Frage an Nicole Gohlke bezüglich Arbeit und Beschäftigung

Nicole Gohlke
Nicole Gohlke
DIE LINKE
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Frage von Georg W. •

Frage an Nicole Gohlke von Georg W. bezüglich Arbeit und Beschäftigung

Hallo Frau Gohlke,

Was halten Sie von einem "bedingungslosen Grundeinkommen", das in Ihrer Partei sehr kontrovers diskutiert wird?

Für mich ist das "BGE" DIE zentrale Antwort auf der von Karl Marx entwickelten Mehrwert-Theorie.
Durch ein BGE wären die Kapitalisten nicht mehr in der Lage den Mehrwert ab zuerpressen, sondern dieser könnte in fairen Verhandlungen zwischen den Arbeitnehmern und Unternehmern ausgehandelt werden, da der Arbeitnehmer ja nicht mehr auf den Lohn angewiesen wäre.

Haben Sie das Thema BGE schon einmal unter diesem Aspekt gesehen?

Vielen Dank für Ihre Antwort

und herzliche Grüsse

Georg Weisfeld

Nicole Gohlke
Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Weisfeld,
die Frage des Bedingungslosen Grundeinkommens wird in der LINKEN ziemlich breit und kontrovers diskutiert, und immer wieder taucht diese Diskussion an verschiedensten Punkten wie etwa beim Thema Rentenpolitik oder Überwindungsstrategien zu Hartz IV auf. Bislang gibt es keine finale Einigung innerhalb der LINKEN dazu - es wird in der Programmdiskussion der LINKEN abschließend diskutiert und entschieden werden müssen.
Ich persönlich betrachte das Konzept des Bedingungslosen Grundeinkommens (BGE) skeptisch. Zwar kann ich gut nachvollziehen, warum die Erwartung, die Menschen mit dem BGE verbinden, sehr attraktiv ist: die Hoffnung auf eine allen zugängliche Garantie gegen Armut und für soziale Teilhabe ist gerade in einer Zeit der menschenunwürdigen Hartz IV-Gesetze, nur zu gut verständlich.
Dennoch kritisiere ich das BEG vor allem aus zwei Gründen: Ich befürchte zum einen, das es als Türöffner für Niedriglöhne fungieren könnte (nicht umsonst gibt es Grundeinkommen-Befürworter unter Unternehmern, denen ich nicht allen reine Menschenliebe unterstelle). Lohnsenkungen würden ziemlich einfach möglich, da die Existenzsicherung der Beschäftigten ja bereits durch das Grundeinkommen geleistet würde. Die Unternehmen würden aus der Verantwortung, gute Löhne zahlen zu müssen, entlassen. Da das Grundeinkommen bedingungslos gezahlt werden soll, kämen grundsätzlich alle in der BRD Lebenden in seinen Genuss. Ich sehe aber keinen Grund, warum z.B. der Unternehmer, der seinen Angestellten nun Niedriglöhne zahlen könnte, auch selber auf das Grundeinkommen zurückgreifen dürfte.
Zudem zweiten bedeutet das Bedingungslose Grundeinkommen die völlige Aufgabe der bisherigen Sozialversicherungssysteme, die ursprünglich einmal von Arbeitnehmern und Arbeitgebern paritätisch finanziert wurden. Aus meiner Sicht ist aber an diesem Grundsatz unbedingt festzuhalten, statt ihn wie durch die Privatisierung der Altersvorsorge und die Reformen des Gesundheitswesens in den vergangenen Jahren auszuhöhlen.
In allen diskutierten Grundeinkommen-Modellen wird eine Gegenfinanzierung rein durch Steuern vorgeschlagen. Die geschätzten jährlichen Kosten von rund einer Billion Euro sollen nach Ansicht prominenter Befürworter BGE aus einer Erhöhung der Umsatz- und Massensteuern finanziert werden. Sollte z.B. die Mehrwertsteuer zur Begleichung der Kosten genutzt werden, müsste diese um ca. 40% erhöht werden. So würden extreme Preissteigerungen entstehen, die die Idee des Grundeinkommens ad absurdum führen würden. Die Abhängigkeit der meisten Menschen von Erwerbsarbeit würde also bestehen bleiben, wenn Sie nicht auf einen hohen Lebensstandard verzichten möchten.
Aus den genannten Gründen sind für mich politische Konsequenzen aus der durchaus richtigen Kritik an der kapitalistischen Verwertungslogik zum einen die Forderung nach einem gesetzlichen Mindestlohn, vor allem aber die Forderung nach einer sinnvollen Verteilung der gesellschaftlichen Arbeitszeit durch eine drastische Arbeitszeitverkürzung.
Klar ist aber auch, dass wir eine bedarfsgerechte, menschenwürdige Grundsicherung für all diejenigen brauchen, die vorübergehend oder altersbedingt aus dem Erwerbsleben ausscheiden. Selbstverständlich ist, dass diese im Falle der Erwerbslosigkeit repressionsfrei gezahlt werden müssen.

Mit freundlichen Grüßen
Nicole Gohlke

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