Frage an Ralf Hofmann bezüglich Landwirtschaft und Ernährung

Ralf Hofmann
SPD
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Frage von Sven M. •

Frage an Ralf Hofmann von Sven M. bezüglich Landwirtschaft und Ernährung

Was tun Sie dafür landwirtschaftliche Flächen zu schonen, den Landfrass zu stoppen und wie unterstützen Sie die moderne Landwirtschaft bei der Imagepflege gegenüber dem Endverbraucher und der überhandnehmenden Freizeitgesellschaft?

Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr May,

vielen Dank für Ihre Frage. Bitte entschuldigen Sie, dass es etwas gedauert hat mit meiner Antwort. Aber da ich über kein Abgeordnetenbüro verfüge, muss ich derlei Dinge i.d.R. selbst erledigen und das kann dann mitunter etwas mehr Zeit in Anspruch nehmen.

Wie Sie vielleicht wissen, bin ich noch kein Abgeordneter, sondern kandidiere für den nächsten Deutschen Bundestag. Daher könnte ich Ihnen jetzt Versatzstücke aus dem bestehenden Partei- oder Wahlprogramm liefern, da ich einzelne Sachfrage noch nicht so tief eingearbeitet sein kann.
Ich verstehe Ihre Fragen aber so, dass es Ihnen um meine Haltung geht. Dazu kann ich Ihnen gerne Auskunft geben.
Gestatten Sie mir, dass dazu ich Ihre Frage in zwei Teile splitte:
Erstens geht es um Flächenfraß, zweitens um die Förderung moderner Landwirtschaft.
Die überhand nehmende Freizeitgesellschaft bekomme ich nicht in diesen Kontext. Gerne können Sie mir hier eine Erläuterung senden, damit ich Ihnen auch diese Frage beantworten kann.

Zu erstens.
In Unterfranken, speziell in der Region Schweinfurt kommt es durch Übernahme von landwirtschaftlichen Flächen zu deutlich größeren Einheiten als es bisher bei uns in Unterfranken üblich war. Im Bereich Ackerbau sprechen Experten bereits von kommenden "niedersächsischen" Verhältnissen.
Das hat einerseits damit zu tun, dass aus wirtschaftlichen Gründen immer größere Einheiten bewirtschaftet werden müssen. Durch die gesteigerte Produktivität ist dies auch leistbar.
Und es hat andererseits damit zu tun, dass es weniger Landwirte gibt und die verbleibenden größere Einheiten bewirtschaften.
Kritisch sehe ich, dass durch Förderpolitik falsche Anreize gesetzt werden. Beispiel: die hohen Prämien für Landwirte, um Flächen für Windkrafträder bereit zu stellen. Der Ausbau der Windkraft ist von großer Bedeutung. Wenn man sie aber dadurch forciert, dass Landwirte wirtschaftlich besser gestellt werden, wenn sie gute Böden nicht mehr bewirtschaften, ist das kontraproduktiv.
Auch die Förderung der sog. Biogasanlagen weist in die falsche Richtung. Biogasanlagen sind nur dann annähernd effizient, wenn auch ihre Abwärme genutzt werden kann. Das ist in den seltensten Fällen so. Hinzu kommt, dass zum Betrieb der Anlagen große Flächen mit Mais bewirtschaftet werden müssen und diese für den „normalen“ Ackerbau verloren gehen.
Ein weiteres Problem ist das überholte Baurecht. Solaranlagen könnten in Deutschland viel besser genutzt werden, wenn das Baurecht den Anforderungen entspräche. Erst vor wenigen Tagen hatte ich ein Gespräch mit einem Landwirt, der darauf verwies, dass er eine Brache hat, die aufgrund schlechter Bodenwerte auch nicht nutzbar sein wird. Diese Fläche würde sich für ein Solarkraftwerk bestens eignen. Das Problem: Solche Solarkraftwerke dürfen in Deutschland nur an Autobahnen und auf ehemaligen Militärarealen errichtet werden. Somit verlieren sie enorm an Effizienz. Zusammengefasst:
In unserer Region kann durch bessere Produktionsbedingungen und höhere Effizienz auf bestehenden Flächen mehr erzielt werden, unter Berücksichtigung nachhaltiger Bewirtschaftung.
Die aktuelle Förderpolitik lenkt die Nutzung der Flächen in eine falsche Richtung. Hier gehört umgesteuert.

Zu zweitens.
Ich unterstelle mal, dass sie den Begriff moderne Landwirtschaft bewusst gewählt haben und ausdrücklich nicht zwischen Biobau und konventioneller Landwirtschaft unterscheiden wollen.
Das begrüße ich: Auch wenn die Leitlinien der Nachhaltigkeit im Bioland Grundlage für die konventionelle Landwirtschaft sein sollten, werden wir den Nahrungsmittelbedarf nicht mit Biolandwirtschaft decken können. Und meine persönliche Haltung zu „Bioprodukten“ aus China oder anderen fernen Ländern ist auch eindeutig: zur Bio-Betrachtung gehört für mich auch eine Ökobilanz. Daher: Produkte sollten weitestgehend regional und saisonal genutzt werden, wenn dann noch Bio, umso besser.
Die Landwirtschaft braucht insbesondere an zwei Punkten Unterstützung:
Bei der Wertschätzung des Berufsbildes und bei der Wertschätzung des Lebensmittels an sich.
Einen konstruktiven Ansatz, um diese Situation zu verbessern, sehe ich z.B. im Vorschlag der Bayerischen Landfrauen, ein Schulfach „Lebensökonomie“ einzuführen. Noch weiter geht da das Land Schleswig-Holstein. Hier heißt das Fach schlicht „Verbraucherschutz“ und behandelt u.a. auch solche Themen wie Produktion und Umgang mit Lebensmittel.
Es fehlt bei vielen Menschen mittlerweile am Bezug zu Lebensmittel. Auch hier liegt eine Verantwortung in der Bildungspolitik. Wenn es zu einer zunehmenden Entfremdung kommt, wie unsere Nahrung entsteht und worauf es bei der Ernährung ankommt, sollte das mindestens genauso Thema in den Schulen sein, wie Biologie oder Erkunde.

Zwei Punkte möchte ich noch ansprechen:
In vielen Gesprächen mit Landwirten und Verbandsvertretern wurde deutlich, dass das hohe Maß an Bürokratie das Arbeiten stark erschwert. Ganz praktisches Beispiel: Damit der Landwirt für sein gepachtetes Land die Flächennutzungsprämie des Grundbesitzers übernehmen kann, muss er sogenannte Zahlaufträge miterwerben. Diese hatten jedoch nur Sinn, solange die FNP an der Art der Flächennutzung ausgerichtet war. Mittlerweile wird sie ja pauschal gezahlt. Die Zahlaufträge sind ein bürokratischer Vorgang, der offensichtlich vergessen wurde abzuschaffen, als die Flächenutzungsprämien umgestellt worden sind. Wir dürfen als Politik nicht alles der Kompetenz der Ministerialbürokratie überlassen. Gerade im Bereich Bürokratieabbau könnten wir ein gutes Stück vorankommen, wenn wir die Fachverbänden mehr an der Verantwortung beteiligen. Ich kann mir vorstellen, dass diese Stellung in der Perspektive durchaus vergleichbar mit den Industrie-Gewerkschaften sein kann, so dass die Verbände als beteiligte Partei bei Gesetzesvorhaben eingebunden und letztlich auch verantwortlich werden.
In den gleichen Bereich gehört der Ausbau des schnellen Internets, das in vielen ländlichen Gebieten noch nicht angekommen ist. Viele Dokumentationsvorschriften können online erfolgen, teilweise müssen sie sogar. Ein langsames oder gar kein Netz behindert die Arbeit und bringt wirtschaftliche Nachteile.

Der letzte Punkt.
Die Landwirtschaft ist in besonderem Maße betroffen, wenn sogenannte schwarze Schafe mit schlechter Arbeit die gesamte Branche in Misskredit bringen.
Daher sollten gezielte und flächendeckende Überprüfungen staatlicher Kontrollstellen helfen, den guten Ruf der zu 99% sauber und mit viel Leidenschaft arbeitenden landwirtschaftlichen Betriebe zu sichern.

Ich könnte Ihnen jetzt noch weitere Ausführungen zu strukturpolitischen Überlegungen machen, auch zum Thema Privilegierung beim Baurecht, zum Thema Greening usw.
Aber für den Moment möchte ich es hier belassen.
Zum Schluss gestatten Sie mir bitte noch eine Anmerkung: ich komme als selbständiger Geschäftsführer einer Veranstaltungsagentur (also durchaus ein Gestalter der Freizeitgesellschaft) aus einem völlig anderen Lebensbereich. Aber ich habe mich in den letzten Monaten sehr gerne und mit wachsender Begeisterung mit dem Bereich Landwirtschaft beschäftigt. Meine Achtung vor den umfassenden Kompetenzanforderungen an Landwirte ist enorm gewachsen. Bei allen Gesprächen, die ich zu dem Thema führen durfte, habe ich das Gefühl erhalten, auf eine gute zukünftige Kooperationsbasis bauen zu können. Diese werde ich, im Falle meiner Wahl, intensiv und zum hoffentlich großen Nutzen unserer Region weiter vertiefen.

Für weitere Fragen stehe ich Ihnen jederzeit gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr
Ralf Hofmann