Frage an Matthias Bartke bezüglich Wirtschaft

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Matthias Bartke
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Frage von Nico B. •

Frage an Matthias Bartke von Nico B. bezüglich Wirtschaft

Leider verfestigt sich bei mir der Eindruck, das die Politiker aller Parteien nur noch die Erfüllungsgehilfen der Konzerne sind.
Beispiele:
- Transaktionssteuer: trifft nur die Kleinanleger.
- Kassenbonpflicht: die kleinen Geschäftsleute werden drangsaliert, währenddessen die Großkonzene weiterhin ihre Steuervermeidungspolitik ungehindert weiterführen dürfen und Milliarden an Steuern hinterziehen.
- Umweltpolitik: ist für euch nur ein Mittel die Abgaben und Steuern zu erhöhen ohne das etwas für die Umwelt dabei herauskommt.
Autofahren wird zwar teurer, aber zur Arbeit müssen wir trotzdem kommen also kommt keine C02 Ersparnis zustande, da wir nicht auf ein gut ausgebautes öffentliches Verkehrsnetz ausweichen können.
- Umgang mit dem Steuerüberschuss: Anstatt die Mehreinnahmen in den Ausbau der Infrastruktur zu stecken soll das Geld über die Senkung der Unternehmenssteuern an die Industrie verschenkt werden. Später, wenn die Zeiten mal wieder schlechter werden, werden dann die Unternehmenssteuern nicht etwa wieder angehoben , nein dann müssen wieder „alle“ (gemeint sind damit natürlich nur die Bürger) der Gürten enger schnallen.
- Aberkennung der Gemeinnützigkeit von Organisationen wie Change.org, Campact, Attac usw. währenddessen die Lobbyisten der Konzerne von diesen von der Steuer abgesetzt werden können.
- …
Ich könnte so weiter machen!

Frage:
Wie rechtfertigen Sie den von Ihnen vertretenen Anspruch Politik für das Wohl und die Interessen der Wähler bzw. der Bürger dieses Landes zu machen?

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Brunzel,

haben Sie vielen Dank für Ihre Fragen, die ich gerne beantworte. Ich beantworte Sie insbesondere deshalb gerne, weil Sie sehr komprimiert viele Vorurteile zusammenfassen, die ich häufig in sozialen Netzwerken lese. Sie geben mir Gelegenheit, hier für Aufklärung zu sorgen.

• Vorurteil Nr. 1 - Die Transaktionssteuer trifft nur die Kleinanleger: Richtig ist, dass grundsätzlich all diejenigen Finanztransaktionsteuer zahlen müssen, die Aktien von börsennotierten Unternehmen mit einem Sitz im Inland erwerben. Die Behauptung, dass die Steuer in erster Linie einkommensschwache Kleinanleger trifft, ist falsch. Die Steuer wird insbesondere von Banken, Finanzdienstleistern und anderen institutionellen Anlegern gezahlt werden. Zum einen ist der Anteil der Geschäfte von Privatanlegern am gesamten Handelsvolumen mit deutschen Aktien sehr klein. Zum anderen steigt der Anteil der Aktienbesitzer mit dem Einkommen deutlich an. Hinzu kommt, dass nicht der AktienBESITZ besteuert wird, sondern der AktienHANDEL. Kleinanleger sind keine Aktienhändler und auch keine Spekulanten. Menschen, die für ihr Alter vorsorgen, sind an langfristigen Anlagen interessiert. Sie sparen langfristig, kaufen die Aktien und lassen sie dann über einen längeren Zeitraum im Depot liegen. Die Steuer wird außerdem nur einmal beim Kauf der Aktie fällig. Der ursprüngliche Plan war, auch den Hochfrequenzhandel miteinzubeziehen. Insbesondere Frankreich hat aber darauf bestanden, den Hochfrequenzhandel von der Steuer auszunehmen, um den Finanzplatz Paris nicht zu gefährden. Das ist sehr bedauerlich, weil es gerade eine sozialdemokratische Forderung war, den spekulativen Hochfrequenzhandel einzudämmen.

• Vorurteil Nr. 2 - Die Kassenbonpflicht drangsaliert nur die Kleinen: Richtig ist, dass der Fiskus mit falschen oder unterdrückten Kasseneingaben jährlich um einen zweistelligen Milliardenbetrag betrogen wird. Zwar muss man auch die Steuerflucht von Großkonzernen bekämpfen. Aber soll man deshalb Steuerbetrug auf allen anderen Ebenen auch zulassen? Das kann niemand ernsthaft fordern. Aufgabe des Staates ist es, dafür zu sorgen, dass Steuern von allen Steuerpflichtigen gezahlt werden, egal ob von Kleinen oder Großen. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass der Gesetzgeer bereits 2016 beschlossen hat, zum 1.1.2020 die Kassenbonpflicht einzuführen. Die lange Vorlaufzeit war gedacht, um den Verbänden und Unternehmen die Zeit zu geben, bessere und bargeldlose Verfahren einzuführen. Es hat aber keinerlei Bemühungen in diese Richtung gegeben. Stattdessen hat es drei Wochen (!) vor Inkrafttreten des Gesetzes eine Kampagne insbesondere in den sozialen Netzwerken, doch auf die Kassenbonpflicht zu verzichten.

• Vorurteil Nr. 3 - Umweltpolitik ist nur ein Mittel die Abgaben und Steuern zu erhöhen ohne das etwas für die Umwelt dabei herauskommt: Richtig ist, dass das Ziel der CO2-Bepreisung nicht höhere Steuereinnahmen, sondern die Bekämpfung des Klimawandels ist. Natürlich gibt es auf diesem Wege immer mal wieder Rückschläge – aber die Richtung stimmt. So hat das Bundesumweltministerium verkündet, dass Deutschland im vergangenen Jahr gegenüber 2018 einen Rückgang von 54 Millionen Tonnen Treibhausgasen zu verzeichnen hatte – das ist ein Rückgang um 6,3 Prozent. Sie sehen, die Klimapolitik der Bundesregierung wirkt.

• Vorurteil Nr. 4 – Wir können keine Klimaverbesserung erreichen, weil die Menschen ja weiter mit dem Auto zur Arbeit fahren müssen und der ÖPNV zu schlecht ausgebaut ist: Richtig ist, dass das Klimapaket der Bundesregierung auf die Pendler Rücksicht nimmt. Der starke Anstieg des Benzinpreises wird im Jahre 2025 erfolgen, wenn der Zertifikatehandel einsetzt. Bis dahin haben die Pendler die Möglichkeit, sich emissionsärmere PKWs zuzulegen, die im Preis auch schnell sinken werden. So wird der neue vollelektrische VW ID 3 weniger als 30.000 Euro kosten. Hinsichtlich des zu zögerlichen Ausbaus des ÖPNV haben Sie allerdings durchaus Recht. Das Kernproblem ist, dass die Vorläufe zu neuen ÖPNV-Vorhaben einfach zu lange dauern. Die Große Koalition hat daher im vergangenen Monat ein Planungsbeschleunigungsgesetz auf den Weg gebracht, das hier Abhilfe schaffen soll.

• Vorurteil Nr. 5 – Der Steuerüberschuss wird an die Unternehmen verschenkt: Richtig ist, dass Bundesfinanzminister Olaf Scholz die Steuerüberschüsse mit Zähnen und Klauen verteidigt hat. Dass das eine richtige Politik zeigt sich jetzt in der Corona-Krise. Jetzt brauchen wir das Geld dringend, um die Konjunktur für die Zeit danach nicht abzuwürgen. Deshalb ist es auch richtig, dass die schwarze Null zugunsten der Konjunkturprogramme gefallen ist. Und in Sachen Senkung der Unternehmenssteuerreform gilt: Das ist ein erklärtes Ziel der Unionsparteien und der FDP. Das beste Mittel dagegen ist die Stärkung der deutschen Sozialdemokratie.

• Vorurteil Nr. 6 - Aberkennung der Gemeinnützigkeit von Organisationen wie Change.org, Campact etc. ist ungerechtes Handeln der Bundesregierung: Richtig ist, dass die Bundesregierung hierfür überhaupt nichts kann. Der Bundesfinanzhof, das oberste Finanzgericht Deutschlands, hat höchstrichterlich festgestellt, dass die in der geltenden Abgabenordnung benannten 25 gemeinnützigen Aktivitäten abschließend sind. Doch Probleme tauchen dann auf, wenn Vereine sich allgemeinpolitisch engagieren. Eine Ende 2019 angedachte Reform der Abgabenordnung wurde von unserem Bundesfinanzminister Olaf Scholz zurecht kassiert, weil sie zu weit ging und die Gemeinnützigkeit in unzulässiger Weise Vereine gefährden würde. Die Bundesregierung sucht derzeit nach einer neuen Lösung, die den Vereinen, die so viel für unsere pluralistische Gesellschaft tun, auch künftig ihr politisches Engagement erlaubt.

Sehr geehrter Herr Brunzel, sollten Sie weitere Vorurteile gegen die Politik der Bundesregierung und der Großen Koalition haben, so äußern Sie sie gerne. Ich freue mich immer, wenn ich zur Aufklärung beitragen kann.

Mit freundlichen Grüßen und bleiben Sie gesund!
Matthias Bartke