Frage an Rainer Arnold von Elisabeth M. bezüglich Verkehr
Sehr geehrter Herr Arnold,
der Aufsichtsrat der DB AG hat entschieden, dass S 21 weitergebaut werden soll, obwohl die Finanzierung der Mehrkosten von 2,3 Milliarden Euro nicht geklärt und das Projekt nicht wirtschaftlich ist.
In Ihrer Antwort vom 18.4.2013 bestätigen Sie für die SPD B-W, dass das Land sich an diesen 2,3 Mrd. nicht beteiligen wird.
Das ist erfreulich für unsren Landeshaushalt.
Aber es löst nicht das Grundproblem, dass die DB AG (und damit auch der Bund) sich mit einem unwirtschaftlichen, technisch und finanziell unkalkulierbaren Projekt belastet haben.
Meine Frage an Sie als BT-Abgeordneten:
- Finden Sie es richtig, dass die bundeseigene DB AG ein unwirtschaftliches Projekt weiterführt?
Sie halten S21 anscheinend für sinnvoll. Als konkreten Nutzen nennen Sie Verbesserungen beim Regionalverkehr. Den Bahnverkehr im Großraum Stuttgart kann ich nicht beurteilen. Aber auch bei uns in der Region Rhein-Neckar wird seit 2001 die S-Bahn ausgebaut. Gesamtkosten dafür, inclusive neuer Fahrzeuge, laut Wikipedia ca. 500 Millionen Euro.
Frage an Sie als Vertreter Ihrer Region:
- Muss man für die Verbesserung des Regionalverkehrs 6,8 Mrd ausgeben und einen kompletten Bahnknoten vergraben?
Sie kritisieren den Filderbahnhof, weil er für Behinderte oder Kinderwägen nicht geeignet ist.
Ja, Bequemlichkeit, Barrierefreiheit und Sicherheit sollten selbstverständlich sein.
Aber beim ganzen Projekt S21 wird das vernachlässigt. Im Tiefbahnhof S21 wird es für (mindestens) die gleiche Zahl von Fahrgästen nur noch vier statt acht Bahnsteige geben, die auch nur über (Roll-)Treppen und Aufzüge erreichbar sind. Es gibt noch kein genehmigtes Brandschutz- und Evakuierungskonzept für die Tunnelstrecken und die Tiefbahnhöfe. S21 wird beengter und gefährlicher sein als der jetzige Bahnknoten.
Dritte Frage:
- Da Ihnen Barrierefreiheit wichtig ist, müssten Sie dann nicht dem Gesamtprojekt S21 eher skeptisch gegenüber stehen?
Mit freundlichen Grüßen
Elisabeth Müller
Sehr geehrte Frau Müller,
selbstverständlich möchte ich Ihre Fragen an mich gerne beantworten.
Bevor ich konkret auf Ihre drei Fragen eingehe, möchte ich voranstellen, dass ich in Diskussionen über das Für und Wieder von Stuttgart 21 zurzeit keinen Sinn sehe. Als Politiker, der Elemente der direkten Demokratie immer begrüßt hat, fühle ich mich an die Entscheidung der Bürgerinnen und Bürger von Baden-Württemberg beim Bürgerentscheid vom November 2011 gebunden. Diese Mehrheitsentscheidung in Frage zu stellen, heißt für mich im Umkehrschluss die Demokratie in Frage zu stellen. Wofür ich mich hingegen einsetze ist eine bestmögliche Realisierung von Stuttgart 21 und dies vor allem dort wo ich zuständig bin, in meinem Wahlkreis.
Bezugnehmend auf Ihre erste Frage, ob ich es richtig finde, dass die Deutschen Bahn AG ein unwirtschaftliches Projekt weiterführt, fällt meine Antwort knapp aus. Eine Bewertung meinerseits oder generell eines Bundestagsabgeordneten ist in dieser Sachfrage nicht von entscheidungsgebender Relevanz. Die Bewertung und Entscheidung das Projekt Stuttgart 21 fortzuführen, auch unter dem Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit liegt bei der DB AG. Ich für meine Person sehe mich den Fakten verpflichtet. Die Bahn als Bauherrin hält an dem Projekt fest. Das Projekt Stuttgart 21 ist durch einen Bürgerentscheid demokratisch legitimiert.
Ihre zweite Frage bezieht sich auf die Höhe der Kosten, die bei einer Verbesserung des Regionalverkehrs im Zuge von Stuttgart 21 entstehen werden. Seit jeher absolut begrüßenswert sind für mich die neuen und schnellen Verkehrswege, die aus dem Süden ins Zentrum Stuttgarts entstehen. Deutlich kürzere Fahrzeiten vom Raum Nürtingen/Tübingen/Reutlingen über die Fildern Richtung Böblingen und Sindelfingen machen die Bahnverbindung auch attraktiver. Zudem brauchen wir die geplante schnelle ICE-Verbindung Stuttgart-München. Auf dieser Strecke wird nach wie vor, trotz der vergleichsweise geringen Distanz, geflogen, weil die Zugverbindung viel zu langsam ist. Nimmt man die schnelle Verbindung Stuttgart-Köln mit einer Fahrtzeit von 2 ¼ Stunden sieht man, dass das Fliegen unattraktiv wird wie z. B. auch die schnelle Zugverbindung Stuttgart-Paris beweist. Ob man diese Effekte auch mit weniger Mitteln erzielen kann, ist auch in meinen Augen keine ganz unberechtigte Frage. Die Kosten für das Gesamtprojekt sind, auch verglichen mit der Modernisierung anderer Bahnhöfe hoch. Diese Tatsache ist inzwischen wohl jedem Bürger bekannt. Trotzdem hielt die alte schwarz-gelbe Landesregierung und die DB AG an den Plänen fest. Bei allen Vorzügen, die Stuttgart 21 auch in meinen Augen bringt, hätte ein insgesamt transparenteres Verfahren und dies gilt auch für das Kostenmanagement, sicherlich zu einer größeren Akzeptanz in der Bevölkerung geführt und manche Probleme wären allen Beteiligten erspart geblieben.
Dies führt mich direkt zu Ihrer dritten Frage. Ja, Lärmschutz und Sicherheit sind für mich gerade auf den Fildern wichtige Themen und ich sehe hier nach wie vor die Notwendigkeit zur Korrektur der bestehenden Pläne. In diesem Bereich sehe ich wesentliche Kritikpunkte, deshalb ändere ich meine Grundhaltung aber nicht komplett. Beim Thema Barrierefreiheit teile ich Ihre Befürchtungen nicht. Auch am Filderbahnhof, wo ich vor allem Verbesserungen bei den Umsteigemöglichkeiten einfordere, werden die Bedürfnisse für Menschen im Rollstuhl oder Kinderwägen Berücksichtigung finden. Auch am alten Stuttgarter Bahnhof gab und gibt es Treppen und moderne Bahnhofsneubauten, wie z. B. in Berlin haben auch unterschiedlich hohe Niveaus, wo man individuelle Lösungen für besondere Bedürfnisse gefunden hat.
Verbesserungen einfordern bedeutet nicht, eine Hintertür für die in meinen Augen abgeschlossene Debatte über ein Ende von Stuttgart 21 neu zu beginnen. Ich betone an dieser Stelle nochmals, dass der Bürgerentscheid ein eindeutiges Votum für Stuttgart 21 erbracht hat. Ich stehe für eine offene Debatte über Schwachstellen bei den Planungen auf den Fildern. Ich wünsche mir Ehrlichkeit in der Auseinandersetzung, was mögliche Verbesserungen kosten. Ich stehe für den sachlichen Austausch von Argumenten und akzeptiere gerne, wenn jemand zu einer anderen Meinung gelangt als ich selbst. Denn das Lagerdenken hilft uns bei diesem Projekt nicht weiter. Jetzt geht es darum bei der Umsetzung eines schwierigen Großprojekts nicht im Kleinen zu versagen.
Ich hoffe Ihnen mit meinen Ausführungen Ihre Fragen beantwortet zu haben und stehe Ihnen auch für ein persönliches Gespräch gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Rainer Arnold