Frage an Rainer Arnold von Holger K. bezüglich Finanzen
Hallo Herr Arnold,
ich will mich kurz vorstellen.. ich habe BWL (Schwerpunkt Finanzen) studiert und bin seit 10 Jahren selbstständiger Unternehmer im Finanzbereich und daher auch schon 10 Jahre für meine Mandanten tätig.. bei der Anzahl der Mandanten bekomme ich immer wieder ein gutes Stimmungsbild der Menschen ab... aktuell ist die Lage eher keine gute...
...daher hätte ich heute heute mal eine Frage an Sie:
Da ja nach einer turbolenten Woche an der Börse der DAX etliche Punkte verloren hat und die Probleme sowohl in Amerika wie auch im Euroraum weiter am köcheln sind, ist die Politik bei ihrer vergeblichen Suche nach einer Lösung jetzt auf ein neues kurzfristiges Heilmittel gestossen.. die Euro-Bonds...
...meine konkrete Frage für heute lautet: Was halten sie von den Euro-Bonds?
Ich bin über ihre fachliche Antwort sehr gespannt.
viele Grüße
Holger Kromer
Sehr geehrter Herr Kromer,
bei der Diskussion um die Eurobonds möchte ich eingangs auf zwei Dinge hinweisen.
Zum einen befinden wir uns derzeit bereits längst in einer Situation, wo wir für einen Teil der Staatsschulden der anderen mithaften. Der Rettungsschirm und der massenhafte Aufkauf griechischer und irischer Staatsanleihen durch die EZB sind Ausdruck dessen. Faktisch ist dies ein Gemeinschaftshaftung der Mitglieder der Währungsunion. Die ursprünglich im Maastrichter Vertrag vorgesehene No-Bailout-Klausel, d.h. dass man unter keinen Umständen für die Schulden des anderen einspringt, war nicht durchzuhalten. Grund dafür war weniger die Bereitschaft, die Schulden der anderen zu bezahlen, sondern ganz erhebliche systemische Risiken, sprich die Furcht vor einem Kollaps an den Finanzmärkten. Eurobonds als neues Instrument könnten bei geeigneter Ausgestaltung dazu dienen, die Euro-Zone zu stabilisieren, hierbei mehr Transparenz zu schaffen und zu verhindern, dass künftige Krisen ausufern wie die derzeitige.
Zum anderen sind Eurobonds sicherlich nicht der allein selig machende Weg. Sie können jedoch - neben dem Ausgleich der Leistungsbilanzen und der zwingend notwendige Banken- und Finanzmarktregulierung - _ein_ Baustein zur Bewältigung der Finanzkrise sein.
Die Äußerungen der Bundeskanzlerin in dieser Frage sind dabei mit Vorsicht zu betrachten, haben doch die Ereignisse der vergangenen beiden Jahre gezeigt, dass die Halbwertszeit ihrer Standpunkte recht gering ist. So konnte die Bundesregierung konnte auch noch nicht schlüssig erklären, warum sie Eurobonds zwar ablehnt, beim EU-Krisengipfel am 21. Juli 2011 aber der Erweiterung der Befugnisse European Financial Stability Facility (EFSF) bzw. des Europäischer Stabilitätsmechanismus (ESM) zugestimmt hat. Durch diese Kompetenzausweitungen unterstützen die EFSF-Mitglieder gemeinsam andere Staaten, die ihren Finanzierungsbedarf nicht mehr oder nur noch gegen hohe Risikoaufschläge selbst decken können. Diese konditionierte Unterstützung wirkt wie eine gemeinsame Haftung für Verbindlichkeiten und folgt damit einem ähnlichen Grundgedanken wie das Konzept der Eurobonds. Die EFSF bzw. der ESM soll künftig
- auf Grundlage eines vorsorglichen Programms tätig werden können, d.h. EFSF/ESM-Mittel können auch schon vor Eintreten des Zahlungsausfalls präventiv eingesetzt werden, um Risikoaufschläge auf Staatsschuldtitel zu begrenzen. Der EFSF-Zins soll dabei unter Marktniveau liegen;
- die Rekapitalisierung von Finanzinstituten durch Darlehen an Regierungen, auch in Nicht-Programmländern (d.h. Ländern, die bislang keine Unterstützung der EFSF erhalten) finanzieren können;
- an den Sekundärmärkten auf der Grundlage einer Analyse der EZB, in der das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände auf dem Finanzmarkt und Gefahren für die Finanzstabilität festgestellt werden, und auf der Grundlage eines einvernehmlich gefassten Beschlusses der Mitgliedstaaten intervenieren können, um eine Ansteckung zu verhindern.
Die Kritiker der Eurobonds befürchten nun die Einführung einer Transferunion, rapide ansteigende Zinskosten für fiskalisch stärkere Länder wie Deutschland sowie mangelnde Anreize für die fiskalisch schwächeren Länder zur Haushaltsdisziplin.
Schaut man sich aber das Modell des Brüsseler Forschungsinstituts Bruegel als Basis der aktuellen Diskussion an, wird deutlich, dass keineswegs daran gedacht ist, den vollständigen Finanzierungsbedarf aller Mitglieder der Währungsunion über die gemeinsamen Anleihen zu decken. Vielmehr soll nach diesem Modell die Staatsschuld der Eurostaaten in zwei Tranchen aufgeteilt werden:
Die erste Tranche der Staatsverschuldung bis zur Maastricht-Schuldengrenze von 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts soll gemeinsam von den Staaten der Eurozone emittiert werden. Sie wäre mithin europäisch abgesichert.
Die zweite Tranche mit der gesamten Staatsverschuldung jenseits der Maastricht-Schuldengrenze von 60 Prozent des BIP wäre laut diesem Modell in rein nationaler Verantwortung. Diese Anleihen dürften dann von Banken nicht als Sicherheiten bei der EZB eingereicht werden und würden somit weitgehend aus dem Bankensystem herausgehalten. Damit wäre das systemische Risiko im Falle einer staatlichen Insolvenz minimiert und ein weiteres wichtiges Ziel erreicht, nämlich dass die Staaten für ihre Staatsschuld zumindest jenseits der 60-Prozent-Grenze eigenverantwortlich haften und somit aus Eigeninteresse an einer soliden Haushaltspolitik interessiert wären. Unsolide wirtschaftende Länder könnten nach dem Bruegel-Modell zudem damit bestraft werden, dass sie einen geringeren Anteil ihrer Staatsschulden über Eurobonds finanzieren dürfen.Überdies sollen die nationalen Anleihen nachrangig bedient werden, d.h. falls ein Land in Zahlungsschwierigkeiten gerät, müsste es zuerst die Eurobonds zurückerstatten. Auch diese Maßnahmen hätte haushaltsdisziplinierenden Charakter.
Da die realen realen Risiken hoher Staatsverschuldung national bleiben würden, hätten die eigentlichen Eurobonds (unterhalb der 60-Prozent-Grenze) eine höhere Qualität als wenn die gesamten Staatsschulden der Eurozone vergemeinschaftet würde. Wenn es also gelingt, den institutionellen Rahmen dieser Anleihen glaubwürdig auszugestalten, dürften auch die Zinskosten eher niedrig ausfallen. Entscheidend für die Konsequenzen dieses Modells - gerade auch für Deutschland - ist also, wie man dieses Instrument ausgestaltet.
Diese Fragen werden derzeit auch in meiner Fraktion noch diskutiert. Dabei halte ich das oben genannte Modell für eine bedenkenswerte Diskussionsgrundlage. Entscheidungen hierzu stehen jedoch nach gründlicher Debatte nach dem Ende der parlamentarischen Sommerpause im September an.
Nachdem Sie in meinem Wahlkreis leben, können wir diese Fragen auch gerne im persönlichen Gespräch erörtern. Sollten Sie Interesse an einem Treffen in meinem Nürtinger Wahlkreisbüro haben, kontaktieren Sie bitte mein Büro unter rainer.arnold@bundestag.de . Meine Mitarbeiter vereinbaren dann gerne einen Termin.
Mit freundlichen Grüßen
Rainer Arnold