Wie werden sie sich zum neugeplanten EU Recht zur Gentechnik verhalten

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Rainer Wieland
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Frage von Ulrike S. •

Wie werden sie sich zum neugeplanten EU Recht zur Gentechnik verhalten

Sehr geehrter Herr Wieland
ich hoffe dass sie und ihre Parteikollegen sich der Gefahren die durch diese geplante Veränderung des EU Rechts bewusst sind und die Bevölkerung und ihre Kollegen in Berlin darauf hinweisen. Indem bestimmte gentechnische Verfahren nicht mehr unter das Gentechnik Recht fallen sollen, wäre die Biobranche wirtschaftlich stark gefährdet, da dann keine Gentechnikfreiheit mehr gewährleistet werden kann. Kennzeichnungspflicht, Gefahrenanalyse etc. werden nicht mehr beachtet. Das ist sicher nicht im Sinne der Verbraucher. MGF Ulriike S.

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Sehr geehrte Frau S.,

haben Sie vielen Dank für Ihre Anfrage vom 21. August über das Portal Abgeordnetenwatch zum Thema Gentechnik, auf die ich höflich Bezug nehme und für deren späte Beantwortung ich ausdrücklich um Nachsicht bitte. Ich begrüße es sehr, dass Sie sich mit solchen konkreten Anliegen, auch in Form von Kritik, an mich wenden, weil mir diese Form des direkten Kontakts zu Bürgerinnen und Bürgern besonders wichtig ist.

Der aktuell geltende europäische Rechtsrahmen zum Umgang mit genetisch veränderten Organismen (GVO) wurde vor über 20 Jahren verabschiedet. So ist die Freisetzung von GVO in die Umwelt zu Versuchszwecken sowie deren Anbau, Einfuhr oder Umwandlung in industrielle Produkte aktuell in der Richtlinie 2001/18/EG („GVO-Richtlinie“) geregelt.

Die in der GVO-Richtlinie von 2001 aufgeführte Definition von genetisch veränderten Organismen wird allerdings nach neueren Erkenntnissen der Forschung mittlerweile als veraltet eingestuft. So wurden in den vergangenen zwei Jahrzehnten zahlreiche neue wissenschaftliche Erkenntnisse erzielt und neue Techniken entwickelt, bspw. die sogenannte Genschere CRISPR. Viele dieser Entwicklungen wurden bei Erlass der GVO-Richtlinie nicht vorausgesehen und die Richtlinie ist somit nicht ohne Weiteres auf die aktuellen Entwicklungen anwendbar. Dadurch entsteht eine gewisse Rechtsunsicherheit, gerade auch für die betroffenen Landwirte. Mit Urteil vom 25. Juli 2018 hat der Europäische Gerichtshof in der Rechtssache C-528/16 entschieden, dass auch die durch sogenannte Mutagenese gewonnenen Organismen als genetisch veränderte Organismen im Sinne der GVO-Richtlinie zu qualifizieren sind und damit durch diese Richtlinie geregelt werden.

Die EU-Kommission hat bereits 2019 eine Studie zur wissenschaftlichen Evaluierung von Gentechnik in Auftrag gegeben und nach Veröffentlichung der Studie einen Vorschlag zur Reform der EU-Verordnung zur Regulierung von Gentechnik vorgelegt. Mit diesem neuen Verordnungsvorschlag vom 5. Juli 2023 (2023/0226 (COD)) will die Kommission nun einen neuen Rechtsrahmen für Pflanzen schaffen, die durch gezielte Mutagenese und Cisgenese gewonnen werden, sowie für die daraus hergestellten Lebens- und Futtermittel. Dieser wurde nun an das Europäische Parlament weitergeleitet, steht jedoch noch am Beginn der Beratungen. Die Themen Koexistenz und Patentierung werden dabei eine wichtige Rolle spielen.

Der Vorschlag zur Reform der Gentechnik-Richtlinie ist Teil des European Green Deal für mehr Innovation und Nachhaltigkeit. Moderne Gentechnik erlaubt präzise Eingriffe ins Erbgut und damit gezieltere und schnellere Veränderungen als durch konventionelle Züchtungen. So können Pflanzen, die etwa widerstandsfähiger gegen Wassermangel oder Schädlinge sind, gezüchtet werden, um Pflanzen an durch den Klimawandel veränderten Bedingungen anzupassen oder den Pestizideinsatz zu verringern. Die grüne Gentechnik ist deshalb ein wichtiges Werkzeug, um den Pestizideinsatz zu reduzieren, Nahrungsmittelsicherheit sowie Unabhängigkeit von Nahrungsmitteleinfuhren aus dem Ausland zu fördern und die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Agrarwirtschaft zu erhalten.

Gemeinsam mit meinen Kolleginnen und Kollegen der CDU/CSU-Gruppe im Europäischen Parlament befürworte ich einen rechtssicheren Rahmen für den Umgang mit neuen genomischen Techniken, um eine gesunde und sichere Lebensmittelversorgung zu gewährleisten. Zudem sollten wir sicherstellen, dass wir möglichen europäischen Innovationen in diesem Bereich nicht den Weg versperren und dieses wichtige Innovationsfeld anderen Ländern überlassen. Technologieoffenheit ist wichtig, um Chancen zu nutzen, die durch Weiterentwicklung in Wissenschaft und Forschung möglich werden und international wettbewerbsfähig zu bleiben. Eine unregulierte Freisetzung genetisch veränderter Organismen darf durch eine solche Reform allerdings nicht möglich werden, vielmehr muss eine dem heutigen Stand der Technik angemessene Regulierung erreicht werden. Auch wird die 2004 eingeführte EU-weite Kennzeichnungspflicht für gentechnisch veränderte Lebensmittel weiter bestehen bleiben, sodass Sie beim Lebensmittel- und Saatgutkauf weiter selber entscheiden können, ob Sie gentechnisch veränderte Produkte kaufen wollen oder nicht.

Den von der Europäischen Kommission im Juli 2023 vorgelegten Gesetzesvorschlag gilt es nun zu prüfen. Das Europäische Parlament und der Rat der EU werden diesen Vorschlag entsprechend ihren Vorstellungen und nach Konsultationen mit Fachleuten auf dem Gebiet bearbeiten. Lassen Sie mich versichern, dass meine Kolleginnen und Kollegen in den zuständigen Umwelt- und Landwirtschaftsausschüssen in dieser Phase Chancen und Risiken gleichermaßen in den Blick nehmen werden, um im Ergebnis eine möglichst ausgewogene Gesetzesgrundlage zu verabschieden, auf die sich Produzenten und Verbraucher verlassen können und die unsere hohen Gesundheits- und Umweltschutzstandards selbstverständlich mitberücksichtigt.

Ich hoffe, ich konnte Ihnen mit diesen Ausführungen meinen Standpunkt etwas näherbringen. Ich danke Ihnen nochmals für Ihre Zuschrift zu diesem wichtigen Thema. Für Rückfragen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung und verbleibe mit freundlichen Grüßen und besten Wünschen für ein frohes und gesundes neues Jahr

 

Rainer Wieland

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