Sind Sie für eine Impfpflicht?

Nicole Gohlke
Nicole Gohlke
DIE LINKE
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Frage von Herbert S. •

Sind Sie für eine Impfpflicht?

Der Parteivorstand der LINKEN fordert in dem Beschluss „Corona gemeinsam besiegen – solidarische Notbremse jetzt!“ (https://www.die-linke.de/partei/parteidemokratie/parteivorstand/parteivorstand/detail/corona-gemeinsam-besiegen-solidarische-notbremse-jetzt/) eine allgemeine Impfpflicht für Volljährige.
Teilen Sie diese Forderung des Parteivorstandes? Falls ja, wie soll nach Ihrer Meinung so eine Impfpflicht durchgesetzt werden? Soll es Geldstrafen geben (die hauptsächlich die arme Bevölkerung treffen, auch wenn die Strafen nach Einkommen gestaffelt sind)? Soll es im Falle einer Weigerung, sich impfen zu lassen, Gefängnisstrafen geben? Soll es im Falle einer Weigerung, die Geldstrafe zu zahlen, zu Gefängnisstrafen kommen? Sollen die Polizei oder das Militär die Unwilligen zum Impfen bringen? Soll es Berufsverbote geben, falls eine Impfung verweigert wird?
Falls Sie die Forderung des Parteivorstandes nicht teilen, begründen Sie bitte Ihre Ablehnung.

Nicole Gohlke
Antwort von
DIE LINKE

Ich kann ihre Sorgen wegen der Einführung einer allgemeinen Covid-19-Impfpflicht sehr gut verstehen. Diese Bedenken treiben mich auch als Abgeordnete um. Ohne Zweifel wäre eine Impfflicht ein schwerwiegender Eingriff in die Grundrechte. Und es wäre eine weitere Zäsur, nachdem schon die Bürgerrechte auf Bewegungsfreiheit, Demonstrationen und Schulbildung in den letzten eineinhalb Jahren immer wieder ausgehebelt wurden.

Die jetzige, erneute Ausnahmesituation wäre vermeidbar gewesen, wenn die Noch-Bundesregierung ihren Job gemacht hätte, und die Ampel schneller Verantwortung übernehmen würde. Stattdessen drücken auch die neuen Koalitionäre wieder kopflos Infektionsschutzgesetze durch den Bundestag.

Dass Bund und Länder nach eineinhalb Jahren Pandemie immer noch im konfusen Schneckentempo reagieren, macht mich fassungslos. Die traurige Folge sind nunmehr über 100.000 Corona-Tote. Den ganzen Sommer über hatten die politisch Verantwortlichen in den Ministerien Zeit, alle milderen Mittel auszuschöpfen, um die vierte Welle abzuwenden: Wo sind flächendeckende aufsuchende Impfangebote und proaktive Terminvergaben? Warum wurden Impfzentren, Teststationen und Reservekliniken überhaupt eingestampft? Während in Spanien Ungeimpfte angerufen werden und man in den USA das Wunschvakzin nachhause geliefert bekommt, gehören hierzulande Warteschlangen zum Alltag. Länder wie Portugal erreichen bald eine Impfquote von 90 Prozent – und das ganz ohne Impfzwang. Davon sollten wir lernen.

Was eine Impfpflicht alleinig rechtfertigt, ist vor allem der drohende Kollaps unseres Gesundheitssystems und die Gefahr immer neuer Mutationen, die gegen die Vakzine resistent sein können. Die Verantwortung dafür trägt vor allem die Bundesregierung. Sie hat die Impfkampagne vor die Wand gefahren und weigert sich vehement, Patente weltweit freizugeben, deren Entwicklung mit Steuergeldern finanziert wurde.

Die Entscheidung über die Impfpflicht fällt mir daher sehr schwer. Wenn es im Bundestag zu einer Abstimmung kommt, werde ich trotz aller Bedenken wohl dennoch dafür stimmen. Meine Bedenken bleiben aber, weil ich Sorge vor einer gesellschaftlichen Spaltung habe. Und weil die Regierenden ihr Versagen auf die Bevölkerung abwälzen. Das darf so nicht weitergehen. Als Linksfraktion fordern wir eine Corona-Politik mit Weitblick, die Gesundheitsschutz und Grundrechte gleichermaßen schützt.

Mit solidarischen Grüßen

Nicole Gohlke

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