Frage an Niels Annen bezüglich Familie

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Niels Annen
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Frage von Stephan S. •

Frage an Niels Annen von Stephan S. bezüglich Familie

Sehr geehrter Herr Annen,

die Koalition berät zurzeit über die Reform der Erbschaftsteuer. Dabei ist bisher offenbar vorgesehen, den Freibetrag für Eheleute so anzuheben, dass das gemeinsame Eigenheim oder ein gleichwertiger Vermögenswert steuerfrei bleiben. Außerdem wird der Vorsorgefreibetrag für die Altersvorsorge beibehalten. Das kann ich gut nachvollziehen, weil Eheleute das zur Absicherung ihres Alters bestimmte Vermögen gemeinsam erarbeitet und bereits versteuert haben.

Für Lebenspartner ist offenbar bisher keine Gleichstellung vorgehen, obwohl sie wie Eheleute für das Alter z.B. durch den Kauf einer Eigentumswohnung vorsorgen. Die Lebenspartnerschaft entspricht zivilrechtlich völlig der Ehe. Gleichwohl wird die Lebenspartnerschaft bei der Erbschaftsteuer bislang nicht anerkannt. Wenn die Koalition entscheiden sollte, Lebenspartner auch zukünftig im Erbschaftsteuerrecht wie Fremde zu behandeln, würde sich die Situation für Lebenspartner sogar noch verschlechtern. Denn Immobilien müssen in Zukunft mit dem vollen Verkehrswert versteuert werden. Bisher werden Immobilien bei der Erbschaftsteuer nur mit rund 65 % angesetzt. Außerdem sollen die Erbschaftsteuersätze für "Fremde" von derzeit 17% bis 50% auf 30% bis 50% angehoben werden. Beide wird durch den höheren Freibetrag der Ehepartner kompensiert, aber eben nicht für Lebenspartner.
Das fände ich in höchstem Maße ungerecht. Denn für die Ungleichbehandlung gibt es überhaupt kein Argument.

Werden Sie einem Gesetzentwurf, der keine Gleichstellung von Eheleuten und Lebenspartnern in der Erbschaftsteuer enthält, zustimmen? Was werden Sie unternehmen, damit die bestehende Ungleichbehandlung nicht noch verschärft wird?

Ich bin gespannt auf Ihre Antwort.

Mit freundlichen Grüßen
Stephan Stüber

P.S.: Das Thema "Gleichstellung" ist in die Themenkategorien von abgeordnetenwatch.de nur schwer einzuordnen. Ich habe mich mal für "Familie" entschieden...

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SPD

Sehr geehrter Herr Stüber,

vielen Dank für Ihre Anfrage, in der Sie die derzeit diskutierte Reform der Erbschaftssteuer und besonders die Frage der Gleichstellung von Lebenspartnerschaften ansprechen.

Zunächst einmal pflichte ich Ihnen in Ihrer Analyse bei. Obwohl eingetragene Lebenspartner füreinander Verantwortung übernehmen und sich oftmals ein gemeinsames Vermögen aufbauen, behandelt sie die Erbschaftsteuer weiterhin wie Fremde, so dass der überlebende Partner eine gemeinsame Immobile oft nicht erhalten kann, weil sie hohen Erbschaftsteuersätzen unterliegt.

Aus diesen und aus anderen Gründen lehne ich die vorliegenden CDU/CSU-Vorschläge zur Erbschaftsteuerreform strikt ab. Diese leisten hinsichtlich der geplanten Struktur - das betrifft auch die Frage nach den Lebenspartnerschaften - und hinsichtlich des Gesamtaufkommens weder den notwendigen Beitrag zur Stärkung der Verteilungsgerechtigkeit, noch entsprechen sie in ausreichendem Maße den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts und der Beschlusslage der SPD: Während das Aufkommen unverändert bliebe, würde die Steuerlast deutlich verschoben: Nicht nur LebenspartnerInnen und LebensgefährtInnen, sondern auch Verwandte zweiten Grades, Immobilienbesitzer und Durchschnittserben zahlen die weitere Entlastung von Millionenerben und Kindern von Unternehmern.

Neben der verschärften Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften durch Steuererhöhung in der Steuerklasse 2 enthalten die vorliegenden Vorschläge meines Erachtens zwei weitere Fehler: Zum einen ist mit 4 Milliarden Euro ein deutlich zu niedriges Gesamtaufkommen vorgesehen. Zum anderen würde durch die geringe Senkung des Eingangssteuersatzes (von sieben auf sechs Prozent) und die gleichzeitige extreme Senkung des Spitzensteuersatzes (von 30 auf 18 Prozent) große Erbschaften wesentlich mehr entlastet als kleine. Die vorgesehene willkürliche Ungleichbehandlung verschiedener Vermögensarten, insbesondere die völlig überzogene Entlastung von Betriebsvermögen, wäre, so die Schätzung von Experten, überdies verfassungswidrig.

Ich werde mich deshalb im Parteivorstand der SPD und in der SPD-Bundestagsfraktion dafür einsetzen, dass bei der Reform der Erbschaftsteuer nicht nur Lebenspartnerschaften endlich gleichgestellt und gleiche Freibeträge und Steuersätze für Ehen und Lebenspartnerschaften geschaffen werden. Mindestens sollten die Verschlechterungen, die der Entwurf gegenüber der bisherigen Situation bringt, verhindert werden. Darüber hinaus müssen an die Reform der Erbschaftssteuer aus meiner Sicht folgende Anforderungen gestellt werden:
1. Wir müssen ein deutlich höheres Gesamtaufkommen (mindestens auf 6 Milliarden Euro) durchsetzen. Das Erbschaftsteueraufkommen in Deutschland liegt mit unter 1 Prozent des BIP deutlich unter dem Niveau der Europäischen Union. Mit einer Erhöhung, die ohne Überforderung der Erben ohne weiteres möglich ist, können in den Ländern beispielsweise die notwendigen Ausgaben zur Verbesserung von Bildung und Betreuung bestritten werden.
2. Auch in Zukunft brauchen wir eine deutliche Steuerprogression. Im vorliegenden Modell sinken die Steuersätze für hohe Millionenbeträge stärker als für kleinere Erbschaften, das ist das Gegenteil sozialdemokratischer Steuerpolitik.
3. Alle Vermögensarten müssen in die Erbschaftsteuer einbezogen werden. Das Abschmelzmodell stellt jedoch eine faktische Steuerbefreiung für betriebliches Vermögen dar. Das ist weder verfassungskonform noch sachlich begründbar. Auch Firmenerben und Landwirte müssen in angemessenem Umfang Erbschaftsteuer bezahlen, ohne dass dadurch die Fortführung des Betriebs gefährdet wird.
4. Vermögen, die sich ein durchschnittlicher Haushalt ein Leben lang erarbeitet, müssen von der Erbschaftsteuer freigestellt werden. Egal ob es sich dabei um das eigene Wohnhaus oder eine Geldanlage handelt. Das kann mit erhöhten Freibeträgen erreicht werden.
5. Um die Liquidität von Unternehmen nicht zu gefährden, sollte die Steuerschuld für Betriebsvermögen gestundet werden. Ein Erlass der Steuerschuld ist auch bei Fortführung des Unternehmens ist weder gerechtfertig noch notwendig. Jede Privilegierung von Betriebsvermögen ist für mich zwingend direkt an den Erhalt von Arbeitsplätzen zu koppeln.

Ich erwarte, dass die derzeitige Debatte um die Erbschaftssteuerreform Fortschritte in der gerade skizzierten Richtung bringen wird, und werde mein Abstimmungsverhalten davon abhängig machen, inwieweit der endgültige Vorschlag die oben genannten Punkte berücksichtigt.

Mit freundlichen Grüßen

Niels Annen, MdB

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