Frage an Otto Fricke bezüglich Verbraucherschutz

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Otto Fricke
FDP
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Frage von Dieter U. •

Frage an Otto Fricke von Dieter U. bezüglich Verbraucherschutz

Hallo

war 2009 mehr netto für alle ein wahlkampftrick ?
zuvor sagte man bei jeder gelegenheit der staat hat geld wie heu

mfg

Dieter Uhrmeister

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FDP

Sehr geehrter Herr Uhrmeister,

vielen Dank für Ihre Frage, die mich als Haushälter natürlich besonders betrifft und interessiert. Wenn ich Sie richtig verstehe ist für Sie unklar, warum einerseits die FDP im Wahlkampf 2009 eine Senkung der Einkommenssteuer forderte, die dann später in dem versprochenen Umfang nicht durchgesetzt wurde (Stichwort "Mehr Netto vom Brutto"), und andererseits der Staat momentan an Geldnot zu leiden scheint und neue Schulden aufnehmen muss.

Zunächst einmal ist es zur Beantwortung der Frage wichtig, eine Unterscheidung zu treffen zwischen den grundlegenden Überzeugungen der Liberalen in Steuerfragen, die sich entsprechend im Wahlprogramm 2009 wiederfanden und dem, was mit Rücksicht auf die wirtschaftlichen Begleitumstände der Bundestagswahl und dem verunsicherten Koalitionspartner konkret möglich und sinnvoll war.

Die Meinung der FDP zu diesem Thema ist eindeutig: Die Unternehmen und Bürger erwirtschaften das Vermögen in Deutschland. Es ist damit nicht nur das gefühlte Recht eines jeden Bürgers, sondern auch sein im Grundgesetz verbrieftes Recht (Art. 2 GG - Handlungsfreiheit und Art. 14 GG Eigentumsrecht) einen größtmöglichen Anteil daran behalten zur dürfen. Dass hier akuter Handlungsbedarf besteht zeigt die schleichende Steuer- und Abgabenerhöhung der letzten Jahre. http://www.handelsblatt.com/finanzen/recht-steuern/steuern/steuerzahlergedenktag-buerger-arbeiten-immer-laenger-fuer-den-staat/6851106.html
"Mehr netto vom Brutto" war und ist kein "Wahlkampf-Slogan", sondern Ausdruck eines liberalen Gesellschaftsmodells, in dem die Freiheit und Verantwortung des Einzelnen das höchste Gut darstellt. Hierfür werden wir uns nicht nur bei der nächsten Bundestagswahl einsetzen, sondern solange, bis wir ein einfaches, niedriges und gerechtes Steuersystem in Deutschland haben.

Die Situation nach der Bundestagswahl war schwierig. Aufgrund der Eurokrise war die Konjunktur in der Bundesrepublik nach 2008 geschwächt und der Bundeshaushalt durch die Unterstützung der Banken zusätzlich belastet. Der Koalitionspartner, aber auch die mediale Öffentlichkeit hat Deutschland nicht zugetraut sich schnell von dieser konjunkturellen Delle zu erholen und massiv und gezielt Front gegen das zentrale Ziel der Liberalen gemacht. Ohne den Koalitionspartner war dieses Vorhaben selbstverständlich nicht möglich. Zu Koalitionen im Speziellen, aber auch zur Demokratie im Allgemeinen gehören immer auch Kompromisse. Und im Falle einer umfassenden Steuerreform haben sich die Liberalen überzeugen lassen, das Projekt vorerst zu verschieben - nicht jedoch das eigentliche Ziel aus den Augen zu verlieren.

Nichtsdestoweniger sollte nicht vernachlässigt werden, dass trotz der Krise Steuersenkungen in einem der Situation angemessenen Rahmen erfolgt sind, vor allen Dingen auf Initiative der FDP. Dass dies nicht genug ist, ist mir selbstverständlich klar und wird durch den oben angeführten Artikel des Handelsblattes eindrucksvoll bewiesen.

Im folgenden werde ich daher noch einmal kurz zusammenfassen, zu welchen Entlastungen es im Detail gekommen ist und wie diese mit den Konsolidierungsbemühungen Deutschlands in Zusammenhang stehen.

Um die Auswirkungen der Steuerentlastungen nach der Bundestagswahl 2009 angemessen beurteilen zu können muss zum einen betrachtet werden, wie sich die finanzielle Lage der privaten Haushalte dadurch verändert hat, zum anderen muss überprüft werden, ob und wenn ja in welchem Ausmaß der Staatshaushalt negativ beeinflusst wurde.

Der Bund der Steuerzahler hat 2011 berechnet, wie hoch das Netto-Einkommen von Arbeitnehmern mit unterschiedlichen Brutto-Löhnen war und diese Werte mit den entsprechenden Daten von 2009 verglichen. Ergebnis dieses Vergleichs war, dass Arbeitnehmern trotz gestiegener Kassenbeiträge bis zu 169 Euro mehr im Monat blieben.

http://www.liberale.de/files/5548/Steuerzahler_Netto2011.pdf

Naheliegend wäre es nun, zu vermuten, dass durch diese Entlastung der Steuerzahler zwar profitiert, die Haushalte des Staates jedoch geringere finanzielle Mittel zur Verfügung stehen. In diesem Sinne wäre die Kampagne dann also als Wahlkampftrick zu bezeichnen.
In der Tat gingen die Steuereinnahmen des Staates 2009 im Vergleich zum Vorjahr um insgesamt 6,6% zurück. Da dieser Rückgang allerdings nicht nur die Einkommenssteuer, sondern nahezu alle Steuerarten umfasste, ist der Grund hierfür weniger bei einer Absenkung des Einkommenssteuersatzes, sondern eher bei der 2008 beginnenden Finanzkrise zu suchen, die die gesamtwirtschaftliche Leistung in Deutschland erheblich schwächte.
http://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Standardartikel/Themen/Steuern/Steuerschaetzungen_und_Steuereinnahmen/2012-05-29-steuereinnahmen-nach-steuerarten-2006-2009.pdf?__blob=publicationFile&v=4
Mit dem Wiedererstarken der Konjunktur stiegen auch die Steuereinnahmen des Staates wieder an, 2011 betrugen sie mit ungefähr 573 Milliarden Euro sogar mehr als 12 Milliarden Euro mehr als 2008. Ein Zusammenhang zwischen scheinbarer Geldnot des Staates und Steuerentlastungen auf Forderung der FDP liegt also fern. Im Gegenteil: der Staat hat heute mehr Geld aus Steuereinnahmen zur Verfügung als das vor 2009 der Fall war.
http://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Standardartikel/Themen/Steuern/Steuerschaetzungen_und_Steuereinnahmen/2012-05-29-steuereinnahmen-nach-steuerarten-2010-2011.pdf?__blob=publicationFile&v=3
Der Grund für das Haushaltsdefizit sind also nicht die zu geringen Einnahmen, sondern vielmehr die zu hohen Ausgaben des Staates - und das sowohl beim Bund, aber vor allen Dingen bei Ländern und Kommunen. Aus Quellen des Statistischen Bundesamtes und des Bundesfinanzministeriums geht eindeutig hervor, dass die Ausgaben des Staates in Bezug auf die verschiedenen Ausgabenbereiche seit 1950 nahezu überall gestiegen sind und dies auch weiterhin tun.

1950 - 2008:
https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/GesellschaftStaat/OeffentlicheFinanzenSteuern/OeffentlicheFinanzen/AusgabenEinnahmen/EntwicklungAusgaben.pdf?__blob=publicationFile

2007-2012:
http://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Monatsberichte/Standardartikel_Migration/2009/02/statistiken-und-dokumentationen/finanzwirtschaftliche-entwicklung/tabellen/Tabelle_S05.html

2011 & 2012:
https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/GesellschaftStaat/OeffentlicheFinanzenSteuern/OeffentlicheFinanzen/AusgabenEinnahmen/Tabellen/Ausgaben.html

https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/GesellschaftStaat/OeffentlicheFinanzenSteuern/OeffentlicheFinanzen/AusgabenEinnahmen/Tabellen/Finanzierungssaldo.html

Die gestiegenen Ausgaben sind einerseits natürlich auf die Eurorettungsmaßnahmen der letzten Jahre zurückzuführen, beispielsweise die verfrühte Bareinzahlung von zwei Raten in den Europäischen Stabilitäts-Mechanismus (ESM), die im aktuellen Nachtragshaushalt mit 8,7 Milliarden Euro den größten Teil der Ausgaben ausmachen.
Andererseits werden diese aber auch dadurch verursacht, dass der Staat in immer mehr gesellschaftliche Bereiche eingreift und hierfür dann auch die Kosten tragen muss. Die Regierung versucht zwar, durch Konsolidierungsmaßnahmen sowohl das Finanzierungssaldo als auch die Neuverschuldung zu drücken, aus Sicht der FDP und gerade auch aus meiner Perspektive als Haushälter sind diese allerdings nicht weitreichend genug. Vor allem die Einführung neuer Sozialmaßnahmen ohne konkrete Gegenfinanzierungsvorschläge sollten vor diesem Hintergrund äußerst kritisch beobachtet werden.

Zuletzt möchte ich noch auf eine Informationsschrift hinweisen, die der Bund der Steuerzahler vor kurzem veröffentlich hat und in der einige interessante Untersuchungen zum Einfluss von erhöhten Einnahmen auf Konsolidierungsmaßnahmen des Staates zum Ausdruck kommen.

http://www.karl-braeuer-institut.de/files/20364/Schrift_112__Mai_2012__Schulemann_-_Steuererhoehungen_zur_Haushaltskonsolidierung_-_ein_Irrweg.pdf

Eine kurze Zusammenfassung der Thematik finden Sie unter der folgenden Adresse:

http://www.karl-braeuer-institut.de/files/40758/KBI_kompakt_8_Haushaltskonsolidierung_ueber_die_Einnahmenseite_-_Eine_falsche_Strategie.pdf

Mit freundlichen Grüßen,

Otto Fricke

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