Frage an Oskar Lafontaine bezüglich Bundestag

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Oskar Lafontaine
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Frage von Philipp K. •

Frage an Oskar Lafontaine von Philipp K. bezüglich Bundestag

Sehr geehrter Herr Lafontaine,

im letzten Jahr ist die Föderalismuskommission gescheitert, weil keine Einigung über die Kompetenzen in der Bildungspolitik gefunden werden konnte. Trotz vieler Bekenntnisse zur Notwendigkeit der Reform und Aufforderungen aller seiten wurde bisher kein ernsthafter neuer Versuch unternommen, sicher auch wegen der Unterbrechung durch die Neuwahlen.
Ich halte diese Neuerungen für sehr dringend und interessiere mich daher für Ihre Position zur Reform der föderalen Strukturen. Wo sehen Sie geeignete Ansatzpunkte, um die staatliche Organisation wieder effektiver zu machen, ohne in Zentralismus zu verfallen?
In dieser Diskussion tauchen oft Forderungen nach Länderfusionen auf. Welche Haltung haben Sie dazu, besonders im Hinblick auf einen möglichen Zusammenschluss des Saarlandes mit Rheinland-Pfalz? Nach einigen Berichten über Expertenmeinungen brächte dies keinen umfangreichen Einspareffekt, und viele sehen die kulturellen Eigenheiten der kleineren Länder gefährdet. Parteiübergreifend wird außerdem mangelnde Gerechtigkeit im Länderfinanzausgleich angeführt, logischerweise meist aus den "reicheren" Ländern heraus.
Wie stehen Sie diesen Argumenten?

Mit freundlichen Grüßen
Philipp Krämer
Berlin (früher Homburg / Saar)

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Antwort von
BSW

Sehr geehrter Herr Krämer,

zum weitreichenden Thema Föderalismus in Deutschland möchte ich Ihnen nachfolgend den Text der Programmatik der Linkspartei anläßlich der Landtagswahl im Saarland zur Kenntnis geben. In weiten Teilen entspricht dies meiner Einschätzung.

Mit freundlichen Grüßen
Oskar Lafontaine

"Die Linke Saarland spricht sich für eine grundlegende Reform des bundesdeutschen Föderalismus aus. Nicht der vermeintlichen Sparlogik derer, die das Heil im Zusammenlegen von Bundesländern sehen gehört die Zukunft, sondern denen, die vorhandene Strukturen vor Ort, in den Kommunen, Kreisen und Ländern stärken wollen. Dabei muss der Grundsatz der gleichen Lebensbedingungen in der ganzen Bundesrepublik bestehen bleiben. Auf dieser Grundlage muss den verantwortlichen Parlamenten und Verwaltungen vor Ort mehr Entscheidungsbefugnisse eingeräumt werden. Ein Reform der Verteilung der öffentlichen Finanzen zu Gunsten der Regionen und Kommunen ist dabei dringend erforderlich. Von einer kommunalen Selbstverwaltung, wie sie das Grundgesetz vorsieht, kann man in der Bundesrepublik Deutschland nicht mehr sprechen. Die Handlungsunfähigkeit der Kommunen muss durch eine sozial gerechte Steuerreform überwunden werden.

Hinsichtlich des Föderalismus haben nun auch Bundestag und Bundesrat erkannt, dass eine Reform besagten Systems notwendig ist und haben eine Föderalismus-Kommission einberufen, die mit Vertretern des Bundesparlaments und der Länderkammer besetzt sind, in der allerdings die Länder- und Kommunalparlamente lediglich mit beratender Funktion, aber ohne Stimmrecht bzw. überhaupt nicht vertreten sind. Wenn man aber über eine Reform des Föderalismus beraten und beschließen will, darf man nicht diejenigen, die von der Kompetenzverlagerung auf höhere Ebenen am stärksten betroffen sind, einfach ausklammern.

Ca. 60 % Prozent der Bundesgesetze müssen heute den Bundesrat passieren, sind also zustimmungspflichtig. Dies war von den Grundgesetzvätern und -müttern nicht so beabsichtigt, zu Beginn der Bundesrepublik Deutschland musste nur etwa jedes zehnte Gesetz durch die Länderkammer. Eine solche Entwicklung kann zu Stillstand und Blockade führen. Gleichzeitig sind entscheidende Kompetenzen den Ländern entzogen und dem Bund bzw. der europäischen Ebene zugeführt worden. Die Linke Saarland befürwortet eine starke Reduzierung der zustimmungspflichtigen Bundesgesetze, im Gegenzug müssen aber den Länderparlamenten deutlich mehr Kompetenzen eingeräumt werden, damit dort auch wieder eigene Politik betrieben werden kann und die Entscheidungsträger nicht zu ehrenamtlichen Insolvenzverwaltern verkommen. Als weiteres Ergebnis der Föderalismus-Kommission und -reform muss es auf jeden eine klare Abgrenzung bei den Zuständigkeiten zwischen Bund, Ländern und Gemeinden geben.

Das Prinzip der Subsidiarität hat für Die Linke Saarland klare und logische Vorteile: Warum sollte eine Entscheidung auf nationaler oder europäischer Ebene getroffen werden, wenn dies problemlos auf kommunaler oder regionaler Ebene möglich ist? Solange es sinnvoll ist, auf einer möglichst bürgernahen Ebene Politik zu betreiben, sollte man auch von dieser Möglichkeit Gebrauch machen. Effektive kommunale und regionale Politik, deren Auswirkungen für die Menschen direkt greifbar sind, ist die Antwort auf die von vielen Bürgern als technokratisch und über ihre Köpfe hinweg entscheidenden Veordnungen der Europäischen Kommission, für die stellvertretend das Wort "Brüssel" steht.

Die Linke tritt für eine Stärkung des Föderalismus und damit für eine Stärkung der Kompetenzen der Länderparlamente ein. Dennoch kann es nicht sein, dass einzelne Länder selbst mehr Unabhängigkeit vom Bund und folglich mehr Entscheidungsbefugnisse fordern, aber dann in ihrem Bundesland selbst zentralistisch herrschen und die Mitbestimmung der Kommunen völlig unterminieren.

In diesem Zusammenhang plädieren wir für die Einführung einer 3. Kammer neben Bundestag und Bundesrat, in der die Interessen der Gemeinden wirksam vertreten werden können. Diese Kammer soll allerdings kein Blockadeorgan sein, sondern soll lediglich dazu führen, dass die Kommunen gleichberechtigt den Gesetzgebungsprozess beeinflussen und z.B. Gesetze, in denen ihre Interessen nicht hinreichend berücksichtigt werden, zusammen mit Bundestag und Bundesrat abändern können.

Die Linke fordert daher:

- keine Länderfusion mit Rheinland-Pfalz,

- eine effektivere und transparentere Zusammenarbeit in der Großregion Saar-Lor-Lux,

- eine Reform des Föderalismus, damit deutlich weniger Gesetze den Bunderat passieren müssen und im Gegenzug den Länderparlamenten mehr Entscheidungskompetenzen eingeräumt werden,

- eine Stärkung des Prinzips der Subsidiarität, nach dem politische Entscheidungen, solange dies sinnvoll ist, möglichst auf lokaler und regionaler Ebene getroffen werden sollen."