Frage an Peter Gauweiler bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Portrait von Peter Gauweiler
Peter Gauweiler
CSU
Zum Profil
Frage stellen
Die Frage-Funktion ist deaktiviert, weil Peter Gauweiler zur Zeit keine aktive Kandidatur hat.
Frage von Patrick W. •

Frage an Peter Gauweiler von Patrick W. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Dr. Gauweiler,

was spricht Ihres Erachtens gegen die Einführung des Mehrheitswahlrechts ?
(... vom Eigeninteresse der Parteien abgesehen.)

mit freundlichen Grüßen

Patrick Wüller

Portrait von Peter Gauweiler
Antwort von
CSU

Sehr geehrter Herr Wüller,

Die Hälfte des Parlaments wird nicht direkt von den Bürgern gewählt, sondern kommt nur via Parteiliste ins Mandat. Daraus entsteht eine verquere Selbstwahrnehmung des Abgeordneten, der seine Initiativen und sein Abstimmungsverhalten am Wohlwollen der Partei ausrichtet und deren Vorstellung von einer „richtigen“ Volksvertretung. Das unmittelbare Interesse des eigentlichen Souveräns, des Wahlvolks, tritt in den Hintergrund.

Die Listenaufstellung durch die Parteien für die Bundestagswahl muss neu geregelt werden, am besten sollte sie komplett gestrichen werden. Statt der bisherigen Nominierungen in Kungelrunden brauchen wir gerade für die Spitzenämter ein für alle transparentes und im offenen Wettbewerb praktiziertes Aufstellungs- und Vorwahlverfahren, das Mitglieder und Nichtmitglieder der Parteien in Deutschland einbezieht. Es ist nicht demokratisch, dass die Hälfte aller Bundestagsabgeordneten nicht von Wählerinnen und Wählern bestimmt wird. Weder namentlich noch in einem persönlichen Auswahlverfahren. Ansehen und Vertrauen des Kandidaten in der Wählerschaft müssen wieder wichtiger sein als das Votum der Parteigremien. Wenn immer weniger in der Wahlkabine entschieden wird, wer regiert, werden immer mehr Bürger die Teilnahme an solchen „Wahlen“ verweigern.

Im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland ist bewusst darauf verzichtet worden, ein bestimmtes Wahlsystem vorzuschreiben. Die nähere Ausgestaltung der Wahlen zum Deutschen Bundestag hat der Verfassungsgeber einem einfachen Bundesgesetz überlassen (Art. 38 Abs. 3 GG). Die Ausnahme ist das Wahl- und Wählbarkeitsalters, das in Art. 38 Abs. 2 GG festgelegt wurde. Das Bundesverfassungsgericht vertritt dementsprechend in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dem Gesetzgeber sei ein weiter Gestaltungsspielraum eingeräumt. Um den Regelungsauftrag des Art. 38 Abs. 3 GG auszuführen, darf der Gesetzgeber das Verfahren in Form der Mehrheitswahl oder als Verhältniswahl ausgestalten.
Die Einführung des Mehrheitswahlrechts würde die Autorität zur Mehrheitsbildung den Wählern zurückgeben.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Peter Gauweiler