Warum zieht der Außenminister Maas (SPD) keine politischen Konsequenzen und tritt endlich zurück?

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Matthias Bartke
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Frage von Norbert R. •

Warum zieht der Außenminister Maas (SPD) keine politischen Konsequenzen und tritt endlich zurück?

Sehr geehrter Herr Dr. Bartke,

in Afghanistan sind bis dato 53 Bundeswehrsoldaten gefallen, 1 Billion Euro Steuergeld verbrannt und nach 20 Jahren Einsatz die bekriegten Taliban wieder zur Machtübernahme des Landes zurück.

Noch immer sitzen in Afghanistan Ortskräfte der deutschen Botschaft oder der Bundeswehr fest und werden mit dem Tod bedroht, weil der Außenminister nicht auf Warnungen seiner lokalen Diplomaten hörte und in Folge rechtzeitig evakuieren ließ.

Die Frage nach den personellen Konsequenzen steht aus.

Mit freundlichen Grüßen

N. Rother
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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr R.,

es wird so sein, dass sämtliche Fragen dieses Desasters aufgearbeitet werden – und zwar gemeinsam mit der Opposition. Es ist nur noch nicht klar, ob dies in der nächsten Wahlperiode  durch einen Untersuchungsausschuss oder durch eine Enquete-Kommission geschieht. Ich halte personelle Konsequenzen danach für durchaus wahrscheinlich. Wenn man den Vorgang bewertet, muss man aber natürlich vom damaligen Stand ausgehen: Was konnte man damals wissen? Es gibt natürlich immer diejenigen, die im Nachhinein immer schon alles gewusst haben.

Die Ergebnisse unseres zwanzigjährigen Engagements sind in wenigen Wochen zunichte gemacht worden. Die Leidtragenden dieser schlimmen Entwicklung sind in erster Linie Frauen und Mädchen. Sie werden unter den Taliban mit ihrem mittelalterlichen Rollenverständnis völlig rechtlos. Der überstürzte Abzug der Amerikaner war ein Fehler. Donald Trump hat das auf eigene Faust entschieden ohne die NATO-Partner wesentlich einzubinden. Joe Biden hat es fortgeführt. Ohne das starke US-Kontingent konnten die restlichen Staaten ihre Präsenz nicht aufrechterhalten. Die Bundeswehr hatte daher keine andere Wahl, als ebenfalls abzuziehen. 

Die westlichen Staaten haben 20 Jahre lang versucht, den Terrorismus in Afghanistan zu beenden, für Sicherheit und Stabilität zu sorgen und beim Aufbau eines demokratischen Staatswesens zu helfen. In den letzten Monaten hatten sich die allermeisten westlichen Regierungen – darunter auch die Bundesregierung – auf die Informationen ihrer Geheimdienste verlassen. Viele haben eine Bedrohung Kabuls durch die Taliban erst wesentlich später erwartet. Es ist ein absolutes Debakel!

Bei der Aufarbeitung stehen für mich vor allem zwei Fragen im Vordergrund:

Erstens: In Afghanistan waren wir auf Gedeih und Verderb auf die Führungsmacht USA angewiesen. Das war tödlich. Müssen wir nicht auf eine eigenständige schlagkräftige europäische Säule innerhalb der NATO drängen? Oder sollten wir nicht sogar eine eigenständige europäische Armee aufbauen?

Zweitens: Wir geben Unsummen für unsere Geheimdienste aus. Für den Bundesnachrichtendienst hat die Bundesregierung in Berlin gerade einen riesigen Neubau für über eine Milliarde Euro eingeweiht. Wie müssen wir die Geheimdienste reformieren, damit ein derartiges Debakel nicht noch einmal passiert?

So oder so, das Afghanistan-Debakel ist eine Zäsur in der deutschen Außenpolitik. Konsequenzen müssen gezogen werden.

Was jetzt unmittelbar zählt, ist die Evakuierung möglichst vieler Menschen. Die Luftbrücke endete vergangenen Donnerstag nach knapp zwei Wochen. Nach dem Abzug der US-Truppen kann sie leider aktuell nicht mehr aufrecht gehalten werden. Die Bundesregierung verhandelt – trotz aller Bedenken – mit der Taliban, um Ausreisemöglichkeiten für gefährdete Personen aufrecht zu erhalten. Ich hoffe sehr, dass uns das gelingt.

Mit freundlichen Grüßen

Matthias Bartke