Frage an Paul Schäfer bezüglich Innere Sicherheit

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Paul Schäfer
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Frage von Andreas K. •

Frage an Paul Schäfer von Andreas K. bezüglich Innere Sicherheit

Immer wieder hört man ja von ihrer Fraktion austritt aus Nato und am besten Abschaffung der Bundeswehr, nun Frage ich mich gerade im Zusammenhang mit dem Anti-Terror-Kampf wie soll man sich schützen wenn man nicht in der Lage wäre Militärisch eingreifen zu können?
Worte mögen ja schön und gut sein, aber mit Worten werden sie bei Leuten wie Bin laden niemals was erreichen.
Für mich jedenfalls brauch man um überhaupt einigermaßen sich schützen zu können eine Starke Armee die in der Nato vorhanden ist.
Ich empfinde es als Frechheit das ihre Partei so respektlos mit der Arbeit der Soldatinnen und Soldaten umgehen die sie machen damit selbst Sie und ihre Mitglieder der Partei Sicher in Deutschland leben können.
Daher wäre ein Ablehnen was Verlängerungen von Einsätzen angeht ein Sieg für Bin Laden und ich glaube kaum das ihren Wählerinnen und Wählern das wirklich gefallen würde.

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Koch,

herzlichen Dank für Ihre Frage, die vom Versuch kritischer Auseinandersetzung mit Positionen der Partei DIE LINKE zeugt. Sie freut mich insbesondere, weil sie mir Gelegenheit gibt, einleitend einige Punkte klarzustellen, die in der öffentlichen Debatte allzu oft falsch wiedergegeben werden:

1. Die völlige Abschaffung der Bundeswehr gehört durchaus nicht zu unseren Forderungen. Wir fordern vielmehr, dass die Bundeswehr sich auf ihren verfassungsgemäßen Auftrag der Landesverteidigung beschränkt und nicht an allen Ecken versucht, neue Aufgabengebiete an sich zu ziehen. Angesichts einer fehlenden Bedrohung durch fremde Streitkräfte halten wir für die Erfüllung dieses verfassungsgemäßen Auftrages eine Freiwilligenarmee mit einer Stärke von etwa 100.000 SoldatInnen für vollauf ausreichend. Ausführlichere Informationen zu diesem Thema finden Sie unter http://www.linksfraktion.de/thema_der_fraktion.php?artikel=1761563604 und http://www.paulschaefer.info/cms/userfiles/File/FriedenspolLeitlinien.pdf
Auch die Forderung nach dem Austritt aus der NATO wird von der Partei DIE LINKE so nicht erhoben. Es ist zwar richtig, dass wir die NATO für überflüssig halten, weil sie sich überlebt hat und mittlerweile vorrangig der Durchsetzung US-amerikanischer Interessen dient. Wir halten sie darüber hinaus für schädlich, weil aus Rücksicht auf Bündnispartner wesentliche Entscheidungen verschleppt oder nach falschen Kriterien getroffen werden, was wichtige sicherheitspolitische Institutionen wie OSZE und UNO schwächt. Eine NATO ohne Deutschland wäre aber keine bessere NATO, daher fordern wir nicht einen unilateralen Austritt, sondern die Auflösung des gesamten Bündnisses.

2. Die Partei DIE LINKE ist weit entfernt davon, der Arbeit von Soldaten pauschal mit Respektlosigkeit zu begegnen. Sie beobachtet genau und kritisch die Arbeitsbedingungen der Truppe, steht in engem Kontakt mit Bundeswehrverband und Wehrbeauftragtem und setzt sich u.a. für eine menschenwürdige Ausbildungsmethoden, angemessene Unterkünfte und eine Erhöhung des Wehrsoldes ein. Sie ist allerdings der Meinung, dass die politischen Entscheidungen, die die Arbeit der Soldaten bestimmen, allzu oft auf fatale Weise falsch sind. Diesen Schuh hat sich indessen nicht der einzelne Soldat anzuziehen, sondern die Bundesregierung.

3. Der "Krieg gegen den Terror" ist kein sinnvolles Konzept, sondern ein propagandistisches Schlagwort. "Krieg gegen Terror" kann schon aus dem Grund nicht funktionieren, dass die Wurzeln des Terrors nicht in einer zu friedlichen Welt liegen, sondern in einer zu gewalttätigen: Wenn Eltern Nahrung und Bildung für ihre Kinder nur sicherstellen können, indem sie sie zu einem Hassprediger in die Schule schicken, ist das Gewalt und fördert Terror. Wenn Jugendliche keine Chance auf Arbeit und Einkommen haben und deshalb empfänglich für Hetzparolen werden, ist das Gewalt und fördert Terror. Wenn Familienvätern das Haus zerbombt und die Liebsten getötet werden, ist das Gewalt und fördert Terror. Wenn Menschen willkürlichen Verhaftungen, Folter und allerlei demütigenden Übergriffen durch Staats- oder Besatzungsmacht ausgesetzt sind, ist das Gewalt und fördert Terror.
Mit Soldaten kommen Sie diesen Terrorursachen nicht bei. Nötig sind vielmehr zivile Programme, die Bildung schaffen, Perspektiven, Wohlstand und Rechtsstaatlichkeit. Krieg hingegen, und sei er auch noch so gut gemeint, zerstört all diese Terrorbekämpfungsmöglichkeiten. Insofern trägt die "Arbeit" der Soldatinnen und Soldaten in Afghanistan auch nicht dazu bei, dass ich, ein Mitglied meiner Partei oder irgendein anderer Bürger sicher in Deutschland leben kann -- sie verstärkt vielmehr die Unsicherheit, weil sie dazu führt, dass beständig neue Terroristen nachwachsen.

Damit sind wir schon fast bei Ihrer eigentlichen Frage -- wie nämlich dem internationalen Terrorismus ohne "starke Armee" beizukommen sei: Die Bevölkerung vor Terroristen und anderen Kriminellen zu schützen, ist nicht Aufgabe der Armee -- sei es die eigene oder eine fremde --, sondern der Polizei und der Gerichte. Wenn Polizei und Gerichte in Afghanistan dazu nicht in der Lage sind, muss man sie stärken. Wenn Deutschland sich daran beteiligen will, ist das nicht Aufgabe des Verteidigungsministeriums, sondern der Ministerien für Inneres, Justiz und Entwicklung. Besonders letzterem kommt auch die weit wichtigere Aufgabe zu, die Lebenssituation der Menschen in Afghanistan so zu verbessern, dass sich nicht mehr zehn Terrorismusanwärter aus Wut, Rache, Verzweiflung oder Perspektivlosigkeit darum drängeln, den Platz eines aus dem Verkehr gezogenen Terroristen einzunehmen. Militärische Lösungsansätze hingegen, das lässt sich nach fast sechs Jahren "Krieg gegen den Terror" anhand der sich eher verschlimmernden Situation leicht feststellen, sind dafür denkbar ungeeignet.

Mit freundlichen Grüßen,
Paul Schäfer