Frage an Rainer Wend bezüglich Wirtschaft

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Frage an Rainer Wend von Ulf D. bezüglich Wirtschaft

Gewinne der E.-Konzerne bei steigenden Verbraucherpreisen

Sehr geehrter Herr Dr. Wend!

Nach Zeitungsberichten sind die Gewinne der großen Vier unter den EVU von 2002 bis 2007 um 80 Milliarden € gestiegen. Ohne Steuern und Abgaben sei der Strom von 2000 bis 2008 für die Verbraucher um 51 % teuerer geworden. Zugleich wird die Hoffnung bezweifelt, dass die politischen Parteien an diesem Missstand real etwas ändern wollen, weil sie auf allen politischen Ebenen (Bund, Länder, Kommunen) mit den EVU verbandelt seien. Den Bundeswirtschaftsminister als AKW-Lobbyisten kann man getrost vergessen. Welche
Politik wird die SPD in diesen Zukunftsfragen im Wahljahr 2009 formulieren oder müssen wir Verbraucher und Wähler resignieren? Die Gefahr einer „Wanderung“ zu den radikalen Parteien ist außerordentlich groß.

Übrigens, wenn es stimmt, dass Sie für die nächste Wahlperiode nicht mehr kandidieren, finde ich das äußerst bedauerlich !

58644 Iserlohn, 30.12.08
Düsingstr. 17

gez. Ulf Draack

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SPD

Sehr geehrter Herr Draack,

zunächst möchte ich mich herzlich dafür bedanken, dass Sie meinen Ausstieg aus der Politik bedauern. Die Entscheidung, nicht mehr für den Bundestag zu kandidieren, ist mir nicht leicht gefallen. Nach mehr als 10 Jahren Abgeordnetentätigkeit wollte ich aber beruflich noch einmal etwas Neues beginnen und freue mich nun auf die vor mir liegende Herausforderung.

Nun zu Ihrer eigentlichen Frage: Die Preisentwicklungen auf dem Energiemarkt und die enormen Gewinnsteigerungen der vier großen Energieversorger halte ich auch für besorgniserregend. Bevor hier aber vorschnelle Schuldzuweisungen getroffen werden, ist es mir wichtig, auf Folgendes hinzuweisen: Grundsätzlich werden wir nichts daran ändern können, dass die Energiepreise immer weiter steigen. Denn die hohen Energiepreise resultieren vor allem daraus, dass die weltweiten Vorräte an fossilen Energieträgern (Öl, Kohle, Gas) immer weiter abnehmen, während es andererseits aufgrund des Wirtschaftswachstums in Ländern wie China, Indien und Brasilien eine steigende Nachfrage nach Energie gibt. Nur der Ausbau alternativer Energien und weitere massive Einsparungen von Energie können uns helfen, langfristig unabhängiger von fossilen Rohstoffen zu werden und dadurch weitere Preissteigerungen zu verhindern. Deshalb ist es grundsätzlich richtig, den Verbrauch von Energie zu verteuern um damit Anreize zur besseren Energieeffizienz zu setzen.

Problematisch ist es aber, wenn -- wie im vergangenen Jahr leider zu beobachten -- die Preise für die Verbraucher steigen und die großen Energiekonzerne gleichzeitig deutliche höhere Gewinne erwirtschaften. Tatsächlich drängt sich hier der Verdacht auf, dass die Energieversorger ihre Gewinne auf Kosten der Verbraucher machen. Die von Ihnen geäußerte Vermutung, dass die Politik an diesem Missstand nichts ändern wolle, trifft allerdings nicht zu.

Das größte Problem in der Energiewirtschaft ist, dass es im Strom- und Gasmarkt noch keinen funktionierenden Wettbewerb gibt und die vier großen Energiekonzerne immer noch 80% der Erzeugungskapazität im Strombereich halten. Um den Wettbewerb auf dem Energiesektor zu stärken, wurden bereits einige Maßnahmen ergriffen. So hat die Bundesnetzagentur die Netzentgelte, die rund ein Drittel des Energiepreises ausmachen, um 13 Prozent gesenkt. Dies geschah auf Grundlage des Energiewirtschaftsgesetzes, das noch von der rot-grünen Bundesregierung auf den Weg gebracht wurde. Anfang November 2007 ist die so genannte Anreizregulierung in Kraft getreten, die für einen weiteren Rückgang der Netzentgelte sorgen wird. Dauerhaften Wettbewerb wird aber nur durch mehr Anbieter und neue, moderne Kraftwerkskapazitäten geben. Deshalb müssen vor allem die Stadtwerke und andere kleine Anbieter gestärkt werden. Zum Bau neuer Kraftwerke soll die seit Sommer 2007 geltende Kraftwerks-Netzanschlussverordnung beitragen, mit der der Anschluss neuer Kraftwerke ans Stromnetz nicht nur garantiert, sondern auch beschleunigt und erleichtert wird. Für die Überwachung der Strompreise ist seit Mitte 2008 das Bundeskartellamt zuständig. Um die Kontrollmöglichkeiten des Bundeskartellamts zu stärken, hat die Bundesregierung eine Änderung des Wettbewerbsrechts beschlossen und die Missbrauchsaufsicht im Gas- und Strombereich verbessert. Demnach muss nun jedes Energieversorgungsunternehmen nachweisen, dass seine Preise gerechtfertigt sind. Bisher musste der Verbraucher nachweisen, dass die geforderten Preise überhöht sind.

Neben staatlichen Kontrollen und der Förderung neuer Energieanbieter kann der Wettbewerb auf dem Stromsektor aber auch durch jeden Einzelnen durch den Wechsel des Stromanbieters gestärkt werden. Nicht alle Stromerzeuger haben ihre Preise erhöht und ein Wechsel des Anbieters lohnt sich deshalb oft. Diese Möglichkeit haben in den zurückliegenden Monaten viele Verbraucher genutzt. Damit wird es für die Energiekonzerne immer schwieriger, überhöhte Preise auf dem Markt durchzusetzen.

Ich hoffe, Sie durch diese Ausführungen davon überzeugt zu haben, dass die Politik das Problem der hohen Energiepreise keineswegs ignoriert. Aufgrund der Ausgestaltung unseres politischen Systems sind politische Prozesse aber oft langwierig, viele Auswirkungen von Entscheidungen nicht unmittelbar erkennbar und die Beseitigung von Missständen kann manchmal etwas länger dauern. Die SPD wird sich aber weiterhin dafür einsetzen, dass es sowohl für die privaten Verbraucher, als auch für Wirtschaft und Industrie eine verlässliche und bezahlbare Energieversorgung gibt.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Rainer Wend