Frage an Nicole Fritsche bezüglich Arbeit und Beschäftigung

Nicole Fritsche
DIE LINKE
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Frage von Alice U. •

Frage an Nicole Fritsche von Alice U. bezüglich Arbeit und Beschäftigung

Sehr geehrte Frau Fritsche!

Sie sind Direktkandidatin im Münchner Norden. In diesem Wahlkreis befinden sich sehr viele (Groß-)Unternehmen (u.a. ein Automobil-Premium-Hersteller), von dem zig andere Firmen abhängig sind.
Die OFFIZIELLE Arbeitslosenzahl liegt derzeit bei knapp 3,5 Mio Arbeitslosen. Hinzu kommen momentan allerdings knapp 1,2 Mio "nicht gezählte" Arbeitslose (d.h. Älter als 58 mit ALG I + II, Ein-Euro-Jobs, Berufliche Weiterbildung, Eignungsfeststellungs- u. Trainingsmaßnahmen (z.B. Bewerbungstraining), Aktivierung u. berufliche Eingliederung (z.B. private Arbeitsvermittlung), Beschäftigungszuschuss (für schwer vermittelbare Arbeitslose), Kranke Arbeitslose (§126 SGB III)).

Inzwischen ist es so, dass es in Bayern mehr Kurzarbeiter als arbeitslos gemeldete gibt. Wie ist Ihre Einschätzung bzgl. der Kurzarbeit bzw. der Arbeitslos gemeldeten nach der Wahl?

Leiharbeiter wurden zu Beginn "der Krise" als Erstes gekündigt. Wie sehen Sie das Thema Leiharbeit und schätzen es für die Zukunft ein?

Wie stehen Sie zu den Rechten der ArbeitnehmerInnen und deren Vertretungen (Betriebsräte + Gewerkschaften)? Es gibt Bundestagsparteien, die den (bereits geringen) Schutz und die Rechte der Arbeitnehmer weiter abbauen möchten.

Leider gibt es auch "Pseudo"-Gewerkschaften, die die DGB-Gewrkschaften in ihren Tariflöhnen unterbieten. Was sagen Sie zur sogenannten "Tarifautonomie"?

"Gleicher Lohn für gleiche Arbeit" - d.h. z.B. Leiharbeiter sollen das gleiche Geld wie die Stammbelegschaft bekommen. Wieso wurde das aber im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz durch die letzten Regierungsparteien ausgehebelt? Die SPD, die sich sonst so (DGB-)Gewerkschaftsnah gibt, hat den "Pseudo"-Gewerkschaften dadurch Tür und Tor geööffnet.

Eines steht für mich fest, die SPD ist für mich in den letzten Jahren unwählbar geworden (siehe allein ihr Verhalten bezüglich der Arbeitnehmerrechte). Stellt sich nun die Frage, wen wähle ich? Wählen will ich auf jeden Fall! Können Sie mich überzeugen?

Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrte Frau Unser,

vielen Dank für Ihre Anfrage.
Ich gehe davon aus, dass die Arbeitslosenzahlen nach der Bundestagswahl bis zum Jahresende 2009/Anfang 2010 auf über 4 Millionen steigen werden. Die Entscheidung "wie weiter" steht in vielen Unternehmen an und wird sicher erst nach der Wahl entschieden. Da es sich gerade bei den großen Automobilfirmen um eine nicht unbeachtliche Lobby im Bundestag handelt, ist dies auch eine politische Entscheidung. Die Bindungen zwischen Großunternehmen und Politik darf nicht unterschätzt werden. Wenn die großen Unternehmen beginnen werden die Kurzarbeit zu beenden und die ersten Kündigungswellen einsetzen, wird dies Auswirkungen auf die kleinen und mittleren Zulieferfirmen haben. In diesem Bereich wird mit zahlreichen Konkursen von kleinen und mittleren Unternehmen zu rechnen sein.

Bei der in Deutschland praktizierten Form der Leiharbeit handelt es sich um moderne Sklaverei. Die Menschen arbeiten im Vergleich zu Stammbelegschaft für einen viel zu geringen Lohn ohne Aussicht auf eine Festanstellung. Die Bedingungen für die Leiharbeit sind unter rot-grün und dann unter der großen Koalition immer weiter verschlechtert worden. Viele Unternehmen haben in den letzten Jahren freiwerdenden Arbeitsplätze mit Leiharbeiterinnen und Leiharbeitern neu besetzt. Die Stammbelegschaften haben sich so verkleinert und die Betriebsräte in ihrem Wirkungsbereich eingeschränkt. Wir fordern daher eine strikte Begrenzung der Leiharbeit. Durch die Forderng gleicher Arbeitsbedingungen, gleichen Lohns und einer zusätzlichen Flexibilitätsvergütung für die Leiharbeitsnehmerinnen und Leiharbeitsnehmer in den Unternehmen, ist die Leiharbeit vom Arbeitsmarkt zurückzudrängen. Die Ausleihdauer muss auf maximal 6 Monate begrenzt sein und die jeweiligen Betriebsräte müssen ein Mitbestimmungsrecht erhalten. Grundlegend muss es auch ein Verbot geben, welchen es Leiharbeitsunternehmen verbietet Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter als Streikbrecherinnen und Streikbrecher einzusetzen.

Die Mitbestimmung der Beschäftigten muss ausgebaut werden. Die Beteiligung von abhängig Beschäftigten und ihren Gewerkschaften an wesentlichen Entscheidungen der Unternehmen muss gestärkt werden. Eine paritätische Mitbestimmung der abhängig Beschäftigten muss auf alle privaten, öffentlichen und gemeinwirtschaftlichen Unternehmen , welche mehr als 100 Beschäftigte haben, ausgeweitet werden.Auch muss die Mitbestimmung bei wirtschaftlichen Entscheidungen auch in kleineren Betrieben im Betriebsverfassungsgesetz verankert werden. Die Rechte von Gewerkschaften und Betriebsräten müssen verbessert werden. Die bedeutet die Abschaffung des Antistreikparagraphen, die Ausweitung des Streikrechts auf Übernahmen und Verlagerungen von Unternehmen und die Einführung eines Verbandsklagerechts für Gewerkschaften zum Schutz geltender Tarife. Grundlegend ist in Deutschland der Kündigungsschutz auszubauen und ein wirkungsvolles Arbeitnehmerdatenschutzgesetz zu schaffen. Auch das Recht auf politischen Streik, wie in vielen anderen Ländern Europas vorhanden, muss durchsetzt werden.

Die nach unten führende Lohnspirale und somit die Aushöhlung der Tarifautnomie sind nur durch einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn nach französischem Vorbild zu verhindern. DIE LINKE hat bereits in der lezten Legislaturperiode einen Antrag zur Einführung eines gesetzlichen Mindestlohnes gestellt, welcher leider von den anderen Parteien abgelehnt wurde. Wir bleiben jedoch dabei und werden in der nächsten Legislaturperiode erneut den Antrag auf einen gesetzlichen Mindestlohn stellen. Der Mindestlohn sollte eingeführt und in der nächsten Wahlperiode auf 10 Euro erhöht werden und dann Jahr für Jahr zumindest in dem Maße anwachsen, wie die Lebenshaltungskosten steigen. Höhere tarifliche Mindestlöhne sind in den betreffenden Branchen für allgemeinverbindlich zu erklären. Eine Allgemeinverbindlichkeitserklärung muss auch ohne Zustimmung der Arbeitgeberverbände durchsetzbar sein.

Sollten Sie weitere Fragen haben, können Sie sich gern an mich wenden.

Mit freundlichen Grüßen

Nicole Fritsche