Frage an Rainer Wend bezüglich Senioren

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Rainer Wend
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Frage von Manfred S. •

Frage an Rainer Wend von Manfred S. bezüglich Senioren

Sehr geehrter Herr Dr. Wend,

in den «Stuttgarter Nachrichten» kritisierten Sie die geplante Rentenerhöhung auf 1,1 Prozent. Ich frage mich, in welcher Welt leben Sie eigentlich? Vermutlich haben Sie noch nichts von steigenden Lebenshaltungskosten und Altersarmut in Deutschland gehört? Diese Rentenerhöhung von ca. 5 Euro reicht gerade z.B. die erneute Erhöhung der Monatskarte für Rentner in meiner Heimatstadt auszugleichen.

Sonderbar, bei der eigenen Diätenerhöhung über 9 Prozent für den Zeitraum von zwei Jahre am 16.11.2007 haben Sie schon zugestimmt!

Da lobe ich mir Herrn Seehofer von der CSU, der diese mickrige Rentenerhöhung beanstandet. Auch die von der SPD beschimpften Linken fordern eine stärkere Anhebung der der Renten.

Geld ist doch reichlich vorhanden, siehe z.B. Transrapid, Zuschüsse für die Landesbanken, Diätenerhöhungen oder Senkung der Unternehmenssteuer usw.

Seit der Verkündigung der Agenda 2010 am 5.März 2003 hat sich die SPD vom Sozialstaat verabschiedet. Noch nie wurde so einseitig neoliberale Politik in Deutschland gemacht als unter Clement und Schröder. Umverteilung von unten ( Rentenreform usw. ) nach oben ( Senkung der Unternehmenssteuer usw. ). Kein Wunder, wenn man sich nun die aktuellen Jobs der beiden Herren jetzt anschaut.

Die SPD ist seit ihrer Regierungszeit nicht mehr die Partei des kleinen Mannes. Die ältere Generation wird nicht mal mehr bei Wahlkampfzeiten erwähnt. Warum sollen diese Leute überhaupt noch SPD wählen? Die jüngsten Meinungsumfragen bestätigen meine politische Wahrnehmung.

Meine Frage lautet,

warum befürworteten Sie eine Diätenerhöhung und auf der anderen Seite lehnen Sie jetzt eine Rentenerhöhung von 1,1 Prozent ab?

Mit freundlichen Grüssen

Manfred Sollinger

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SPD

Sehr geehrter Herr Sollinger,

Ich habe mich keineswegs gegen die Rentenerhöhung ausgesprochen, weil ich Rentnern keine höhere Rente gönne. Ich weiß, wie sparsam viele Rentnerinnen und Rentner mit ihrem Geld umgehen müssen, und dass die geplante Erhöhung für die meisten Rentner hilfreich ist.

Wir haben allerdings bereits jetzt ein erhebliches finanzielles Defizit in der gesetzlichen Rentenversicherung, das mit Zuschüssen aus dem Bundeshaushalt ausgeglichen werden muss. Diese Zuschüsse belaufen sich mittlerweile auf knapp 80 Mrd. Euro im Jahr - das ist ein Drittel des gesamten Bundeshaushaltes. Ergreifen wir keine Gegenmaßnahmen, wird das Finanzierungsdefizit der Rentenkasse zunehmen. Denn durch die demographische Entwicklung veraltet unsere Gesellschaft. Die Menschen werden immer älter und wir haben immer weniger Kinder. So positiv die höhere Lebenserwartung für uns alle ist, sie führt auch dazu, dass Rentner länger Rente erhalten. Besonders in Kombination mit der zu niedrigen Geburtenrate hat das enorme Auswirkungen auf unser Rentensystem: Während 1950 ein Rentner noch durch die Beiträge von vier Erwerbstätige finanziert wurde, sind es heute noch zwei Beitragszahler je Rentner. 2040 werden es lediglich noch 1,5 sein und bereits 2050 beträgt das Verhältnis unter gleich bleibenden Bedingungen fast eins zu eins.

Diese Zahlen machen eines deutlich: Die Renten der heute jungen Generationen werden deutlich niedriger ausfallen, als die jetzigen Renten. Um im Alter nicht auf die Unterstützung des Staates angewiesen zu sein, müssen junge Menschen deshalb deutlich mehr als die heutige Rentnergeneration private Vorsorge betreiben. Die jetzt geplante Rentenerhöhung wird dazu führen, dass die Rentenversicherungsbeiträge von heute 19,9% in naher Zukunft nicht sinken und die Lohnnebenkosten damit nicht geringer werden.

Bei genauer Betrachtung der Dimensionen um die es hier geht, wird zudem deutlich, dass ein Vergleich mit der Erhöhung der Abgeordnetendiäten nicht sinnvoll ist: Die Mehrkosten für die Erhöhung der Abgeordnetenentschädigung belaufen sich im Jahr auf rund 2,4 Millionen Euro. Die Rentenversicherung wird durch die geplante Erhöhung dagegen um 1,2 Milliarden belastet! Da bei der Reform der Abgeordnetenbezüge zudem auch Änderungen bei der Altersentschädigung vorgenommen wurden, werden die Änderungen langfristig zu Einsparungen führen. Zur Frage, weshalb ich die Erhöhung der Abgeordnetendiäten für richtig halte, habe ich auf diesem Portal schon mehrfach Stellung genommen. Ich bitte Sie deshalb, sich meine entsprechenden Antworten (z.B. die Antwort vom 14.11.2007) durchzulesen.

Ihre Ansicht, die SPD würde sich nicht mehr um die Interessen der Menschen kümmern, teile ich nicht. Ich weiß, dass wir in der Vergangenheit eine Reihe von unpopulären und umstrittenen Maßnahmen durchgeführt haben. Die Entwicklung der Welt in den vergangenen Jahrzehnten lässt uns aber keine Wahl. Denn die großen Herausforderungen unserer Zeit – Globalisierung und demographische Entwicklung – haben die Anforderungen an staatliches Handeln stark verändert haben. Wer behauptet, die heutigen Probleme mit den Mitteln der 70er Jahre des letzten Jahrhunderts lösen zu können, belügt die Menschen. Die Realität sieht anders aus: Kommunikations- und Transportwege erschließen mittlerweile beinahe jeden Winkel unseres Planeten, viele Produkte können dort hergestellt werden, wo die günstigsten Bedingungen herrschen und das Kapital wird da investiert, wo es die meisten Profite erzielen kann. Gleichzeitig wird unsere Gesellschaft wie oben beschrieben immer älter. Wenn wir unsere sozialen Sicherungssysteme nicht jetzt an die Herausforderungen anpassen und zukunftsfähig machen, werden sie in spätestens 20 Jahren endgültig kollabieren. Wer trotzdem glaubt, alles beim Alten belassen und einen Zaun um unser Land ziehen zu können, verspielt den Wohlstand unseres Landes und schadet damit den Menschen. Um noch einmal auf den konkreten Fall der geplanten Verdoppelung der Rentenerhöhung und meine Kritik daran zurückzukommen: Ich weiß, dass es viele Rentner gibt, deren Renten nicht hoch sind und die nicht viel Geld zur Verfügung haben. Die strukturellen Veränderungen unserer Gesellschaft machen aber deutlich, dass es unseren Kindern und Enkelkindern im Alter wesentlich schlechter gehen wird, wenn wir jetzt nicht umsteuern. Deshalb waren Maßnahmen wie die schrittweise Erhöhung des Renteneintrittsalters dringend notwendig und deshalb ist es aus meiner Sicht eine deutliche Rentenerhöhung nicht verantwortlich.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Rainer Wend