Vor 6 Jahren hat das EU-Parlament die Abschaffung der Zeitumstellungen beschlossen. Wann wird das endlich umgesetzt, und wer ist für die Umsetzung verantwortlich?

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Rainer Wieland
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Frage von Ralf M. •

Vor 6 Jahren hat das EU-Parlament die Abschaffung der Zeitumstellungen beschlossen. Wann wird das endlich umgesetzt, und wer ist für die Umsetzung verantwortlich?

Die Einteilung des inzwischen großen Europas in 2 oder 3 Zeitzonen kann doch kein Problem sein. Die USA haben 4, ohne Alaska, und alles geht gut. Warum nicht auch in der EU!

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Sehr geehrter Herr M.,

haben Sie vielen Dank für Ihre Anfrage vom 5. Juni 2024 zum Thema Zeitumstellung in der Europäischen Union, auf die ich hiermit höflich Bezug nehme. Ich begrüße es sehr, dass Sie sich mit diesem konkreten Anliegen an mich wenden. Der Kontakt zu Bürgern aus meinem Wahlkreis ist mir besonders wichtig. Ihre Kritikpunkte verstehe ich und möchte daher gerne kurz zu verschiedenen Punkten Stellung nehmen.

Das Europäische Parlament hat sich bereits im März 2019 mit großer Mehrheit für die Abschaffung der Zeitumstellung ausgesprochen. Ein wesentlicher Grund dafür sind die gesundheitlichen Auswirkungen für Bürgerinnen und Bürger, denn viele Menschen empfinden durch die Zeitumstellung Beeinträchtigungen. Die Erkenntnisse der deutschen Energiewirtschaft bestätigen außerdem, dass sich das ursprüngliche Ziel der Energieeinsparung durch die Einführung der Sommerzeit nicht erreichen ließ. Bezüglich Ihres Anliegens, die Zeitumstellung möglichst bald abzuschaffen, möchte ich Ihnen im Folgenden ein paar Hintergrundinformationen zum laufenden EU- Gesetzgebungsverfahren geben.

Wie Sie richtig schreiben, hat das Europäische Parlament vor dem Hintergrund verschiedener Bürgerinitiativen die Europäische Kommission bereits im Februar 2018 aufgefordert, einen entsprechenden Gesetzesentwurf zur Abschaffung der jahreszeitlich bedingten Zeitumstellung innerhalb der Europäischen Union vorzulegen. Auf diesen im September 2018 von der Kommission vorgebrachten Legislativvorschlag hat das Europäische Parlament – auch auf Druck der EVP-Fraktion – schnell reagiert: Im März 2019 billigte es den Vorschlag der Kommission, die Zeitumstellung abzuschaffen und die Uhren letztmalig im Jahr 2021 umzustellen. Dabei sollte es den EU-Mitgliedstaaten freigestellt werden, ob sie eine dauerhafte Sommer- oder Winterzeit einführen.  Damit der Umstand, dass einige EU-Mitgliedstaaten die Sommerzeit wählen und andere die Winterzeit, den Binnenmarkt nicht beeinträchtigt, haben wir Europaabgeordnete allerdings darauf gedrungen, bei der Entscheidungsfindung koordiniert vorzugehen. Unter nachfolgendem Link finden Sie die Pressemitteilung der EVP-Fraktion im Europäischen Parlament: 

Folgendem Link können Sie die Pressemitteilung des Europäischen Parlaments entnehmen: 

Der Standpunkt der EVP-Fraktion und des Europäischen Parlaments ist somit klar. Allerdings gibt es seither Schwierigkeiten im Rat, der als Kammer der Mitgliedsstaaten und Co-Gesetzgeber ebenfalls entscheiden muss. Hier liegt das Thema nach wie vor auf Eis: Das Hauptproblem ist, dass die EU die Zeitumstellung zwar abschaffen kann – ob dann aber dauerhaft Sommer- oder Winterzeit gilt, ist wiederum Sache der Mitgliedstaaten. Bei der Entscheidungsfindung – sei es für eine einheitliche Sommerzeit oder für eine gemeinsame Winterzeit – muss jedoch die individuelle geografische Lage der Mitgliedstaaten berücksichtig werden. Eine Entscheidung zugunsten einer einheitlichen Sommerzeit hätte beispielsweise für Spanien zur Folge, dass der Sonnenaufgang im Winter erst kurz vor 10 Uhr stattfinden würde. Einigten sich die Mitgliedstaaten auf eine einheitliche Winterzeit, ginge die Sonne in Warschau im Sommer bereits um 3 Uhr auf. 

Wie Sie anregen, könnte die Einführung verschiedener Zeitzonen innerhalb der Europäischen Union dieses Problem zwar lösen. Jedoch ist zu bedenken, dass Zeitdifferenzen hier ähnlich wie Sprachgrenzen oder kulturelle Unterschiede den Handel zwischen den Mitgliedstaaten innerhalb des europäischen Binnenmarkts erschweren könnten. Im Fall unterschiedlicher Uhrzeiten würden die Büro- und Arbeitszeiten der einzelnen Länder auseinanderfallen, was zu komplizierteren Arbeitsabläufen führen und die Kommunikation zwischen verschiedenen Standorten erschweren könnte. In letzter Konsequenz könnte sich der Handel zwischen den nationalen Firmen reduzieren. Sollten beispielsweise Spanien und Frankreich eine andere Zeitzone als Deutschland einführen, bedürfte es einer intensiveren Abstimmung europäischer Firmen, die innerhalb des Binnenmarkts länderübergreifend tätig sind. Alles in allem muss es uns schließlich darum gehen, eine Lösung zu finden, die sowohl die Einheit des Binnenmarkts bewahrt als auch das bestmögliche Zusammenleben innerhalb der europäischen Länder garantiert.

Leider fehlt es aktuell an einer geeigneten rechtlichen Koordinierungsmöglichkeit innerhalb des Rates, sich auf eine einheitliche Zeit zu einigen, um einen Flickenteppich aus Sommer- und Winterzeiten unter den 27 Mitgliedsstaaten zu vermeiden, den weder die Wirtschaft noch die Bürgerinnen und Bürger wollen. Hinzu kommt, dass nach Auffassung der Bundesregierung eine Folgenabschätzung durch die Kommission notwendig wäre, um das Thema im Rat zielführend diskutieren zu können. Nach Auffassung der Kommission ist diese Folgenabschätzung jedoch für die in ihren Zuständigkeitsbereich fallende Abschaffung der Zeitumstellung nicht erforderlich.

Zuletzt hat sich die finnische Ratspräsidentschaft im Dezember 2019 mit der Abschaffung der Zeitumstellung befasst. Seit dem Beginn der Corona-Pandemie hat jedoch keine Ratspräsidentschaft das Dossier im Rat erneut debattiert. Zur kommenden Winterzeit ist es wichtig, dieses für die Bürgerinnen und Bürger wichtige Anliegen wieder aufzugreifen. Schließlich hatte die Konsultation zur Zeitumstellung mit einer Beteiligung von 4,6 Millionen Menschen die höchste Bürgerbeteiligung aller Zeiten. Allerdings muss beachtet werden, dass unter den 4,6 Millionen Bürgern, die sich an der Umfrage beteiligten, etwa 3 Millionen in Deutschland ansässig sind. Unionsbürger anderer Mitgliedstaaten sehen die Frage der Zeitumstellung folglich als deutlich weniger wichtig an.

Die CDU/CSU Europagruppe setzt sich kontinuierlich für die Wiederaufnahme der Verhandlungen und die Abschaffung der Sommerzeit ein. In diesem Zusammenhang haben wir uns im vergangenen Jahr in einem dringenden Brief mit der Bitte an die schwedische Ratspräsidentschaft gewandt, den Vorschlag für eine Richtlinie zur Abschaffung der Zeitumstellung wieder auf die Tagesordnung zu setzen. Eine Wiederaufnahme des Verfahrens von Seiten der Mitgliedstaaten, welche im Rat repräsentiert sind, ist jederzeit möglich. Als geeignete Anlaufstelle für Ihr Anliegen kommen aus diesem Grund auch die Abgeordneten des deutschen Bundestages in Frage.

Ich persönlich betrachte dieses Thema eher leidenschaftslos, stelle mich jedoch in die Linie der EVP-Fraktion im Europäischen Parlament. In jedem Fall liegt der Ball – und dies schon geraume Zeit – im Feld des Rates. Die momentan offene Frage ist deshalb, wann der Rat Initiative zeigen wird. Denn die aktuellen Prioritäten liegen bei der Lösung des Ukraine-Konflikts, der Entlastung der krisengeschüttelten Wirtschaft und dem Umgang mit dem Klimawandel. Es bleibt nun abzuwarten, ob sich die Prioritäten in Zukunft wieder zugunsten einer Lösung dieser Frage verschieben.

Ich hoffe, ich konnte Ihnen mit diesen Ausführungen meinen Standpunkt etwas näherbringen und den aktuellen Stand auf europäischer Ebene zum Thema Zeitumstellung darlegen. Gerne stehe ich Ihnen für einen weiterführenden Meinungsaustausch zur Verfügung. Wenden Sie sich im gegebenen Fall doch bitte an mein Büro in Stuttgart oder Brüssel zur Vereinbarung eines Telefontermins.

Ich danke Ihnen nochmals für Ihr Interesse und verbleibe mit freundlichen Grüßen

Rainer Wieland

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