Asylverfahren überfordert wären. Die Kommunen haben in dieser Frage weder ausreichend Ressourcen, noch Zuständigkeit. Kompetenz ist aber aufgrund der Situation auf den griechischen Inseln dringend geboten. Betrachten wir die Situation detaillierter, dann stellen wir fest, dass die Mehrheit der Personen, die sich derzeit auf den Inseln aufhält, vermutlich keinen Anspruch auf Asyl in der Europäischen Union hätte. Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) hat mit Stand 30. März 2020 die folgenden Zahlen veröffentlicht: 39.700 Flüchtlinge und Migranten befanden sich zu diesem Zeitpunkt auf den griechischen Inseln. Davon stammten 49% aus Afghanistan, einem Land mit einer sehr geringen Anerkennungsquote bei Asylanträgen, 19% aus dem Bürgerkriegsland Syrien, 6% jeweils aus Somalia und den Palästinensischen Autonomiegebieten und 5% aus dem Kongo (die Herkunft der übrigen 15% gibt das UNHCR mit „others“ an). Alle Daten finden Sie unter dem folgenden Link:  https://data2.unhcr.org/en/documents/download/74973.

Dass wir nicht die 11.000 Kommunen in Deutschland entscheiden lassen, wer nach Deutschland kommen darf und wer nicht, bedeutet nicht, dass wir untätig sind. Deutschland kann und will weiterhin helfen. Dabei gehören allerdings für mich Ordnung und Humanität zusammen. Am 08. März 2020 hat der Koalitionsausschuss von CDU, CSU und SPD entschieden, Griechenland bei der schwierigen humanitären Lage zu unterstützen und die Übernahme von bis zu 1.500 Kindern von den griechischen Inseln zu organisieren. Es handelt sich dabei um Kinder, die entweder wegen einer schweren Erkrankung dringend behandlungsbedürftig oder aber unbegleitet und jünger als 14 Jahre alt sind. Damit kam die Koalition einem Aufruf von Abgeordneten der CDU/CSU-Bundestagsfraktion nach, die eine solche Regelung gefordert haben. Auch ich habe mich als Unterzeichner einer gemeinsamen Erklärung für diese Lösung stark gemacht. Auf europäischer Ebene wird in diesen Tagen verhandelt, wie wir die Übernahme der Kinder zügig umsetzen. Deutschland steht bereit, einen angemessenen Anteil zu übernehmen. Wenn dieser Ansatz auch nicht so zügig läuft, wie wir es uns manchmal wünschen, halte ich ihn für den richtigen Ansatz: Geordnet, aber am Menschen orientiert - an denen, die auf den griechischen Inseln festsitzen, aber auch an unserer Bevölkerung in Deutschland. Trotz der Corona-Pandemie müssen wir alles daransetzen, diese Vereinbarung zügig umzusetzen. Auch aus diesem Grund habe ich mich in der vergangenen Woche gemeinsam mit mehreren Kollegen aus der CDU/CSU-Bundestagsfraktion im Deutschen Bundestag an Bundesinnenminister Horst Seehofer und EU-Kommissionspräsidentin Dr. Ursula von der Leyen gewendet. In zwei Schreiben haben wir darin deutlich gemacht, dass wir zügig die Aufnahme organisieren müssen. Wir gehen davon aus, dass die ersten Kinder bereits bald in Aufnahmeländer gebracht werden können. Dies wäre ein wichtiger Schritt.

Die Nothilfe, die wir leisten, kann aber nur ein Baustein sein, um die Situation mittel- bis langfristig zu verbessern. Es ist unabdingbar, dass Griechenland endlich sein Asylsystem in einen leistungsfähigen Zustand versetzt. Die von 2015 bis 2019 in Griechenland regierende linkspopulistische Syriza-Regierung hatte augenscheinlich kein Interesse, die Lage auf den Inseln zu verbessern. Weder hat sie europäische Unterstützung in signifikantem Maße angenommen, noch hat sie die Asylverfahren auf den Inseln zügig durchgeführt.

Seit dem Regierungswechsel und dem Antritt der Regierung unter der Führung des Ministerpräsidenten Mitsotakis im Sommer 2019, ist in Griechenland eine positive Dynamik in der Flüchtlingsfrage zu beobachten. Das griechische Parlament hat bereits im November 2019, nur wenige Monate nach der Regierungsübernahme, ein Maßnahmenpaket verabschiedet. Dieses beinhaltete unter anderem folgende Vorgehensweisen:

-die Durchführung von beschleunigten Asylverfahren. Die Höchstdauer für eine Entscheidung soll von neun auf sechs Monate verkürzt werden, Vorrang haben dabei Familien und Kinder.

-Asylsuchende erhalten erst sechs Monate nach Antragstellung Zugang zum Arbeitsmarkt, anerkannte Flüchtlinge haben innerhalb von sechs Monaten nach Verfahrensabschluss Zugang zu Bildung, Arbeit und Sozialleistungen.

-die Flüchtlingslager auf den Inseln Samos, Chios und Lesbos sollen geschlossen werden.

Die Beschleunigung der Asylverfahren ist in meinen Augen einer der Schlüssel, um die humanitäre Situation zu verbessern. Wenn Griechenland dies endlich gelingt, wird sich die Situation auf den Inseln entspannen. Dann werden die Personen, die Anspruch auf Asyl haben, aus den Unterkünften von den Inseln reisen können und die Personen, die keinen Anspruch auf Asyl haben, können in ihre Herkunftsländer zurückgeführt werden. Die oben beschriebenen Maßnahmen werden jedoch nur mittelfristig ihre Wirkung entfalten können. Immerhin hat die griechische Regierung die Situation inzwischen erfasst und handelt, damit die Situation sich nicht noch weiter verschlimmert. So wurden nach Angaben des UNHCR in der Woche vom 16. bis 20. März 2020 insgesamt 1.977 Menschen von den Unterkünften auf den Inseln aufs griechische Festland gebracht, bei rund 105 Neuankömmlingen, die in diesem Zeitraum auf den Inseln anlandeten. Die Griechen beginnen also, die Inseln endlich zu evakuieren. Dadurch verbessert sich die Situation dort allmählich. Auch wenn die Maßnahmen durch die auftretende Corona-Pandemie vorerst deutlich zurückgefahren werden mussten.

Deutschland unterstützt Griechenland dabei auf vielen Ebenen. So haben wir bereits im Dezember 2019, als sich die Lage auf den griechischen Inseln bereits verschärft hatte, von Deutschland aus 55 LKW mit Hilfslieferungen in einem Warenwert von 1,56 Mio. Euro für ca. 10.000 Personen nach Griechenland geliefert. Aus Beständen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) wurden u.a. 5.000 Doppelstockbetten, 30.000 Bettwäschesets (Laken, Bettbezug, Kopfkissenbezug), 7.000 Einwegdecken, 864 Kopfkissen, 750 Bettdecken sowie 9.330 Bettensätze (Kopfkissen und Decke) für Flüchtlinge bereitgestellt.

Das BAMF ist zudem mit Personal vor Ort, um die Griechen zu unterstützen. Die personelle Unterstützung erfolgt für das Europäische Unterstützungsbüro für Asylfragen (EASO), zu dem Dolmetscher und Experten des BAMF entsandt wurden, die vor Ort die griechischen Behörden bei Asylverfahren unterstützen. Im Jahr 2019 wurden dabei zeitweise nahezu zwei Drittel der EASO- Experten in Griechenland von Deutschland gestellt. Insgesamt waren es 2017 131 BAMF-Mitarbeiter, 2018 125 und im Jahr 2019 82 Beamte aus Deutschland, die in Griechenland arbeiteten. Auch 2020 werden wir wieder mit Kräften vor Ort sein.

Wir müssen bei der Aufnahme weiterer Personen in Deutschland planvoll und geordnet vorgehen, um die staatlichen Verfahren zu gewährleisten. Auch wenn dies manchmal nicht so zügig geht, wie es sich manche gerne wünschen, gewährleisten wir damit die Handlungsfähigkeit unseres Staates.

Mit freundlichen Grüßen

Ihr Matern von Marschall MdB