Frage an Rainer Arnold von Volker H. S. bezüglich Recht
TTIP verfassungswidrig wegen Investititionshemmnisse – Klausel = Beschränkung des BTags zur Gesetzgebung
Sehr geehrter Herr Arnold,
wegen der vorgesehenen Investitionshemmnisse – Klausel ist anscheinend ein Zustimmungsbeschluß des Deutschen Bundestags wegen der damit verbundenen Beschränkung des BTags zur Gesetzgebung verfassungswidrig.
Wie sehen Sie das?
Mit freundlichen Grüßen
H. - Ministerialrat a.D.
Isernhagen
Sehr geehrter Herr Schendel,
Sie beziehen sich mit Ihrer Frage offensichtlich auf die Ergebnisse des Gutachtens der Professoren Groh und Khan vom Münchener Institut für Öffentliches Recht und Völkerrecht der Universität der Bundeswehr. Hierin wird die Aussage getroffen, dass Investor-Staat Schiedsverfahren nicht mit dem Grundgesetz vereinbar seien, da die entsprechenden Entscheidungen gerade bei Schadensersatzforderungen ausländischer Investoren gegen den deutschen Staat bei der deutschen Justiz liegen müsse und mit den privaten Schiedsverfahren Verstöße gegen Art. 14 Abs. 3, Art. 34 Abs. 3, 19 Abs. 4 und 92 GG vorliegen würden.
Art. 92 GG sieht jedoch nur vor, dass die staatliche Rechtsprechung durch unabhängige Richter und die in Art. 93 genannten Gerichte ausgeübt werden muss. Wenn der Staat in die Rechte seiner Bürger durch Gerichte eingreifen will und/oder der Bürger den Staat um Rechtsschutz ersucht, dann müssen folglich immer öffentlich bestellte und unabhängige Richter zuständig sein. Art. 92 GG gebietet nicht, alle Aufgaben der Gerichte staatlichen Richtern vorzubehalten und verbietet dem Staat nicht, Privaten die Möglichkeit einzuräumen, Streitigkeiten anderweitig als durch staatliche Richter lösen zu lassen.
Schiedsgerichte verstoßen laut Aussage von Rechtsexperten auch nicht gegen Art. 19 Abs. 4 GG, da dieser Artikel nur garantiert, dass jedem der Weg zu den Gerichten offensteht. Daran ändert ja auch das Vorhandensein von privaten Schiedsgerichten nicht. Sie stellen somit nur eine Alternative zu staatlichen Gerichten dar, da man nutzen kann, aber nicht muss. Schiedsgerichte können überdies nur tätig werden, wenn alle Beteiligten (Kläger und Beklagte) vorher zugestimmt haben.
Schiedsgerichte verstoßen auch nicht gegen Art. 14 Abs. 3 oder Art. 34 Abs. 3 GG, die eine Rechtswegegarantie für Entschädigungen bzw. Staatshaftungsansprüche zu ordentlichen Gerichten eröffnen. Damit wird verboten, den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für Entschädigungsklagen einzuschränken. Es folgt daraus aber nicht die Pflicht, diesen Rechtsweg in Anspruch zu nehmen. Daher folgt daraus auch kein Verbot, neben ordentlichen Gerichten Schiedsgerichte zur freiwilligen Streitschlichtung anzubieten. Mit den Schiedsgerichten wird daher nur ein zusätzlicher Rechtsweg eröffnet.
Zur Wahrheit gehört aber auch, dass Deutschland in den vergangenen Jahrzehnten mit mehr als 130 Ländern entsprechende Abkommen zum Investorenschutz geschlossen hat - und zwar vor allem deshalb, weil hiervon deutsche Unternehmen profitieren. So klagen derzeit z.B. ein Dutzend deutsche Firmen, unter ihnen die Stadtwerke München und Rheinenergie aus Köln gegen Spanien. Dort gab es extrem hohe Einspeisevergütungen für Ökostrom, weshalb deutsche Unternehmen dort riesige Solarfelder errichteten. Wenig später kam die Schuldenkrise, Spanien stand vor der Pleite, konnte die versprochenen Milliarden für den Ökostrom nicht mehr zahlen und kürzte die Subvention. Die deutschen Investoren bestanden auf die versprochene Unterstützung - und klagten auf Hunderte Millionen Euro Schadensersatz- vor privaten Schiedsgerichten.
Davon einmal ganz abgesehen wollen wir kein Investorenschutzkapitel nach der herkömmlichen Forum in TTIP, zumal ja beide Handelsräume über funktionierende Rechtsprechung verfügen. Wir wollen eine Reform des Investorenschutzes, d.h. die Schiedsverfahren sollen so ausgestaltet werden, dass die Rechte ausländischer Investitionen und Investoren gesichert sind und es zugleich rechtsstaatliche Alternativen zu den bislang geplanten Schiedsgerichten gibt. Sigmar Gabriel hat dazu ja schon detaillierte Vorschläge gemacht. Er schlägt einen europäisch-amerikanischer Handelsgerichtshof vor, der bei Konflikten zwischen Konzernen und Regierungen tätig würde. Statt vor Schiedsstellen würden die Streitigkeiten dann vor einem ständigen internationalen Gericht stattfinden. Dafür würden feste Richter ernannt, ein Drittel von ihnen von der EU und ihren Mitgliedsstaaten, ein Drittel von den USA, das letzte Drittel gemeinsam. Die Verfahren sollen öffentlich stattfinden. Außerdem würde es nun eine Kammer geben, vor der Berufung eingelegt werden kann. Und: Es muss festgelegt sein, dass ausländische Investoren keinen besseren Schutz vor staatlichen Eingriffen erhalten als inländische. Diesen Vorschlag hat Sigmar Gabriel bereits an die zuständige EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström gegeben, die auch positiv hierzu geäußert hat. Gemeinsam mit unseren Kolleginnen und Kollegen im Europäischen Parlament werden wir uns als Sozialdemokraten auch in diesem Sinne in die Diskussion einbringen.
Mit freundlichen Grüßen
Rainer Arnold