Sind Sie dafür, das Volksentscheid-Zustimmungsquorum von 25 auf 10% zu senken/zu streichen und freie Unterschriftensammlung einzuführen? Wie stehen Sie zu Bürgerräten? Mehr Demokratie e.V. Hessen

Portrait von Monika Christann
Monika Christann
DIE LINKE
Zum Profil
Frage stellen
Die Frage-Funktion ist deaktiviert, weil Monika Christann zur Zeit keine aktive Kandidatur hat.
Frage von Wolfhard A. •

Sind Sie dafür, das Volksentscheid-Zustimmungsquorum von 25 auf 10% zu senken/zu streichen und freie Unterschriftensammlung einzuführen? Wie stehen Sie zu Bürgerräten? Mehr Demokratie e.V. Hessen

Portrait von Monika Christann
Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr. A.,

als die Hessische Landesregierung vor Jahren - ich glaube, dies lief parallel zur letzten Landtagswahl 2018  - per Volksabstimmung über veränderte Anforderungen abstimmen ließ, habe ich davor gewarnt. Zwar wurde die Eingangshürde gesenkt, dafür aber gleichzeitig das Quorum für das Zustandekommen einer Volksabstimmung deutlich erhöht. Mit anderen Worten: Die erste Stufe wurde deutlich reduziert und erleichtert, dafür aber die noch wichtigere 2. Stufe zum tatsächlichen Zustandekommen einer Volksabstimmung erhöht. Hessen gehört ja ohnehin zu den Bundesländern mit hohen Hürden. Ich bin dafür, die erste Hürde auf 10 % zu senken; die zweite eher auf 20 %. Eine völlig freie Unterschriftensammlung würde ich ablehnen, da vermutlich sonst eine Landesregierung mit vielen Unterschriftensammlungen überschwemmt würde und alle paar Wochen eine teure landesweite Abstimmung passieren müsste. Die von mir jetzt gewählte Zahl von 20 % für die Volksabstimmung ist spontan und willkürlich gewählt, ohne dass ich diese Zahl wissenschaftlich belegen könnte. Mir ist aktuell nicht bekannt, welche Hürden andere Bundesländer wie Baden-Württemberg haben.

Schon vor ca. 30 Jahren wurde ich Fan von den sog. "Planungszellen" nach dem Modell von Peter Dienel. In ähnlicher Form hat die Stadt Frankfurt Ende des letzten Jahrhunderts die Umsetzung der "Lokalen Agenda 21" bis zum Abschluss der "Frankfurter Leitlinien" in 2001 praktiziert. Dies war für alle Kommunen verpflichtende Maßgabe aus der "Agenda 21" ("Agenda für das nachhaltige 21. Jahrhundert") und beruhte auf dem ersten UN-Nachhaltigkeitsvertrag, der 1992 auf dem sog. "Erdgipfel" in Rio de Janeiro verabschiedet wurde. Im Rahmen der weiteren Nachhaltigkeitsverträge folgte die "Agenda 2015" (die "Milleniums-Agenda"). Aktuell befinden wir uns im dritten Nachhaltigkeitsvertrag, der "Agenda 2030". Diese Agenda ist bis 2030 umzusetzen; wir sind quasi in der "Halbzeit", allerdings weit von einer Umsetzung enfernt. Dies gilt sowohl für die Stadt Frankfurt als auch für Hessen, die anderen Bundesländer und den Bund. Die "Agenda 2030"  wurde zwei Monate vor den Pariser Klimachutzzielen vereinbart, verzahnt sich ganz wunderbar damit und enthält erstmals in den 17 Nachhaltigkeitszielen (SDGs = Sustainible Development Goals) mit 169 Unterzielen  die Nachhaltigkeitsziele "Bekämpfung der Armut" (SDG 1) und "Bekämpfung des Hungers" (SDG 2).

Ich hatte einige Jahre bis 2001 zum Abschluss der "Frankfurter Leitlinien" die Ehre, ehrenamtlich einen der sechs Arbeitsgruppen der "Lokalen Agenda 21" mit logistischer Unterstützung durch die Stadt Frankfurt moderieren zu dürfen (Arbeitsgruppe "Lokale Infrastruktur"). Die Moderator:innen wurden von der Arbeitsgruppe gewählt, nicht von der Stadt bestimmt. 2001 bin ich für sechs Jahre aus beruflichen Gründen nach Berlin gezogen. Meines Wissens lief nach den "Frankurter Leitlinien" nichts mehr in dieser Richtung. Mit den "Leitlinien" glaubte die Stadt wohl, ihre Arbeit erfüllt zu haben, obwohl den Ergebnissen der einzelnen Arbeitsgruppen die Umsetzung hätte folgen müssen. Aktuell erinnere ich in meiner Funktion als Stadtverordnete im Frankfurter Stadtparlament ab und zu als Linke in der Opposition die Frankfurter Stadtverordneten (Stadtregierung besteht aus Grünen, SPD, FDP und Volt) daran, dass die Verpflichtungen aus der Agenda 2030 bisher nicht erfüllt wurden und keine Absicht zu erkennen ist, dies zu tun. Jedenfalls belegen dies die Indikatoren, die erstmalls und auch letztmals Ende 2020 (kurz vor der Kommunalwahl) als Bericht veröffentlicht wurden und in denen unangenehme Dinge wie Rückschritt bei der Entsiegelung (eines der Unterziele) einfach verschwiegen wurden.

Ich bleibe dran; denn viel Zeit bleibt nicht mehr, die Nachhaltigkeitsziele und die Pariser Klimaschutzziele zu erfüllen.

Ansonsten begrüße ich die Forderungen von "Mehr Demokratie e.V." und wünsche mir viel mehr direkte Partizipation der Bürger:innen mittels Konzepten wie in der Lokalen Agenda 21. In Offenbach gibt es übrigens immer noch eine aktive "Lokale Agenda 21"-Gruppe.

Über die HP der SKEW (Servicestelle der Einen Welt)  kann man noch viel über die aktuellen Entwicklungen zur Agenda 2030 erfahren.

Freundliche Grüße,

Monika Christann